Mogadischu/Sanaa. Vor zwei Monaten begann Saudi-Arabien mit Luftangriffen im Jemen. Viele Jemeniten fliehen nach Somalia - einer der unsichersten Staaten der Welt.
Die Menschen im Jemen sind verzweifelt. Manche sind so verzweifelt, dass sie eine folgenschwere Entscheidung treffen: Sie suchen Zuflucht in einem der gefährlichsten Länder der Erde. Somalia ist berüchtigt für blutige Anschläge, Kämpfe, Piraterie und radikale Islamisten. Ein Besuch gilt als lebensbedrohlich, Botschaften aus aller Welt raten dringend von Reisen in das Konfliktland ab. Was treibt Flüchtlinge dazu, an einen so tödlichen Ort zu kommen?
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"Das Leben in meiner Heimat war einfach zu hart geworden, es gab überhaupt keine Sicherheit mehr", sagt Fahad Salah, der vor einer Woche zusammen mit seiner Frau und drei Kleinkindern aus der Stadt Aden nach Mogadischu gekommen ist. "Ich hätte nie mit so einem Krieg im Jemen gerechnet." Sehnsüchtig erinnert er sich an die glücklichen Tage seiner Kindheit und sein Leben als Taxifahrer.
Um in die Golfstaaten oder andere Teile der Welt zu fliehen, habe ihm das Geld gefehlt. "Ich wusste so gut wie nichts über Somalia", betont Salah. Jedoch habe er im Jemen somalische Freunde gehabt, die bereits vor 25 Jahren aus ihrer Heimat geflohen seien. "Sie haben mir erzählt, dass sich das Land langsam von einem langen Bürgerkrieg erholt."
Jetzt hockt Salah mit seiner Familie in einem Zimmer im Shibis-Distrikt, der Heimat der jemenitischen Gemeinde in Mogadischu. Möbel gibt es nicht, und die Wände sind von Einschusslöchern durchbohrt - Relikte des Bürgerkriegs zwischen Clans, Kriegsherren und brutalen Milizen, der dem Land nach dem Sturz des Diktators Siad Barre 1991 Tode und Elend brachte.
Somalische Flüchtlinge kommen aus dem Jemen zurück
Seit den Wahlen 2012 lenkt Präsident Hassan Sheikh Mohamud die Geschicke des Landes. Jedoch kämpft die islamistische Al-Shabaab-Miliz weiter für einen Gottesstaat am Horn von Afrika. Auch in Mogadischu verübt sie immer wieder blutige Anschläge.
Rund 40 Familien sind in den vergangenen Wochen aus dem Jemen nach Shibis in Mogadischu geflohen. "Aber wir können sie nicht mehr alle unterbringen, denn jeden Tag kommen mehr", sagt Aweys Carab, ein Sprecher der jemenitischen Gemeinde.
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Gleichzeitig kommen auch immer mehr somalische Flüchtlinge aus dem Jemen zurück. Die meisten haben versucht, sich in den als relativ sicher geltenden halbautonomen Gebieten Somaliland und Puntland im Norden Somalias anzusiedeln. Aber die kleinen Regionen kommen mit dem massiven Ansturm nicht mehr zurecht.
Schätzungen zufolge sind bereits mehr als 6000 Somalier und 100 Jemeniten nach Somaliland und über 5000 Somalier und 300 Jemeniten nach Puntland geflohen. Die Regierung in Somaliland hat nun beschlossen, keine Flüchtlinge mehr aufzunehmen. "Wir haben einfach keine Kapazitäten mehr", warnte der Innenminister Somalilands, Ali Mohamed Waranadde. Die Behörden haben zudem Angst, dass sich Rebellen einschleichen und die Region weiter destabilisieren könnten.
Der Jemen gilt schon lange als das Armenhaus Arabiens. Der aktuelle Konflikt hat die humanitäre Lage jedoch dramatisch verschärft. Eine von Saudi-Arabien geführte Militärallianz bombardiert seit dem 26. März Stellungen und Waffenlager der Huthi-Rebellen, die vom Iran unterstützt werden. Das Militärbündnis steht wiederum an der Seite des jemenitischen Präsidenten Abed Rabbo Mansur Hadi. Er war vor den aufständischen Huthis zunächst aus der Hauptstadt Sanaa nach Aden und später nach Saudi-Arabien geflohen.
Somalia hat keine Erfahrung mit Flüchtlingen
UN-Einschätzungen zufolge wurden seit Beginn der Luftschläge mehr als eine halbe Million Menschen aus ihren Heimatorten vertrieben. Knapp 30.000 hätten das Land in Richtung Golfstaaten oder Horn von Afrika verlassen.
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Salah hatte mit Frau und Kindern ein Flüchtlingsboot in Richtung Berbera in Puntland bestiegen. "Von dort sind wir nach Hargeysa in Somaliland gefahren und haben ein Flugzeug nach Mogadischu genommen." Die Einreise gelang ohne Visum. "Sicherheitskräfte haben uns am Flughafen durchsucht, und es gab keine Probleme."
Die muslimischen Nachbarländer sind Freunde - auch wenn es früher der Jemen war, der verzweifelte Flüchtlinge aus Somalia aufnahm. "Somalia hat keinerlei Erfahrung darin, Flüchtlinge aus dem Ausland aufzunehmen, denn es sind ja eigentlich die Somalier, die auf der ganzen Welt Schutz suchen", sagt ein Journalist in Mogadischu.
Bürgermeister Hassan Mohamed Hussein Mungab will den Jemeniten jetzt vorübergehend Land zur Verfügung stellen. "Zwar haben wir eine unterschiedliche Kultur und sprechen eine andere Sprache, aber uns verbindet eine lange Geschichte", meint er. "Unsere jemenitischen Brüder und Schwestern waren es, die es den Somaliern zuerst erlaubt haben, ihr Land ohne Visum zu betreten." (dpa)