Düsseldorf/Berlin. Mit Geld und Tricks werben Bundesländer gegenseitig Fachkräfte und ganze Firmen ab. Jetzt wird Wirtschafts-Primus Bayern Ziel einer heftigen Attacke.

Die Ministerpräsidenten der 16 Bundesländer tun meist völlig unschuldig und so, als passe zwischen sie kein Blatt Papier. Bei ihren Konferenzen werden Gemeinsamkeiten auch gerne am offenen Kaminfeuer demonstriert. Die Wahrheit? Sieht ganz anders aus. Sie sind knallharte Konkurrenten. Es geht um Geld, Manpower und gute Wirtschaftsdaten. Mit fiesen Tricks und gemeinen Methoden versuchen sie, den anderen Fachkräfte und Firmen abspenstig zu machen.

Jetzt hat Niedersachsen den Vogel abgeschossen. In einer halbseitigen Anzeige in der Süddeutschen Zeitung tut SPD-Wirtschaftsminister Olaf Lies aus Hannover so, als würden zwischen Würzburg und Lindau bald die Lampen ausgehen: „Auch bayerische Unternehmen brauchen Strom. Ziehen Sie direkt an die Quelle, ins Land der Energie: Nach Niedersachsen!“

Fußball als Argumentationshilfe

Spitz zielt Lies ins Herz der Bajuwaren, den wirtschaftspolitischen Stolz der Alpenländler: „Mittelfristig ist die sichere Stromversorgung aus erneuerbaren Energien in Bayern nicht gewährleistet“, behauptet er frech. „Wenn der Strom nicht zu Ihnen kommt, kommen Sie zum Strom.“ Um dann süffisant auch noch auf die Kicker-Leistung der Niedersachsen dank Wolfsburg zu verweisen: „Niedersachsen stellt den Pokalsieger 2015 und aktuellen Bayernjäger Nr. 1“.

Hintergrund der hinterfotzigen Attacke der Nordlichter ist die Weigerung des bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer (CSU), mit neuen Stromleitungen den im Norden produzierten Öko-Strom in den Freistaat zu holen. Dennoch klingt der Werbetext für Niedersachsen („liegt zentral im Herzen Europas“) eher nach einer heftig verspäteten Revanche der nord- und westdeutschen Länder für eine bayerische Kampagne, die der Autohersteller BMW 1973 gegen Nordrhein-Westfalen und speziell gegen das Ruhrgebiet inszeniert hatte.

Das Mittel vor vierzig Jahren: Auch die Zeitungsanzeige, genau so zielgenau, nur statt in der Süddeutschen in der WAZ. „Jupp, komm nach Bayern“, warben die bayerischen Automanager, die für den Bau der 5er-Reihe im neuen Werk in Dingolfing keine Fachkräfte fanden und Bergleute aus dem Revier wollten. „Jupp, schmeckt dir das?“, hieß eine ihrer Werbespots, in dem sie „Pilze und Schinken“ aus dem Bayerischen Wald priesen und mit guten Gehältern lockten. Doch die Ruhris konterten den Angriff ironisch ( „Sepp, komm nach Ruß-Land“), die Umworbenen untertage ließ der Lockruf ohnehin kalt: Von den damals 85.000 Ruhr-Kumpeln packten gerade zwei Dutzend die Koffer - und kamen wenig später reumütig aus der verlassenen bayerischen Provinz zurück.

Wettbewerb ist härter geworden

Tatsächlich ist der heutige Wettbewerb der Länder härter. Mecklenburg-Vorpommern begann 2009, in westdeutschen Bundesländern gezielt Lehrer abzuwerben mit der Aussicht auf Verbeamtung und billige Baugrundstücke an der Ostsee. Hessen zog mit Gehaltsaufschlägen Pädagogen aus dem nördlich benachbarten Sauerland ab. Und besonders weh getan hat NRW vor wenigen Jahren die direkte Abwerbung der Zwiebackfabrik Brandt in Hagen-Haspe. Thüringen bot dem westfälischen Unternehmen Sonderkonditionen für den Aufbau einer neuen Fertigung in Ohrdruf. Brandt biss an. 500 Arbeitsplätze gingen im östlichen Revier verloren.

Auf einen ähnlichen Effekt setzen jetzt die Niedersachsen. „Mein Ansiedlungsteam erwartet Sie“, lockt Wirtschaftsminister Lies „die lieben Unternehmerinnen und Unternehmer in Bayern“.