Tröglitz. Nach dem Feuer in einer Flüchtlingsunterkunft in Tröglitz in Sachsen-Anhalt geht die Polizei von Brandstiftung aus. Der Vorfall sorgt für Entsetzen.

In Tröglitz ist nach wochenlangen Protesten Rechtsextremer gegen die Aufnahme von Asylbewerbern in dem geplanten Flüchtlingsheim ein Feuer ausgebrochen. Die Staatsanwaltschaft stuft den Brand als "definitiv besonders schwere Brandstiftung" ein. Eine politisch motivierte Tat könne nicht ausgeschlossen werden, sagte Staatsanwalt Jörg Wilkmann am Samstag in Halle. Es handle sich um eine gemeingefährliche Straftat schlimmster Art.

Nach den bisherigen Erkenntnissen seien in der Nacht zu Samstag einer oder mehrere Täter in das Mehrfamilienhaus eingebrochen, das im Mai die ersten von 40 Asylbewerbern beziehen sollten. Dort legten sie laut Wilkmann das Feuer, wahrscheinlich mit Brandbeschleuniger.

Der Staatsschutz ermittelt

Direkt nach dem Feuer hatte der Staatsschutz Ermittlungen aufgenommen. Das Feuer sei gegen 2 Uhr morgens ausgebrochen. Vor allem das zum Wohnbereich ausgebaute Dachgeschoss sei ausgebrannt.

Der kleine Ort im Süden Sachsen-Anhalts ist bundesweit in den Schlagzeilen, seit der ehrenamtliche Bürgermeister Markus Nierth Anfang März wegen rechtsextremer Anfeindungen seinen Rücktritt erklärte. Die NPD-geführten Proteste richteten sich gegen die geplante Unterbringung von 40 Flüchtlingen. Die ersten sollen Anfang Mai nach Tröglitz kommen.

Wie die Polizei in Halle mitteilte, konnten sich zwei Bewohner des Hauses unverletzt in Sicherheit bringen. Um wen es sich dabei handelte, war zunächst unklar. Das gesamte Dach sei durch das Feuer zerstört worden. Nach ersten Schätzungen liegt der Schaden im sechsstelligen Bereich.

"Davon wird Tröglitz sich nie erholen"

Der zurückgetretene Ortsbürgermeister Markus Nierth zeigte sich entsetzt. "Davon wird Tröglitz sich wohl nie erholen", sagte er dem Berliner "Tagesspiegel" am Samstag. "Ich bin fassungslos, traurig und wütend zugleich. Da ist die braune Saat so weit aufgegangen, dass man nun lieber Häuser niederbrennt, in denen Familien eine neue Bleibe finden sollten."

Nierth nannte den Brand "eine bleibende Schande für Tröglitz, die uns nun mit Mölln und Hoyerswerda in eine Reihe bringt und noch viele unabsehbare Folgen haben wird". In Mölln in Schleswig-Holstein starben 1992 bei einem Brandanschlag auf ein von Türken bewohntes Haus drei Frauen. Im sächsischen Hoyerswerda attackierten Neonazis 1991 eine Asylunterkunft mit Molotow-Cocktails und Stahlkugeln.

Ex-Bürgermeister bietet Wohnungen an

Der Deutschen Presse-Agentur sagte Nierth: "Die Braunen dürfen über unseren Ort nicht siegen." Außerdem bot der 46-Jährige für die Flüchtlinge zwei private Wohnungen an.

Auf seiner Facebook-Seite rief Nierth die Menschen in Tröglitz auf, seinem Beispiel zu folgen. "Es ist nun endgültig Zeit, aufzustehen", schrieb er.

Heiko Maas zeigt sich fassungslos

Nierth rief die Bürger außerdem zu einer spontanen Kundgebung gegen die Rechtsextremen am Samstagnachmittag (17 Uhr) auf.Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) schrieb auf Twitter: "Schlimmer Verdacht nach Brand in #Troeglitz macht fassungslos. Wir müssen weiter deutlich machen: Flüchtlinge sind bei uns willkommen!"

Bürgermeister fühlte sich schutzlos

Nierth war Anfang März zurückgetreten, weil eine genehmigte Anti-Asyl-Demonstration direkt vor seiner Haustür stattfinden sollte. Er fühlte sich von der Politik nicht ausreichend unterstützt und sah seine Familie nicht gut genug geschützt. Sein Schritt hatte eine bundesweite Debatte über den Schutz von Politikern vor Demonstranten ausgelöst, die Entscheidungsträger auch in ihrer Privatsphäre unter Druck setzen wollen.

Erst am Dienstagabend hatte Landrat Götz Ulrich (CDU) auf einer Einwohnerversammlung in Tröglitz über die Pläne zur Asylbewerberunterkunft informiert. Gut 500 Menschen hatten sich im örtlichen Kulturzentrum eingefunden, unter ihnen auch Nierth. Ulrich musste Dutzende Fragen beantworten - und räumte auch Fehler ein. "Ich schließe nicht aus, dass ich und einige andere Verantwortliche im Vorfeld nicht ausreichend den Bewohnern zugehört haben", sagte der CDU-Politiker. Er habe aus dem Fall Tröglitz gelernt. (dpa)

Flüchtlingsheim in Tröglitz brannte

Nach dem Brandanschlag auf das geplante Asylbewerberheim in Tröglitz...
Nach dem Brandanschlag auf das geplante Asylbewerberheim in Tröglitz... © Getty Images
... ist die Empörung groß: Sachsens-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (hier bei einer Demo vor dem Gebäude)...
... ist die Empörung groß: Sachsens-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (hier bei einer Demo vor dem Gebäude)... © dpa
... wirbt in der kleinen Gemeinde für spontane Unterbringungsmöglichkeiten in Privatwohnungen.
... wirbt in der kleinen Gemeinde für spontane Unterbringungsmöglichkeiten in Privatwohnungen. © Getty Images
Auch in einem Gottesdienst in der kleinen evangelischen Kirche von Tröglitz...
Auch in einem Gottesdienst in der kleinen evangelischen Kirche von Tröglitz... © Getty Images
... trotzten die Einwohner dem Rechtsextremismus. Unter dem Motto...
... trotzten die Einwohner dem Rechtsextremismus. Unter dem Motto... © Getty Images
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... "Miteinander füreinander" demonstrieren die Tröglitzer für mehr Offenheit. © Getty Images
Die 2700-Einwohner-Ortschaft im Süden Sachsen-Anhalt war zu trauriger Berühmtheit gelangt, ...
Die 2700-Einwohner-Ortschaft im Süden Sachsen-Anhalt war zu trauriger Berühmtheit gelangt, ... © dpa
... als der ehrenamtliche Bürgermeister Markus Nierth Anfang März wegen rechtsextremer Anfeindungen seinen Rücktritt erklärte. Wochenlang...
... als der ehrenamtliche Bürgermeister Markus Nierth Anfang März wegen rechtsextremer Anfeindungen seinen Rücktritt erklärte. Wochenlang... © dpa
... protestierten in Tröglitz Rechtsextreme gegen die Aufnahme von Asylbewerbern - nun ist in dem geplanten Flüchtlingsheim ein Feuer ausgebrochen. Staatsanwaltschaft und Polizei...
... protestierten in Tröglitz Rechtsextreme gegen die Aufnahme von Asylbewerbern - nun ist in dem geplanten Flüchtlingsheim ein Feuer ausgebrochen. Staatsanwaltschaft und Polizei... © dpa
... gehen von vorsätzlicher Brandstiftung aus. Nach bisherigen Erkenntnissen...
... gehen von vorsätzlicher Brandstiftung aus. Nach bisherigen Erkenntnissen... © dpa
... seien in der Nacht zu Samstag ein oder mehrere Täter in das Mehrfamilienhaus eingebrochen. Im Mai...
... seien in der Nacht zu Samstag ein oder mehrere Täter in das Mehrfamilienhaus eingebrochen. Im Mai... © dpa
... sollten dort die ersten von 40 Asylbewerbern einziehen.
... sollten dort die ersten von 40 Asylbewerbern einziehen. © dpa
Der ausgebaute Dachstuhl wurde durch das Feuer zerstört. In dem Haus...
Der ausgebaute Dachstuhl wurde durch das Feuer zerstört. In dem Haus... © dpa
... hätten zuletzt zwei Menschen gelebt, hieß es bei der Polizei. Wer sie sind, war zunächst unklar. Eine Nachbarin habe beide rechtzeitig gewarnt, sie konnten sich unverletzt ins Freie retten.
... hätten zuletzt zwei Menschen gelebt, hieß es bei der Polizei. Wer sie sind, war zunächst unklar. Eine Nachbarin habe beide rechtzeitig gewarnt, sie konnten sich unverletzt ins Freie retten. © dpa
Der Protest gegen die geplante Unterbringung von 40 Flüchtlingen...
Der Protest gegen die geplante Unterbringung von 40 Flüchtlingen... © dpa
... wird von der rechtsextremen Partei NPD angeführt.
... wird von der rechtsextremen Partei NPD angeführt. © dpa
Der zurückgetretene Bürgermeister, Markus Nierth (r.) zeigte sich entsetzt.
Der zurückgetretene Bürgermeister, Markus Nierth (r.) zeigte sich entsetzt. "Davon wird Tröglitz sich wohl nie erholen", sagte. "Ich bin fassungslos, traurig und wütend zugleich." Nierth... © dpa
... rief die Bürger von Tröglitz auf, noch am selben Tag zu einer Kundgebung gegen die Rechtsextremisten zu kommen. Außerdem bot er für die Flüchtlinge zwei private Wohnungen an. Er wünsche sich, dass andere seinem Beispiel folgten.
... rief die Bürger von Tröglitz auf, noch am selben Tag zu einer Kundgebung gegen die Rechtsextremisten zu kommen. Außerdem bot er für die Flüchtlinge zwei private Wohnungen an. Er wünsche sich, dass andere seinem Beispiel folgten. © dpa
Sachsens-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) informierte sich nach dem Anschlag auf das Flüchtlingsheim in Tröglitz über den Zustand des ausgebrannten Hauses (im Hintergrund).
Sachsens-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) informierte sich nach dem Anschlag auf das Flüchtlingsheim in Tröglitz über den Zustand des ausgebrannten Hauses (im Hintergrund). © dpa
Haseloff begrüßte auch Einsatzkräfte der Feuerwehr.
Haseloff begrüßte auch Einsatzkräfte der Feuerwehr. © dpa
Zudem sprach er auf einerKundgebung mit dem Motto
Zudem sprach er auf einerKundgebung mit dem Motto "Miteinander, Füreinander". © dpa
Mehrere Hundert Teilnehmer hatten sich nach dem Brand spontan zu der Kundgebung in Tröglitz versammelt.
Mehrere Hundert Teilnehmer hatten sich nach dem Brand spontan zu der Kundgebung in Tröglitz versammelt. © dpa
Der zurückgetretene Bürgermeister von Tröglitz, Markus Nierth (r), sprach ebenfalls auf der Versammlung. Er war vor wenigen Wochen von seinem Amt zurückgetreten, weil er von Rechten bedroht wird.
Der zurückgetretene Bürgermeister von Tröglitz, Markus Nierth (r), sprach ebenfalls auf der Versammlung. Er war vor wenigen Wochen von seinem Amt zurückgetreten, weil er von Rechten bedroht wird. © dpa
«Refugees welcome» steht am auf einem Transparent an einer alten Eisenbahnbrücke nahe Tröglitz. Nicht alle in der Gegend teilen diese Meinung.
«Refugees welcome» steht am auf einem Transparent an einer alten Eisenbahnbrücke nahe Tröglitz. Nicht alle in der Gegend teilen diese Meinung. © dpa
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