Berlin. . Die nächste Berliner Affäre: Beamte im Verteidigungsressort wollten den Geheimdienst einspannen, um einen „Maulwurf“ in der Behörde zu suchen.

Der Waffenproduzent Heckler & Koch hat 2013 zweimal versucht, den Militärischen Abschirmdienst (MAD) für seine Zwecke einzuspannen. Er sollte im Verteidigungsministerium nach dem Maulwurf suchen, der Interna über das Gewehr G36 nach draußen trug. Der nächste Skandal ist perfekt. Im Zwielicht steht das Ministerium und nicht der Geheimdienst.

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Von Miguel Sanches zu von der Leyen

Der MAD wies damals die Forderung aus dem Verteidigungsministerium zurück – das Ministerium aber hätte zu gern den Büchsenspanner für Heckler & Koch abgegeben, wie ein interner Briefwechsel zeigt. Ressortchefin Ursula von der Leyen (CDU) empfindet das Ansinnen der Firma als „sehr befremdlich“ und die Kumpanei ihrer Beamten als „völlig inakzeptabel“. Doch warum findet sie erst jetzt starke Worte? Die nächste Berliner Affäre, eine Chronik.

Das G36, ein Gewehr ohne Gewähr

Herbst 2013: Die negativen Berichte über das Sturmgewehr, das nicht präzise schießt, häufen sich. Seit Monaten geht das so, seit Jahren. Ein Gewehr ohne Gewähr – das schadet dem Ruf des Herstellers. Im Ministerium muss es einen „Maulwurf“ geben, der Informationen an die Presse gibt.

Der Hersteller sieht sich als Opfer einer Kampagne. Zweimal, 2013 und 2014, stellt er Anzeige bei der Staatsanwaltschaft Bonn gegen Unbekannt. Nun wird es Zeit, die Sache selbst in die Hand zu nehmen. Die Geschäftsführer bitten um ein Gespräch mit MAD-Präsident Ulrich Birkenheier und eröffnen ihm am 20. November 2013, er möge nach der undichten Stelle suchen.

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Um Argumente sind sie nicht verlegen. Ganz im Gegenteil, die Begründung ist raffiniert: Könnte es sein, dass ausländische Dienste falsche Informationen streuen, gar unter Zuhilfenahme von Insidern, von Soldaten? Und ist der MAD nicht für die Spionageabwehr zuständig?

Abteilungsleiter drückt "Verwunderung" aus

Birkenheier schluckt den Köder nicht. Doch die Herren von Heckler & Koch haben eine zweite Patrone. Nun wenden sie sich unmittelbar an das Ministerium, an den Abteilungsleiter Rüstung. Und Detlef Selhausen ist ihnen behilflich. Am 6. Dezember setzt er einen Brief an Birkenheier auf, in dem er seine „Verwunderung“ ausdrückt: Der MAD soll offenkundig seine ablehnende Haltung überdenken.

Der Präsident ist renitent, auch auf dem kleinen Dienstweg. Einen Tag vor Heiligabend antwortet er, „auch nach erneuter Bewertung der hier vorgelegten Informationen vermag ich tatsächliche Anhaltungspunkte für Tätigkeiten gegen eines der Schutzgüter des MAD nicht zu erkennen. Ein Tätigwerden des MAD in dieser Angelegenheit verbietet sich daher.“ Eine harsche Absage. „Völlig zu Recht“ habe Birkenheier „dieses absurde Ansinnen“ abgelehnt, meint Dienstherrin von der Leyen heute.

Abteilungsleiter entlassen

Damals war von der Leyen gerade eine Woche im Amt. Laut „Spiegel“ wurde ihr Büro im Frühjahr 2014 über den Vorfall informiert. Der Vermerk wurde allerdings nicht wie üblich in Grün gezeichnet, in der Farbe der Ministerin. Es gibt keinen Beleg dafür, dass sie vom Vorgang wusste. Sie selbst redet so, als habe sie erst in dieser Woche davon erfahren.

Sie sagte sofort eine Klärung des Sachverhalts zu. Dazu gehöre die Frage, wie die Informationen „in meinem Büro gehandhabt wurden“. Wenn sich dabei herausstelle, dass weitere strukturelle und personelle Konsequenzen notwendig seien, „werden diese gezogen“. Den Abteilungsleiter hatte sie längst seines Postens enthoben.

Noch ein Untersuchungsausschuss?

Mit dem Gewehr selbst, mit Mängeln, Risiken und Beschaffung befassen sich einige Kommissionen, aber auch das Parlament selbst. Im Zuge der Aufklärungsarbeit werden jede Woche neue Akten angefordert. So sind die Vermerke zum MAD und der Briefwechsel von damals publik geworden. Wenn das Parlament einen Untersuchungsausschuss wolle, „ist dies sein gutes Recht“, so von der Leyen.

Die Ministerin könne sich nicht damit herausreden, dass sie die Unterlagen, die 2014 in ihrem Büro lagen, nicht gelesen habe, sagen die Grünen. Für sie ist die Mauschelei zwischen Hersteller und Beamten der Skandal, bzw. dass sie im Ministerium überhaupt daran dachten, kritische Journalisten „mundtot zu machen“.