München. . Die Angeklagte deutet eine Aussage an. Das wäre die Wende im NSU-Prozess. Das Verhältnis zu ihren Pflichtverteidigern sieht sie als zerrüttet an.

Überraschende Nachricht nach zwei Jahren NSU-Prozess: Die mutmaßliche Neonazi-Terroristin Beate Zschäpe (40) erwägt offenbar, nun doch auszusagen. In den mehr als 200 Verhandlungstagen hatte die Hauptangeklagte bislang geschwiegen.

In einem vierseitigen Schreiben an das Münchner Oberlandesgericht, das dieser Zeitung vorliegt, teilte Zschäpe mit, dass sie sich „durchaus mit dem Gedanken beschäftige, etwas auszusagen“. Eine weitere Zusammenarbeit mit ihrer Verteidigung sei deshalb nicht möglich. In dem Schreiben musste Zschäpe erneut begründen, warum sie ihre Verteidigerin Anja Sturm loswerden möchte. Zschäpe hatte erst vor kurzem deren Entpflichtung beantragt.

Zerwürfnis mit den Anwälten

Die Angeklagte wirft ihren drei Pflichtverteidigern Anja Sturm, Wolfgang Heer und Wolfgang Stahl vor, sie hätten ihr mit dem Ende des Mandats gedroht, sollte Zschäpe ihre Strategie ändern und eine Aussage zu einzelnen Vorwürfen machen wollen. Sie würden dann einen Antrag formulieren mit dem Ziel, „ihre Bestellung aufzuheben“. „Ich fühle mich geradezu erpresst“, schrieb Zschäpe.

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Die drei Anwälte wiesen die Vorwürfe ihrer Mandatin zurück. Insbesondere widersprachen sie der Darstellung, ihrer Mandantin gedroht zu haben.

Der Schriftwechsel macht deutlich, dass Zschäpe sich bislang offenbar nicht einmal ihren Verteidigern gegenüber umfassend anvertraut hat. Und er zeigt, wie angespannt das Verhältnis insgesamt ist. In einem Brief an ihre Mandantin, den Zschäpe selbst wiedergab, beschwerten sich Heer, Stahl und Sturm über deren „anmaßendes und selbstüberschätzendes Verhalten“, wenn sie die Leistung ihrer Anwalte bewerte. Dieses Verhalten verbiete sich vor allem, da „Sie uns aufgrund der nur fragmentarischen Weitergabe Ihres exklusiven Wissens nicht in die Lage versetzen, Sie optimal zu verteidigen“.

Gericht muss Ablösung der Anwälte zustimmen

Zschäpe wiederum erhob in dem Brief an das Gericht neue Vorwürfe gegen ihre Anwälte: Heer und Stahl surften während laufender Verhandlung im Internet oder twitterten. Und Sturm gehe es vor allem darum, „Pflichtverteidigergebühren zu kassieren“. Von einem Vertrauensverhältnis könne keine Rede sein. Auch diese Vorhaltungen wiesen die drei Anwälte klar zurück – ebenso wie Zschäpes Vorwürfe, dass derzeit „Funkstille“ herrsche und jeder Gesprächsversuch auf Konfrontation anstatt Kooperation hinauslaufe. Heer hielt dem entgegen, Zschäpe selbst habe mehrere Gesprächsangebote zurückgewiesen.

Das Vertrauen Zschäpes zu ihren Verteidigern gilt schon seit längerer Zeit als belastet. Vor einem Jahr hatte sie allen dreien das Vertrauen entzogen. Das Gericht war ihrem Wunsch nach neuen Prozessvertretern aber nicht gefolgt. Da es sich um Pflichtverteidiger handelt, hätte das Gericht zustimmen müssen. Zschäpes jüngster Antrag richtete sich nun nur noch gegen Sturm. (km)