Berlin. Zur Koalitionshalbzeit droht die SPD-Handschrift zu verblassen. Gabriel reagiert, indem er die Partei in Schröderscher Basta-Manier auf Spur bringt.
Der Rauch der Schlacht hat sich verzogen, die SPD und ihr Vorsitzender stehen noch. "Ich glaube, es gibt überhaupt keine Verletzungen", lautete am Wochenende das optimistische Fazit von Sigmar Gabriel nach einem kleinen Parteitag in Berlin.
Dort sagte die SPD mit knapper Mehrheit Ja zum Datensammeln. Ein drohendes Waterloo der Genossen kurz vor der Halbzeit der großen Koalition konnte mit Ach und Krach verhindert werden. Die SPD hat Regierungsfähigkeit über Ideologie gestellt - dafür musste Gabriel seine Leute aber mit Rücktrittsandeutungen und in Schröderscher Basta-Manier auf Spur bringen. Und das bei einer Sachfrage aus der zweiten Reihe.
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Das Kuddelmuddel habe ihn zeitweise an HSV-Verhältnisse erinnert, meinte SPD-Vize Ralf Stegner in Anspielung auf die Dauerkrise beim Hamburger Fußball-Dino: "Aber ist ja noch mal gutgegangen." Ist wirklich alles heil geblieben?
SPD-Chef Gabriel forciert sein Image als Raufbold
Fangen wir bei Heiko Maas an. Der von den Parteilinken verehrte Justizminister und asketisch lebende Triathlet, hat politisch an Gewicht verloren. Zwar wurde der Saarländer am Samstag von allen Genossen gefeiert, weil er den Konvent im Willy-Brandt-Haus fast im Alleingang von der Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung (VDS) überzeugte.
Auch Gabriel lobte ihn dafür - um im nächsten Moment sein altes Raufbold-Image zu bestätigen. Gabriel drängte den willfährigen Minister auf der Pressekonferenz vom Mikro weg, als es darum ging, wer von beiden die nun geplante Überprüfung des VDS-Gesetzes im Jahr 2018 mit CDU-Innenminister Thomas de Maizière eingetütet habe.
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Maas dürfte der Makel des Umfallers lange anhaften, auch wenn ihn in der SPD alle mögen. Er war immer gegen staatliches Datenschnüffeln - bis Gabriel ihn zur Kehrtwende zwang, weil er fürchtete, ohne das Ermittlungsinstrument würde die Union die SPD eines Tages an den Pranger stellen, falls Islamisten auf deutschem Boden eine Bombe hochgehen lassen.
Gabriel erscheint in der Spionage-Affäre inkonsequent
Kommen wir zum Vorsitzenden. Mehrheit ist Mehrheit. Gabriel weiß, dass in ein paar Tagen keiner mehr über diesen Konvent sprechen wird. Schon am Montag werden die EU-Staats- und Regierungschefs bei einem Sondergipfel in Brüssel versuchen, eine Lösung mit Griechenland zu erreichen, um den Euro und Europa zu schützen. Gabriel muss das aus der Ferne verfolgen, die Weltbühne bespielt die Kanzlerin.
Zuletzt polterte er gegen Athen. Schließlich haben 70 Prozent der Deutschen laut Demoskopen die Nase voll vom Hinhalte-Kurs der Tsipras-Regierung. Davon will auch die SPD etwas abschöpfen. Nicht, dass im Bundestag am Ende Dutzende Unionsleute Nein zu Hilfen für Griechenland sagen, die staatsmännischen Sozialdemokraten aber brav die Mehrheit sichern.
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Mittelprächtig sieht es für Gabriel in der Spionage-Affäre aus. Mit schlagzeilenträchtigen Worten trieb er zunächst die Kanzlerin vor sich her. Der Bundestag müsse tief in die geheimen Listen schauen dürfen, um zu erfahren, welche Konzerne und Politiker der US-Geheimdienst NSA in Europa mit Hilfe des BND ausspioniert, verlangte Gabriel. Das wird nicht passieren. Die SPD will nämlich die Idee vom Kanzleramt mittragen, dass ein Ermittlungsbeauftragter die Listen flöht - er darf hinterher aber keine Details darüber verraten, was er entdeckt hat. Grüne und Linke dürften der SPD vorhalten, wie bei den Vorratsdaten den Mund zu voll genommen zu haben.
Gabriel wird wohl 2017 als SPD-Kanzlerkandidat antreten
Bei der Energiewende wird Gabriel als Wirtschaftsminister die Strafabgabe für alte Kohle-Meiler voraussichtlich auf heftigen Lobbydruck aufgeben müssen. Umgekehrt glaubt an die von Merkel bis Anfang Juli versprochene Gesamtlösung - Stromtrassen, Klimaschutz, Kraftwerksreserve, Atom-Rückstellungen - derzeit nicht einmal die Union.
Und Gabriels Karriere? Sein Umgang mit Maas, der fahrige Auftritt im Zeugenstuhl vor dem Edathy-Untersuchungsausschuss und die miesen 25-Prozent-Umfragen nähren intern Zweifel. So gut wie ausgemacht ist dennoch, dass er 2017 als Kanzlerkandidat antreten muss. Sein alter Spezi Matthias Machnig, der Staatssekretär in Gabriels Ministerium ist, soll diesen Job beizeiten aufgeben und dann den SPD-Wahlkampf orchestrieren. Manche in der Partei halten diese Kombo für ziemlich gewagt. Aber: Machnig führte zuletzt die SPD und Martin Schulz zum besten Europawahl-Ergebnis seit langem. (dpa)