Washington. Die USA haben bei einem Drohnenangriff gegen das Terrornetzwerk Al-Kaida in Pakistan wegen eines Geheimdienstfehlers versehentlich zwei westliche Geiseln getötet.

Schwerer Rückschlag für Obamas umstrittenen Drohnen-Krieg: Zum ersten Mal in seiner Amtszeit hat sich der amerikanische Präsident am Donnerstag öffentlich für irrtümlich getötete Zivilisten entschuldigt. Danach sind bei einem US-Anti-Terror-Einsatz gegen dass Netzwerk Al-Kaida im Januar im afghanisch-pakistanischen Grenzgebiet zwei westliche Geiseln durch eine US-Drohne ums Leben gekommen. Der Amerikaner Warren Weinstein (73) und der Italiener Giovanni Lo Porto waren 2011 bzw. 2012 als Geiseln genommen worden. Beide hielten sich bis dahin als Entwicklungshelfer in Pakistan auf. Lo Porto arbeitet für die Deutsche Welthungerhilfe.

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Laut Obama hatten US-Stellen über längere Zeit einen Gebäudekomplex unter intensiver Beobachtung, in dem sich „gefährliche Al-Kaida-Mitglieder“ aufhielten. Zu keinem Zeitpunkt habe es Anlass zu der Annahme gegeben, dass die Geiseln dort festgehalten wurden. „Keine Worte können den Schmerz lindern, den die Angehörigen empfinden“, sagte Obama am Vormittag in einer beispiellosen Erklärung im Weißen Hau. Er berichtete von Gesprächen mit der Witwe Warrens und Italien Regierungs-Chef Matteo Renzi, lobte umfänglich das humanistische und selbstlose Engagement der Opfer und erklärte: „Ich bereue zutiefst, was geschehen ist.“ Terror-Experten in Regierungskreisen sprachen inoffiziell von "Totalversagen".

US-Präsident Obama übernimmt "volle Verantwortung"

Als Präsident und Oberberfehlshaber übernehme er „die volle Verantwortung“ für die Tragödie, sagte Obama. In einer umfassenden Untersuchung sollen die Ursachen für das Unglück ermittelt werden. Ob die Ergebnisse danach veröffentlicht werden, blieb offen. Obama erklärte seinen ungewöhnlichen Auftritt mit dem Recht der Opfer-Familien auf Wahrheit. Außerdem habe Amerika als Demokratie die Verpflichtung, auch dann für Transparenz zu bürgen, wenn es unangenehm ist. Nach US-Medienberichten war der Präsident jedoch ein Getriebener. Das „Wall Street Journal“ hatte bereits am Morgen über den missglückten Drohneneinsatz berichtet, der bereits fast drei Monate zurückliegt.

Wie mangelhaft die geheimdienstliche Aufklärung im aktuellen Fall war, macht sich nicht nur an den toten Entwicklungshelfern fest. Mit Ahmed Farouq und Adam Gadhan kamen auch zwei Al-Kaida-Kader amerikanischer Herkunft bei zwei verschiedenen Drohnen-Flügen in Pakistan ums Leben. Beide waren nach Regierungsangaben keine ausgesuchten Zielpersonen. Man wusste nicht einmal, dass sie sich in dem unter Feuer genommenen Gebäude aufhielten. Obwohl, so Obama, „Hunderte Stunden Überwachungs-Video-Aufnahmen vorlagen“.

Eingeständnis ist für das Weiße Haus brisant

Für das Weiße Haus ist das Eingeständnis, Unschuldige getötet zu haben, brisant. Der Kongress hat bereits eine Untersuchung angekündigt. Noch vor kurzem hatte der frühere Regierungssprecher Jay Carney Kritikern der geheim gehaltenen Exekutionen per Drohne entgegen gehalten: „Amerikanische Anti-Terror-Operationen sind präzise, sie sind rechtmäßig und sie sind effektiv.“ Obama hatte den Einsatz der Flugkörper bei Amtsantritt massiv ausweiten lassen und dem federführenden Geheimdienst CIA und dessen Chef John Brennan den Rücken gestärkt, wenn Menschenrechts-Organisationen in Afghanistan, Pakistan, Somalia oder im Jemen hohe Kollateralschäden unter der Zivilbevölkerung beklagten.

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Nach unbestätigten Angaben sollen seit Obamas Amtsantritt fast 3000 Zivilisten bei Drohnen-Einsätzen ums Leben gekommen sein. Am Donnerstag räumte Obama ein: „Es ist eine bittere Wahrheit. Manchmal können tödliche Fehler geschehen. Wir werden alles tun, damit sich das nicht wiederholt.“ Bereits im Dezember 2014 war der Amerikaner Luke Somers, ebenfalls eine Geisel, im Jemen bei einer misslungenen US-Anti-Terror-Aktion getötet worden.

Nach Angaben des unabhängigen „Long War Journal“, das Drohnen-Einsätze dokumentiert, haben die USA in diesem Jahr fünf Einsätze in Pakistan geflogen, deutlich weniger als noch 2010. Damals wurden rund 120 Einsätze der „fliegenden Scharfrichter“ gezählt.