Tröglitz/Berlin. . Seit Wochen wird in Tröglitz Stimmung gegen Flüchtlinge gemacht. Mit dem Brandanschlag auf das geplante Asylbewerberheim eskaliert die Situation. Fassungslosigkeit auch im politischen Berlin.

Seit Monaten machen Rechtsextreme in Tröglitz Stimmung gegen die Aufnahme von Asylbewerbern - jetzt haben Unbekannte das geplante Flüchtlingsheim angezündet. "Es ist definitiv besonders schwere Brandstiftung", sagte Staatsanwalt Jörg Wilkmann am Samstag in Halle. Es handle sich um eine gemeingefährliche Straftat schlimmster Art. Ob Fremdenhass das Motiv war, stand zunächst nicht fest. Die Ermittler halten einen politischen Hintergrund aber für naheliegend. Landes- und Bundespolitiker äußerten sich bestürzt über den Brandanschlag.

Die Bundesregierung hat mit Entsetzen auf den Brandanschlag reagiert. Innenminister Thomas de Maizière (CDU) verlangte eine rasche Aufklärung des Feuers in dem zuletzt durch Anti-Asyl-Proteste Rechtsradikaler bekanntgewordenen Ort. Er sagte am Samstag, wenn der Brand tatsächlich vorsätzlich gelegt worden sei, "ist das eine abscheuliche Tat, die unverzüglich aufgeklärt werden muss. Die Täter gehören hinter Schloss und Riegel."

In dem Gebäude war in der Nacht zum Samstag ein Feuer ausgebrochen. Die zuständige Staatsanwaltschaft geht inzwischen davon aus, dass es sich um "besonders schwere Brandstiftung" handelt. Eine politisch motivierte Tat könne nicht ausgeschlossen werden. Rechtsradikale hatten in Tröglitz im südlichen Sachsen-Anhalt seit Wochen gegen die von Mai an geplante Aufnahme von 40 Asylbewerbern Stimmung gemacht. Wegen persönlicher Anfeindungen trat Tröglitz' ehrenamtlicher Bürgermeister Markus Nierth Anfang März zurück.

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SPD-Chef Gabriel: "Fremdenhass hat keinen Platz bei uns"

SPD-Chef Sigmar Gabriel erklärte: "Es ist die monatelange Stimmungsmache gegen Flüchtlinge, die den Hass säte, der in Tröglitz nun in Flammen gemündet ist." Der Vize-Kanzler unterstrich, Flüchtlinge gehörten zu Deutschland. Die Bundesrepublik sei ein wohlhabendes Land. Wer Schutz vor Verfolgung suche, habe Anspruch auf Hilfe. "Fremdenhass hat keinen Platz in Deutschland, das ist die Meinung der übergroßen Mehrheit in Deutschland", betonte Gabriel.

Justizminister Heiko Maas (SPD) rief die Bürger auf, Position zu beziehen gegen Rechtsextremismus. "Wenn Flüchtlingsheime brennen, ist das beschämend", sagte Maas der "Welt am Sonntag". "Wo immer Rechtsextreme Stimmung machen gegen Ausländer, müssen wir gemeinsam dagegen halten." Die große Mehrheit in Deutschland sei tolerant und weltoffen. Sie verurteile jede rassistische Hetze. Im Kurzmitteilungsdienst Twitter schrieb Maas: "Schlimmer Verdacht nach Brand in #Troeglitz macht fassungslos."

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Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt forderte Bund und Länder auf, mehr für die Sicherheit von Flüchtlingen zu tun. Es drängten sich Fragen auf: "War das Flüchtlingsheim ausreichend geschützt - zumal man wusste, dass in Tröglitz ein brauner Mob unterwegs war?"

Die stellvertretende Bundestagspräsidentin Petra Pau (Linke) erklärte: "Bei so viel Unmenschlichkeit helfen nur noch ein Aufstand der Anständigen vor Ort und mehr Weitsicht der Zuständigen im Land."

300 Menschen bei Spontan-Demo in Tröglitz

Nach dem Brandanschlag auf das Flüchtlingsheim in Tröglitz haben sich am Samstag rund 300 Menschen an einer spontanen Demonstration in dem Ort beteiligt. Zu der Aktion hatte der zurückgetretene ehrenamtliche Bürgermeister des Orts, Markus Nierth, aufgerufen. Redner aus Politik, von Vereinen und Kirchen warben für ein Zeichen gegen Hass und Ausgrenzung. Die geplante Unterkunft für Flüchtlinge war in der Nacht vorsätzlich angezündet worden, sie ist nun unbewohnbar. Im Mai sollten 40 Menschen einziehen.

Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) sagte bei der Kundgebung auf dem Friedensplatz, man werde alles tun, um die Verbrecher hinter Gitter zu bringen. Die Sicherheitsmaßnahmen zum Schutz des Orts seinen noch einmal erhöht worden.

In dem Wohnblock mit zwei Eingängen, in den die Flüchtlinge einziehen sollten, wohnten noch eine 50 Jahre alte Frau und ein 52-jähriger Mann. Sie konnten sich laut Polizei unverletzt ins Freie retten. Eine Nachbarin hatte beide rechtzeitig gewarnt. Die beiden wohnten auch im Dachgeschoss des Hauses - allerdings nicht direkt in dem für die Flüchtlinge vorgesehenen Bereich. (dpa)

Flüchtlingsheim in Tröglitz brannte

Nach dem Brandanschlag auf das geplante Asylbewerberheim in Tröglitz...
Nach dem Brandanschlag auf das geplante Asylbewerberheim in Tröglitz... © Getty Images
... ist die Empörung groß: Sachsens-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (hier bei einer Demo vor dem Gebäude)...
... ist die Empörung groß: Sachsens-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (hier bei einer Demo vor dem Gebäude)... © dpa
... wirbt in der kleinen Gemeinde für spontane Unterbringungsmöglichkeiten in Privatwohnungen.
... wirbt in der kleinen Gemeinde für spontane Unterbringungsmöglichkeiten in Privatwohnungen. © Getty Images
Auch in einem Gottesdienst in der kleinen evangelischen Kirche von Tröglitz...
Auch in einem Gottesdienst in der kleinen evangelischen Kirche von Tröglitz... © Getty Images
... trotzten die Einwohner dem Rechtsextremismus. Unter dem Motto...
... trotzten die Einwohner dem Rechtsextremismus. Unter dem Motto... © Getty Images
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... "Miteinander füreinander" demonstrieren die Tröglitzer für mehr Offenheit. © Getty Images
Die 2700-Einwohner-Ortschaft im Süden Sachsen-Anhalt war zu trauriger Berühmtheit gelangt, ...
Die 2700-Einwohner-Ortschaft im Süden Sachsen-Anhalt war zu trauriger Berühmtheit gelangt, ... © dpa
... als der ehrenamtliche Bürgermeister Markus Nierth Anfang März wegen rechtsextremer Anfeindungen seinen Rücktritt erklärte. Wochenlang...
... als der ehrenamtliche Bürgermeister Markus Nierth Anfang März wegen rechtsextremer Anfeindungen seinen Rücktritt erklärte. Wochenlang... © dpa
... protestierten in Tröglitz Rechtsextreme gegen die Aufnahme von Asylbewerbern - nun ist in dem geplanten Flüchtlingsheim ein Feuer ausgebrochen. Staatsanwaltschaft und Polizei...
... protestierten in Tröglitz Rechtsextreme gegen die Aufnahme von Asylbewerbern - nun ist in dem geplanten Flüchtlingsheim ein Feuer ausgebrochen. Staatsanwaltschaft und Polizei... © dpa
... gehen von vorsätzlicher Brandstiftung aus. Nach bisherigen Erkenntnissen...
... gehen von vorsätzlicher Brandstiftung aus. Nach bisherigen Erkenntnissen... © dpa
... seien in der Nacht zu Samstag ein oder mehrere Täter in das Mehrfamilienhaus eingebrochen. Im Mai...
... seien in der Nacht zu Samstag ein oder mehrere Täter in das Mehrfamilienhaus eingebrochen. Im Mai... © dpa
... sollten dort die ersten von 40 Asylbewerbern einziehen.
... sollten dort die ersten von 40 Asylbewerbern einziehen. © dpa
Der ausgebaute Dachstuhl wurde durch das Feuer zerstört. In dem Haus...
Der ausgebaute Dachstuhl wurde durch das Feuer zerstört. In dem Haus... © dpa
... hätten zuletzt zwei Menschen gelebt, hieß es bei der Polizei. Wer sie sind, war zunächst unklar. Eine Nachbarin habe beide rechtzeitig gewarnt, sie konnten sich unverletzt ins Freie retten.
... hätten zuletzt zwei Menschen gelebt, hieß es bei der Polizei. Wer sie sind, war zunächst unklar. Eine Nachbarin habe beide rechtzeitig gewarnt, sie konnten sich unverletzt ins Freie retten. © dpa
Der Protest gegen die geplante Unterbringung von 40 Flüchtlingen...
Der Protest gegen die geplante Unterbringung von 40 Flüchtlingen... © dpa
... wird von der rechtsextremen Partei NPD angeführt.
... wird von der rechtsextremen Partei NPD angeführt. © dpa
Der zurückgetretene Bürgermeister, Markus Nierth (r.) zeigte sich entsetzt.
Der zurückgetretene Bürgermeister, Markus Nierth (r.) zeigte sich entsetzt. "Davon wird Tröglitz sich wohl nie erholen", sagte. "Ich bin fassungslos, traurig und wütend zugleich." Nierth... © dpa
... rief die Bürger von Tröglitz auf, noch am selben Tag zu einer Kundgebung gegen die Rechtsextremisten zu kommen. Außerdem bot er für die Flüchtlinge zwei private Wohnungen an. Er wünsche sich, dass andere seinem Beispiel folgten.
... rief die Bürger von Tröglitz auf, noch am selben Tag zu einer Kundgebung gegen die Rechtsextremisten zu kommen. Außerdem bot er für die Flüchtlinge zwei private Wohnungen an. Er wünsche sich, dass andere seinem Beispiel folgten. © dpa
Sachsens-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) informierte sich nach dem Anschlag auf das Flüchtlingsheim in Tröglitz über den Zustand des ausgebrannten Hauses (im Hintergrund).
Sachsens-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) informierte sich nach dem Anschlag auf das Flüchtlingsheim in Tröglitz über den Zustand des ausgebrannten Hauses (im Hintergrund). © dpa
Haseloff begrüßte auch Einsatzkräfte der Feuerwehr.
Haseloff begrüßte auch Einsatzkräfte der Feuerwehr. © dpa
Zudem sprach er auf einerKundgebung mit dem Motto
Zudem sprach er auf einerKundgebung mit dem Motto "Miteinander, Füreinander". © dpa
Mehrere Hundert Teilnehmer hatten sich nach dem Brand spontan zu der Kundgebung in Tröglitz versammelt.
Mehrere Hundert Teilnehmer hatten sich nach dem Brand spontan zu der Kundgebung in Tröglitz versammelt. © dpa
Der zurückgetretene Bürgermeister von Tröglitz, Markus Nierth (r), sprach ebenfalls auf der Versammlung. Er war vor wenigen Wochen von seinem Amt zurückgetreten, weil er von Rechten bedroht wird.
Der zurückgetretene Bürgermeister von Tröglitz, Markus Nierth (r), sprach ebenfalls auf der Versammlung. Er war vor wenigen Wochen von seinem Amt zurückgetreten, weil er von Rechten bedroht wird. © dpa
«Refugees welcome» steht am auf einem Transparent an einer alten Eisenbahnbrücke nahe Tröglitz. Nicht alle in der Gegend teilen diese Meinung.
«Refugees welcome» steht am auf einem Transparent an einer alten Eisenbahnbrücke nahe Tröglitz. Nicht alle in der Gegend teilen diese Meinung. © dpa
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