Berlin. Eine rot-grüne Initiative im Bundesrat soll die Kanzlerin beim Thema Homo-Ehe in Bedrängnis bringen. Auch die NRW-Regierung steht hinter den Plänen.
Die Iren haben den Stein ins Rollen gebracht. In einem Referendum stimmten sie für eine volle Gleichstellung homosexueller Partnerschaften. Nun möchten auch mehrere Bundesländer dem Beispiel folgen - und gegen den Widerstand der Union eine Gleichstellung durchsetzen. So haben die rot-grüne Regierung in Niedersachsen und die rot-rot-grüne in Thüringen am Dienstag in Kabinettssitzungen eine entsprechende Bundesratsinitiative beschlossen.
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Alle rot-grün regierten Länder sind an Bord - darunter auch Nordrhein-Westfalen und Hamburg. Hinzu kommt die grün-rote Regierung in Baden-Württemberg und die rot-rote in Brandenburg. In der niedersächsischen Staatskanzlei geht man davon aus, dass die Initiative eine deutliche Mehrheit von 40 Stimmen in der Länderkammer bekommen wird.
Wie lautet die Forderung?
„Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, die verfassungswidrige Diskriminierung eingetragener Lebenspartnerschaften zu beenden und eine vollständige Gleichberechtigung der Ehe von gleich- und verschiedengeschlechtlichen Paaren im gesamten Bundesrecht herzustellen“, heißt es in dem Antrag, der dieser Zeitung vorliegt. Dies umfasse „die Öffnung der Ehe und die Schaffung eines vollen gemeinschaftlichen Adoptionsrechts für gleichgeschlechtliche Paare“.
Wie geht es jetzt weiter?
Die nächste Bundesratssitzung findet am 12. Juni statt. Dort soll die Initiative bereits verabschiedet werden. So soll die Bundesregierung dazu ermuntert werden, ein Gesetz vorzulegen. Die Initiative ist somit eher ein starker symbolischer Akt.
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Wie wird die Gleichstellung begründet?
In dem Antrag heißt es: „Gleichgeschlechtlichen Paaren ist bis heute die Ehe verwehrt, was eine konkrete und symbolische Diskriminierung von Menschen aufgrund ihrer sexuellen Identität darstellt.“ Angesichts des gesellschaftlichen Wandels gebe es aber „keine haltbaren Gründe, gleichgeschlechtliche und nicht-gleichgeschlechtliche Paare unterschiedlich zu behandeln.“
Wie ist die Stimmung in den Parteien?
SPD, Grüne und Linke sind für eine vollständige Gleichsetzung. Nur die Union ist gegen die Homo-Ehe. Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) wird nicht müde zu erwähnen, dass CDU/CSU bei dem Thema blockieren. Doch er hat Hoffnung: „Ich glaube, die Union stellt gerade fest, dass die Menschen in Deutschland längst weiter sind als ihre eigene Beschlusslage.“
Wie laufen die Konfliktlinien in der Union?
Die Unions-Spitze ist gegen die Homo-Ehe. So sagt Volker Kauder (CDU), Chef der Unions-Fraktion im Bundestag: „Für mich ist die Ehe im Sinne des Grundgesetzes die Verbindung von Mann und Frau.“ Er lehnt „die Volladoption durch Lebenspartner“ ab. Doch vor allem junge Abgeordnete stellen sich offen gegen die Linie der Partei.
Diese Unions-Politiker sprechen sich für die Homo-Ehe aus
Wer in der Union spricht sich offen für die Homo-Ehe aus?
Der bekannteste Befürworter ist CDU-Präsidiumsmitglied Jens Spahn. Er ist offen schwul und verknüpft die Frage geschickt mit konservativen Werten: „Die Schwulen und Lesben möchten genau das, was uns als CDU wichtig ist: Verlässlichkeit und Verbindlichkeit.“ Nadine Schön (CDU), 31 Jahre alt und stellvertretende Fraktionschefin, plädiert dafür, dass sich der nächste Parteitag „intensiv mit diesem Thema befasst“.
Und was sagt die Kanzlerin?
Beim Bürgerdialog am Montag in der Kulturbrauerei in Berlin kam das Thema nur am Rande auf, Merkel ging nicht darauf ein. Ihre Bauchschmerzen bei der Homo-Ehe äußerte sie zuletzt im Wahlkampf 2013. Es ging um die volle Gleichstellung gleichgeschlechtlicher Paare bei Adoptionen. „Ich sage Ihnen ganz ehrlich, dass ich mich schwertue mit der kompletten Gleichstellung“, sagte die Kanzlerin. „Ich bin unsicher, was das Kindeswohl anbelangt.“
Warum unterstützt Hamburg die Initiative?
„Hamburg ist immer Vorkämpferin für die volle gesellschaftliche Anerkennung von Paaren gleichen und verschiedenen Geschlechts gewesen“, sagt Hamburgs Zweite Bürgermeisterin und Gleichstellungssenatorin Katharina Fegebank (GAL). „Die Gesellschaft ist heute viel weiter als Teile der Politik. Jetzt ist die Zeit für die vollständige Öffnung der Ehe.“
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Auch Justizsenator Till Steffen (GAL) steht hinter dem Vorstoß: „Die Zeit ist reif für eine Ehe, die für gleichgeschlechtliche Paare dieselben Rechte einräumt, wie für Paare mit unterschiedlichem Geschlecht. Wir setzen uns daher auf Bundesebene dafür ein, das Bürgerliche Gesetzbuch zu ändern, um ein einziges Recht für alle heiratswilligen Paare zu schaffen. Denn mehr ist nicht nötig, um diesen Missstand zu beseitigen. Zukünftig muss gelten: Gleiches Recht für gleiche Liebe.“
Wie stehen die Deutschen zur Homo-Ehe?
Etwa zwei Drittel der Deutschen sind dafür, dass auch homosexuelle Paare eine Ehe schließen dürfen. 42 Prozent der Befragten gaben in einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov an, dass sie eine entsprechende Gesetzesänderung „voll und ganz“ befürworten, 23 Prozent waren „eher“ dafür. Nur gut ein Viertel sprach sich „eher“ oder „ganz und gar“ dagegen aus. Auch ältere Umfragen haben belegt, dass es eine deutliche Mehrheit für die Homo-Ehe gibt - und dass auch die Mehrheit der Wähler von CDU/CSU dafür ist.
Welche Rechte haben Schwulen und Lesben heute in Deutschland?
Bisher ist keine gleichgeschlechtliche Eheschließung in Deutschland erlaubt. Allerdings können sich gleichgeschlechtliche Paare seit dem 1. August 2001 als „eingetragene Lebenspartnerschaft“ anerkennen lassen. Damit ist allerdings nicht die volle Gleichstellung mit der Ehe verbunden. Als Vorläufer dieser Regelung konnten sich zuvor gleichgeschlechtliche Paare seit 1999 auf Hamburgs Standesämtern erstmals in Deutschland in ein Partnerschaftsbuch eintragen.
Diese Rechte werden Homosexuellen vorenthalten
Inwieweit haben eingetragene Lebenspartnerschaften bereits gleiche Rechte wie Ehen?
Eine Gleichstellung besteht vor allem in finanziellen Fragen - so laut Lebenspartnerschaftsgesetz beim Unterhaltsrecht, beim Güterrecht und beim Erbrecht. Nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts beschloss der Bundestag 2013 zudem die steuerliche Gleichstellung. Das bis dahin Eheleuten vorbehaltene Ehegattensplitting gilt damit seither auch für eingetragene Lebenspartnerschaften.
Wo bestehen die rechtlichen Benachteiligungen?
Unterschiede zur Ehe bestehen beim Adoptionsrecht. So dürfen Homosexuelle in einer Lebenspartnerschaft nach einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts von 2013 zwar die Adoptivkinder des Partners adoptieren. Doch es gibt kein Recht zur gemeinsamen Adoption eines Kindes.
Wie wurden Homosexuelle in Deutschland früher verfolgt und benachteiligt?
Die Feindseligkeit gegenüber Schwulen und Lesben war über 120 Jahre lang im Paragrafen 175 in Deutschland verankert. Bestraft wurde darin die „widernatürliche Unzucht“ zwischen gleichgeschlechtlichen Menschen. Das Gesetz wurde in der Bundesrepublik und der DDR übernommen. Im Osten wurde der Paragraf 1968 gestrichen, im Westen ist seit 1969 Sex unter erwachsenen Männern über 21 Jahren nicht mehr strafbar. 1994 wurde der sogenannte „Schwulenparagraf“ endgültig gestrichen.