Brüssel. Die griechische Euro-Mitgliedschaft steht auf der Kippe. Wäre ein zeitlich befristeter “Grexit“ ein Abschied auf Raten? Ein Kommentar.

Griechenland spaltet Europa. Das hat die Marathon-Sitzung der Euro-Finanzminister in Brüssel mehr als deutlich gemacht. Während die einen weiter auf Vermittlung setzen und die Verhandlungen mit Athen fortsetzen wollen, sehen die anderen in den neuen Vorschlägen der griechischen Regierung keine Grundlage für weitere Gespräche. Eines haben beide Fraktionen gemeinsam: die - mehr oder minder stark ausgeprägte - Skepsis, ob eine Einigung in der Schuldenkrise noch gelingen kann. Der Grexit wird immer wahrscheinlicher.

Finanzminister Schäuble führt Riege der Skeptiker an

Angeführt wird die Fraktion der Skeptiker von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble. Der CDU-Mann hatte bereits auf die Euphorie-Bremse getreten, als am Freitag das neue Reformpapier aus Athen zunächst für Optimismus bei den meisten Euro-Partnern gesorgt hatte. Der Frust und der Ärger über die Taktiererei der Regierung Tsipras in den letzten Monaten sitzt tief bei Schäuble. Er hat vor allen Dingen nord- und osteuropäische Staaten an seiner Seite: Finnland, Estland, Lettland, Litauen, die Slowakei. Aber auch in Österreich und den Niederlanden gibt es offenbar große Vorbehalte gegen die griechischen Vorschläge.

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Schäuble war es denn auch, der am Samstag in Brüssel jenes Szenario, über das zuletzt intern immer öfter spekuliert wird, erstmals schriftlich fixierte: In einem Positionspapier, das beim Gipfel zirkulierte, brachte Schäuble einen "Grexit auf Zeit" ins Gespräch. Das hieße: Griechenland verlässt die Eurozone für mindestens fünf Jahre und restrukturiert seine Schulden. Das Land bleibt gleichzeitig Mitglied der EU und bekommt "wachstumsstärkende, humanitäre und technische Unterstützung".

Schäuble will damit Fakten schaffen. Ein zeitlich befristeter Austritt Athens aus der Gemeinschaftswährung wäre nichts anderes als ein Abschied auf Raten. Es ist - vorsichtig ausgedrückt - sehr unwahrscheinlich, dass die Griechen binnen fünf Jahren ihre Finanzen und ihre Wirtschaft so auf Vordermann bringen könnten, um dann wieder fit für den Euro zu sein. Dazu bräuchte es einen deutlich längeren Zeitraum - wenn es Athen überhaupt schaffte, die Kurve zu einer soliden Staatsfinanzierung hinzubekommen. Darauf spekuliert Schäuble, der das Vertrauen in Athen komplett verloren hat.

Skeptiker schrauben Athens Geldbedarf auf 100 Milliarden Euro

Gestützt wird diese Skepsis durch die Zahlen. Hieß es am Freitag noch, Athen benötige für die nächsten drei Jahre ein Hilfsprogramm von rund 53 Milliarden Euro, so ist inzwischen von 80 Milliarden die Rede, selbst ein Finanzbedarf von bis 100 Milliarden Euro gilt nicht mehr als ausgeschlossen. Klar ist aber auch: Die Hardliner in der Euro-Gruppe haben ein Interesse daran, die Zahlen nach oben zu treiben, um ihre tiefe Skepsis zu untermauern. 80 bis 100 Milliarden Euro - es wäre das gefürchtete Fass ohne Boden, für das viele Kritiker die Athener Haushaltskasse schon lange halten.