Essen. Das Ruhrgebiet müsse die Chancen der digitalen Revolution nutzen. Diesen Rat gab Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel beim Politischen Forum Ruhr.
Als Wiege der industriellen Revolution hat das Ruhrgebiet alle Chancen, auch die digitale Revolution zu meistern und zum eigenen Vorteil zu nutzen – diese Botschaft sendete Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) am Montagabend beim Politischem Forum Ruhr an rund 2000 Zuhörer in der Essener Philharmonie. Zuvor dankte er Stephan Holthoff-Pförtner, der diese Dialogreihe nun seit 25 Jahren veranstaltet, für seinen Einsatz gegen die „Politik- und Parteienverdrossenheit“.
Was die Digitalisierung für die Wirtschaft, insbesondere im Ruhrgebiet bedeutet, wollte Holthoff-Pförtner von Gabriel wissen. Die Arbeitsplätze werden sich verändern, viele gar wegfallen, betonte der Minister. In „intelligenten Fabriken“ werde es kaum noch den klassischen Arbeiter geben, stattdessen mehr Entscheidungsträger, hochqualifizierte IT-Experten etwa. Für das Ruhrgebiet mit seinem Missverhältnis von ungelernten Arbeitslosen und offenen Stellen für Hochqualifizierte sei deshalb die Digitalisierung der Wirtschaft eine neue, große Herausforderung.
"Das Ruhrgebiet bildet aus, aber viele Akademiker wandern ab"
Den Schlüssel dafür, sie zu meistern, sieht Gabriel in der dichten Hochschullandschaft: „Was früher das Grubengold war, der Stoff des Wohlstands, das ist heute Wissen, Kompetenz und Innovation.“ Nur müssten die Leute dafür auch in der Region gehalten werden. „Das Ruhrgebiet bildet aus, aber viele Akademiker wandern ab. Es macht stolz, aber unzufrieden, wenn hier der Nachwuchs für die Unternehmen in Erlangen oder Stuttgart entsteht“, sagte Gabriel.
Er riet der Region deshalb, in schwierigen Stadtteilen mehr preiswerten Wohn- und Arbeitsraum für Start-Ups anzubieten – und gerade dort die schnellsten Internetverbindungen. Parallel dazu sollten Unternehmen und Banken in dieser Regon mehr Wagniskapital für Gründer zur Verfügung stellen.
Gabriel verspricht Hilfe vom Bund
Gabriel versprach für den neuerlichen Strukturwandel Hilfe vom Bund und erinnerte an seinen „Ruhrplan“, den er mit der heimischen Wirtschaft entwickeln will. Der Bund werde „eine Vielzahl neuer Projekte im Bereich der Infrastruktur, der Energiewirtschaft und der Digitalen Agenda unterstützen“, versprach Gabriel.
Der Minister sieht die Wirtschaft im digitalen Zeitalter, da die Grenzen von Produktion, Vertrieb und Logistik verschwimmen, vor Umwälzungen, die nur vergleichbar mit der industriellen Revolution seien. Das Ruhrgebiet habe in Sachen Wandel die größte Erfahrung, es wisse, wie man Gegensätze wie globalen Handel und Heimatverbundenheit zusammenfüge.
„Der ,Nerd’ von gestern wird zum Sicherheitsexperten von heute"
Sein Wunsch: NRW und das Ruhrgebiet sollen globaler Anbieter für Industrie-4.0-Lösungen werden. Mittelständlern, die sich keine eigenen IT-Experten leisten könnten, helfe die „Plattform Industrie 4.0“. Dafür wünsche er sich „möglichst viel Interesse von Unternehmen an Rhein und Ruhr“.
Die Digitalisierung berge aber auch enorme Risiken, etwa durch Industriespionage und Hackerangriffe. Würden etwa Lieferketten oder dezentrale Energieströme digital gesteuert, „multiplizieren sich die Einfallstore für Cyberangriffe“. Die Abwehr solcher Angriffe sei daher ein zentrales Thema. Und Gabriel meint: „Der ,Nerd’ von gestern wird zum Sicherheitsexperten von heute und von morgen. Diese hellen Köpfe müssen an den Ruhrgebiets-Universitäten Raum für ungewöhnliche Kreativität finden.“