Moskau/Rom. Eine Papst-Audienz und ein Treffen mit der Staatsspitze: Kremlchef Wladimir Putin kann in Italien so tun, als gäbe es keine Konflikt mit dem Westen.

Die Italien-Reise von Kremlchef Wladimir Putin ist für die russischen Staatsmedien der Propaganda-Coup des Jahres. Eben noch schmähte der Westen beim G7-Gipfel in Bayern den Russen wegen seiner Politik im Ukraine-Konflikt. Mancher in der EU behauptet gern, Putin sei ein Aussätziger der Weltgemeinschaft und vom Westen isoliert. Doch die Audienz bei Papst Franziskus, der Besuch auf der Expo in Mailand und die Treffen mit Italiens Staatsspitze passen nicht dazu.

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Der als "Aggressor" beschimpfte Putin könnte sich keine besseren Bilder wünschen als mit dem Oberhaupt der Katholiken. "Eine Gelegenheit für ein Bild mit Franziskus wird seine Sichtweise, er sei nur ein unschuldiger Zuschauer im Ukraine-Krieg, möglicherweise unterstützen", schreibt das Kirchenmagazin "Catholic Herald".

Es ist nicht das erste Mal, dass sich "P und P", also Putin und Papst, treffen. Im November 2013 saßen sie 35 Minuten bei einem Gespräch in der Privatbibliothek im Vatikan. Es ging um den Krieg in Syrien und um die Christenverfolgung in dem Land.

Der Ukraine-Konflikt war damals noch kein Thema, weshalb das Treffen diesmal so brisant ist. Denn es geht Putin, der sich gern von seiner religiösen Seite zeigt, um den Russland viel näheren Konflikt. Die Krise sei eines der "brennenden Themen" bei dem Gespräch, sagt Kremlsprecher Dmitri Peskow.

Putin ist für Versöhnung von Ost- und Westkirche

In der krisengeschüttelten Ex-Sowjetrepublik ist der orthodoxe Glaube weit verbreitet. Ein Teil der orthodoxen Ukrainer hört traditionell auf den Papst, der Großteil aber auf den Patriarchen in Moskau und andere wiederum auf eigene Kirchenfürsten in Kiew. Immer wieder beklagen ukrainische Priester Gewaltexzesse gegen ihre Gotteshäuser - nicht nur im Kriegsgebiet Donbass. Die Moskauer sehen sich in der Westukraine, die Kiewer und Papsthörigen in der Ostukraine Übergriffen ausgesetzt.

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Scharf kritisierte unlängst der Moskauer Patriarch Kirill - Oberhaupt der russisch-orthodoxen Kirche -, dass die Katholiken eine sehr einseitige Sicht auf den Konflikt in der Ukraine hätten.

Seit langem spricht sich Putin für eine Versöhnung der Ost- und der Westkirche aus. Dabei hebt er Gemeinsamkeiten hervor, wie den Kampf gegen einen moralischen Werteverfall im Westen und gegen eine "Homosexualisierung der Welt". Das Streben nach traditionellen Familienwerten sieht Putin als einigendes Element. Immer wieder betont er, dass er die Kirche nach dem Ende der kommunistischen Herrschaft im Ostblock als Kraft sieht, die den Menschen Orientierung gibt. Franziskus dürfte das gern hören. Ob nach dem Besuch eine weitere Annäherung der Kirchen gelingt, ist aber ungewiss.

Was für eine Agenda verfolgt Franziskus?

Die russisch-orthodoxe Kirche in Moskau besteht darauf, dass der Vatikan ihre religiöse Führungsrolle in Russland anerkennt. Die Kirchen sehen sich seit langem im Ringen um Macht zerstritten. Dabei stört sich das Moskauer Patriarchat auch am Missionseifer der Katholiken etwa in Sibirien und im Fernen Osten des Riesenreiches.

Papst-Besuche in Moskau scheiterten bisher am Widerstand des Patriarchen. Im Kreml ist auch jetzt zu hören, dass bei aller Wertschätzung für die offene Haltung des Papstes aus Argentinien gegenüber der russisch-orthodoxen Kirche die Entscheidung über einen Besuch nicht nur politisch sei. Seit langem ist deshalb im Gespräch, ob ein historisches Treffen der beiden Kirchenführer auf neutralem Gebiet organisiert werden könnte.

Was für eine Agenda verfolgt dabei nun Franziskus? Die Kirche mache keine Politik, hatte Franziskus' Vorgänger Benedikt XVI. gesagt. Aber Franziskus ist ein sehr politischer Papst. Erst bei seiner Reise vergangenes Wochenende nach Bosnien-Herzegowina rief er die Religionen zum Dialog auf und wetterte gegen die "Heuchelei" einiger Mächtiger, die von Frieden reden, aber unter der Hand Waffen verkaufen. Er sieht "eine Art dritten Weltkrieg" heranziehen.

Kann Franziskus Putin ins Gewissen reden?

Schon wird in Rom gestreut, dass der Papst Putin treffen wollte, um einen neuen Kalten Krieg zwischen Russland und den USA zu verhindern. Doch auf wessen Initiative es zu dem Putin-Besuch gekommen ist, gab der Vatikan nicht bekannt.

Franziskus' politisches Engagement wurde zuletzt bei der Annäherung zwischen Kuba und den USA sichtbar. Dabei hatte der Vatikan eine zentrale Rolle gespielt. Vor seiner großen USA-Reise im September will Franziskus selbst Kuba besuchen. Den kommunistischen Staatschef Raúl Castro hat er bereits im Vatikan empfangen.

Inwiefern der Papst die Macht hat, Putin im Ukraine-Konflikt ins Gewissen zu reden, wird sich zeigen. Der Präsident der Caritas der griechisch-katholischen Kirche in der Ukraine, Andrij Waskowicz, hofft, dass Franziskus dies als moralische Instanz gelingt. Die Ukraine erlebe die größte humanitäre Krise der Nachkriegszeit in Europa, sagte Waskowicz dem Sender Radio Vatikan. "Er wird mit Putin sprechen, damit dieser Konflikt so schnell wie möglich gelöst wird." (dpa)