Berlin. . Fast jedem zweiten Patienten werden beim Arzt individuelle Gesundheitsleistungen (IGel) angeboten. Die sind nicht nur teuer, sondern oft auch unnötig.
Die Ärzteschaft verdient Milliarden mit individuellen Gesundheitsleistungen (IGeL) - doch die meisten haben keinen nachgewiesenen Nutzen oder schaden sogar, wie der Medizinische Dienst der Gesetzlichen Krankenkassen (MDS) kritisiert.
Seit drei Jahren beobachten die Experten den wachsenden Markt der Selbstzahler-Medizin: Bei der wissenschaftlichen Bewertung der 37 wichtigsten IGeL-Leistungen schneiden nur vier mit „tendenziell positiv“ ab - die Lichttherapie bei Winterdepressionen, die Laserbehandlung bei Krampfadern, die Akupunktur gegen Migräne und die Stoßwellentherapie beim entzündungsbedingten Fußschmerz. Ein generelles Verbot der IGeL-Leistungen lehnt der MDS jedoch ab. „Wir sind aber dafür, kritisch darauf zu schauen“, so MDS-Geschäftsführer Peter Pick.
Jedem zweiten Patienten werden Igel angeboten
Sie sind beliebt – besonders bei Gynäkologen, Zahnärzten und Augenärzten: Jeder zweite Patient bekommt heute beim Praxisbesuch Igel-Leistungen angeboten – individuelle Gesundheitsleistungen, für die er selbst zahlen muss. Frauen werden öfter angesprochen als Männer, Gutverdiener eher als Geringverdiener. Der Medizinische Dienst der Gesetzlichen Krankenkassen (MDS) hat in den letzten drei Jahren 37 der wichtigsten Igel untersucht, das Ergebnis: Die meisten Leistungen haben keinen nachgewiesenen Nutzen – oder schaden sogar. Nur vier bewerteten die Fachleute mit „tendenziell positiv“. Hier sind zwölf gängige Igel und ihre Bewertung aus Sicht des MDS:
Wirkung tendenziell positiv:
Lichttherapie bei Winterdepressionen: Der Nutzen ist nicht klar bewiesen, doch zeigen einige Studien, dass Licht helfen kann, die Beschwerden zu lindern. Urteil: tendenziell positiv
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Laserbehandlung bei Krampfadern: Üblicherweise werden Krampfadern operativ entfernt, bei der Laserbehandlung dagegen verödet. Studien zeigen, dass beide Methoden etwa gleich nützlich sind. Die Lasertherapie schneidet bei den Nebenwirkungen aber besser ab. Urteil: tendenziell positiv
Akupunktur gegen Migräne: Akupunktur soll Migränepatienten vor Anfällen bewahren oder ihre Schmerzen lindern. Studien zeigen, dass die Akupunktur Migräneschmerzen so gut lindert wie Medikamente. Urteil: tendenziell positiv
Stoßwellentherapie beim Fußschmerz: Die entzündliche Erkrankung wird üblicherweise durch langfristige Entlastung und Ruhe behandelt. Werden dagegen Schallwellen mit hoher Energie eingesetzt, gehen die Schmerzen deutlich schneller zurück. Urteil: tendenziell positiv
Wirkung unklar:
Professionelle Zahnreinigung: Der Nutzen bei Patienten ohne Vorerkrankung ist kaum durch Studien untersucht. Auf der anderen Seite seien aber auch kaum Schäden zu erwarten.
Urteil: unklar
Wirkung tendenziell negativ:
Hyaluronsäure-Injektion bei Knie-Arthrose: Die Spritze mit Gelenkflüssigkeit soll das Knie „schmieren“ – Studien schließen schwerwiegende Schäden aber nicht aus. Urteil: tendenziell negativ
Augenspiegelung mit Messung des Augeninnendrucks: Die Kombi-Methode zur Früherkennung des Grünen Stars ist fragwürdig. Der Nutzen ist bislang nicht nachgewiesen, Schäden durch falsch-positive oder falsch-negative Diagnosen aber möglich. Urteil: tendenziell negativ
MRT zur Früherkennung einer Alzheimer-Demenz: Die Kernspin- oder Magnetresonanztomographie (MRT) gilt als gutes Diagnoseinstrument, wenn bereits ein Verdacht besteht. Als Mittel der Früherkennung aber stößt es auf Zweifel: Ohne eine Möglichkeit, den Ausbruch der Krankheit zu verhindern, hätten auffällige Befunde unter Umständen mehr Schaden als Nutzen.Urteil: tendenziell negativ
Operative Behandlung des Schnarchens: Zur Behandlung eines normalen, nicht krankhaften Schnarchens werden verschiedene Operationen angeboten. Die Studienlage ist zu dünn, um Vorteile nachzuweisen. Dagegen gibt es häufig Nebenwirkungen – allerdings wenig gravierende. Urteil: tendenziell negativ
PSA-Test zur Früherkennung von Prostata-Krebs: Die Datenlage zum Nutzen ist widersprüchlich, die Datenlage zum Schaden dagegen eindeutig. Studien weisen unnötige Abklärungsuntersuchungen und Behandlungen nach, die mit erheblichen, aber insgesamt eher seltenen gesundheitlichen Risiken einhergehen. Urteil: tendenziell negativ
Wirkung negativ:
Ultraschall der Eierstöcke: Die Untersuchung bewahrt Frauen laut Studien nicht davor, an Eierstock-Krebs zu erkranken. Schäden durch unnötig operierte Tumore können dagegen aber gravierend sein.Urteil: negativ
Toxoplasmose-Suchtest bei Schwangeren: Der Test soll eine gefährliche Infektion des ungeborenen Kindes erkennen helfen, ist aber dabei nicht sehr treffsicher. Kommt es jedoch dann zwecks Abklärung eines auffälligen Tests zu einer Fruchtwasseruntersuchung, kann es dabei zu einer Fehlgeburt kommen. Urteil: negativ