Ankara. . Mit ihrem Gesetzentwurf zur Verschärfung der Polizeirechte hat die Regierungspartei AKP im Parlament eine Massenschlägerei provoziert. Alle Oppositionsparteien lehnen das Paket von „Sicherheitsreformen“ ab.

Dass im türkischen Parlament die Fäuste fliegen, wenn ­Argumente nicht mehr überzeugen, ist keine Seltenheit. Aber die Szenen, die sich in der Nacht zum Mittwoch im Plenarsaal der Großen ­Nationalversammlung in Ankara ­abspielten, übertrafen alles bisher Dagewesene.

In einer gut fünf Minuten dauernden Massenschlägerei prügelten Abgeordnete der regierenden islamischen Gerechtigkeits- und Entwicklungspartei (AKP) und Oppositionspolitiker aufeinander ein. Stühle, Karaffen und Wassergläser flogen als Wurfgeschosse. Die Bilanz: Fünf verletzte Abgeordnete.

Ohne richterliche Anordnung

Anlass: die neuen Sicherheitsge­setze, die die Regierung dem Parlament zur Abstimmung vorgelegt ­hatte. Sie sehen mehr Befugnisse für die Polizei und die Provinzgouverneure vor, schränken das Demonstrationsrecht weiter ein und beschneiden die Rechte Beschuldigter.

Die Oppositionsparteien sehen darin einen weiteren Schritt in Richtung auf einen totalitären Polizeistaat. Die pro-kurdische Demokratische Partei der Völker (HDP) warnt, wegen des Gesetzes werde der ohnehin stockende Friedensprozess mit den Kurden Schiffbruch erleiden.

Durchsuchungen ohne richterliche Anordnung

Die 132 Artikel der Vorlage, die die Regierungspartei AKP Anfang der Woche im Parlament einbrachte, haben es tatsächlich in sich. Die Polizei kann künftig ohne richterliche Anordnung Durchsuchungen und Abhöraktionen veranlassen. Dazu reicht schon eine mündliche Anweisung eines Polizeioffiziers. Verdächtige können bis zu zwei Tagen festgehalten werden und dürfen in dieser Zeit keinen Anwalt kontaktieren.

Wer vermummt an einer Demonstration teilnimmt, kann als Terrorist vor Gericht gestellt werden. Werden bei einer Demo Molotowcocktails geworfen, darf die Polizei scharf schießen. Und die Provinzgouver­neure können in ­Zukunft nach eigenem Ermessen eine Art Kriegsrecht verhängen.

Die sonst zerstrittenen türkischen Oppositionsparteien sind sich einig in der Ablehnung des Gesetzentwurfs. „Wir werden alles tun, um die Verabschiedung zu verhindern“, sagte der HDP-Vorsitzende Demirtas. Nach den Prügelszenen wurde die Debatte über das Gesetz ausgesetzt.