Verden. . Der Kinderporno-Prozess gegen den früheren SPD-Abgeordneten Sebastian Edathy ist bereits nach kurzer Zeit unterbrochen worden. Einigung möglich.
Grüner Teppichboden, braune Richterbank, graue Sessel für die Zuhörer: Der Saal 104 des Landgerichts Verden verströmt bürgerliche Gediegenheit.
Von Sebastian Edathy, dem tief gefallenen früheren SPD-Bundestagsabgeordneten, lässt sich das nicht unbedingt sagen. Als Edathy um zehn Uhr den Saal betritt, steuert er die Anklagebank an. In seinem früheren Leben, als Politiker in der Bundeshauptstadt, war Edathy selbst gern bohrender Frager, zum Beispiel als Vorsitzender des NSU-Untersuchungsausschusses. Mit grauem Jackett und dunkelblauer Krawatte könnte Edathy immer noch vor jede Kamera.
Er wirkt konzentriert. Zum Auftakt des Prozesses beschränkt sich Edathy aufs Nötigste: Auf Fragen zur Person nennt er sein Geburtsdatum, den Familienstand („ledig“), seinen Beruf: „zurzeit ohne Beschäftigung“. Nach dem Aufkommen von Kinderporno-Vorwürfen war er ins Ausland abgetaucht, hat in einem „Spiegel-Interview“ gesagt, er sei nicht pädophil, und philosophierte über den männlichen Akt in der Kunstgeschichte. „Man muss Sebastian Edathy nicht sympathisch finden“, sagt sein Anwalt Christian Noll. Und auch: „Sebastian Edathy bedauert sein Verhalten zutiefst.“
Prozess gegen Edathy gestartet
Den PC meldete er als gestohlen
Verurteilt werden möchte Edathy aber nicht. Noch bevor die Anklage verlesen werden kann, versucht der Verteidiger den Prozess zu stoppen. „In dem Verfahren gegen Sebastian Edathy ist etwas aus dem Lot geraten“, so Noll. Von massiver Vorverurteilung hatte der Anwalt im Vorfeld des Prozesses gesprochen. „Informationen, Akten oder Aktenbände“ seien weitergegeben worden. Sogar der Abschlussbericht des Landeskriminalamts, Grundlage der Anklageschrift, sei durchgesteckt worden. Nach einem NDR-Bericht sollen 57 Politiker, Ermittler und Amtsträger noch vor der ersten Durchsuchung bei Edathy von den Vorwürfen gegen den Politiker gewusst haben.
Ermittlungen gegen den Celler Generalstaatsanwalt
Nun sind „Lecks“ bei niedersächsischen Sicherheitsbehörden nichts Neues. Doch Nolls Bewertung, das Ansehen der Justiz sei massiv beschädigt, hat am Freitag der Vorwoche eine brisante Bestätigung erhalten. Da gab Niedersachsens Justizministerin Antje Niewisch-Lennartz (Grüne) im Landtag bekannt, dass gegen den Celler Generalstaatsanwalt Frank Lüttig ermittelt wird. Lüttig soll Dienstgeheimnisse in den Fällen Wulff und eben auch im Fall Edathy durchgestochen haben.
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Lüttigs Umfeld hat das zurückgewiesen. Muss der Prozess also gestoppt werden, muss die Verhandlung zumindest ausgesetzt werden? Der Vorsitzende Richter sieht das anders. „Die Hauptverhandlung soll zunächst fortgesetzt werden“, sagt Jürgen Seifert. Oberstaatsanwalt Thomas Klinge wiederum will sich aufs Glatteis solcher Diskussionen möglichst wenig begeben. „Ein faires Verfahren ist weiter gewährleistet“, sagt Klinge im Prozess. Die Beweismittel seien sorgsam geprüft worden.
Der Streit geht um die strafrechtliche Relevanz
Vor allem eines ist den Anklägern wichtig: Aus ihrer Sicht geht es um eindeutig kinder- und auch jugendpornografisches Material. Es zeigt laut Anklage auch den Missbrauch von Jugendlichen und Kindern durch Erwachsene. Angefangen hatte für Edathy alles, als kanadische Fahnder einen Online-Anbieter von einschlägigem Material hochgehen ließen. Der SPD-Abgeordnete stand auf der Kundenliste. Edathy hatte sich damit verteidigt, die bestellten Filme seien strafrechtlich nicht relevant.
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In der Diskussion war von „Posing“ die Rede, also von Bildern und Filmen, in denen die Kinder und Jugendlichen sich unter eindeutigen Blickwinkeln zeigen. Teil der Anklage sind diese Kanada-Filme nicht. Man könne, drohte Ankläger Klinge in der Verhandlung indirekt, Kostproben der laut Anklage im November 2013 von Edathy aufgerufenen Bild- und Filmdateien ja in der Verhandlung mal zeigen. Den Computer hatte Edathy später als gestohlen gemeldet, die Log-Dateien aus dem November 2013 sind laut Anklage aber gesichert.
Er soll sich zu den Taten bekennen
Der § 153 a der Strafprozessordnung sieht das „Absehen von der Verfolgung unter Auflagen und Weisungen“ ausdrücklich vor. Die Auflage wäre eine Geldzahlung, und das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung sähe die Staatsanwaltschaft wohl gewahrt, falls sich Edathy zu den Taten im Sinne der Anklage bekennen würde. Richter Seifert hatte bereits signalisiert, dass er ein Einstellen gegen Auflagen für vorstellbar halte. Es seien vergleichsweise wenige Taten, Edathy nicht vorbestraft und die Karriere am Ende. Nach nicht einmal zwei Stunden ist am Montag alles vorbei. Verteidigung und Anklagebehörde sollen nun ausloten, ob sie eine Einigung erzielen. Die könnte dann am kommenden Montag verhandelt werden.