Hamburg/Essen. . Ab 2016 können sich die Krankenkassenbeiträge für viele Kindertagesmütter verdoppeln. Eine Petition erreicht bereits 39.000 Unterzeichner.

Ab dem kommenden Jahr können sich die Krankenkassenbeiträge für selbstständige Tagesmütter verdoppeln. Deshalb hat der Verein Hamburger Tagesmütter und Tagesväter eine Online-Petition aufgesetzt, um gegen die höheren Beiträge zu protestieren. Seit der Veröffentlichung am 23. Januar haben sie bereits 39.000 Menschen unterzeichnet.

Der Verein fordert, dass sich die Höhe der Krankenkassenbeiträge stets am Einkommen der Tagesmütter orientiert. Das war bislang schon bei einem Gewinn ab 945 Euro der Fall. Ab dem kommenden Jahr läuft allerdings eine Sondervereinbarung für Vergünstigungen bei den Krankenkassenbeiträgen aus. Ab 2016 werden Tagesmütter als hauptberuflich Selbstständige eingestuft statt wie bisher als nebenberuflich.

Damit liegt die Grenze für die einkommensabhängige Berechnung der Krankenkassenbeiträge bei über 2100 Euro. Tagesmütter, deren Gewinn diese Grenze nicht überschreitet, zahlen dann genauso hohe Beiträge, wie diejenigen, die mehr als 2100 Euro verdienen - mindestens 310 Euro. Bei einem Beitragssatz von knapp 15 Prozent bedeutet das für eine Tagesmutter, die 1100 Euro verdient, dass sie künftig einen mehr als doppelt so hohen Krankenkassenbeitrag bezahlen muss.

Der Hamburger Verein wirft dem Bund vor, er habe Tagesmütter zunächst mit Vergünstigungen gelockt, um dem Mangel an Kitaplätzen entgegen zu wirken. Nach dem Ausbau der Kitaplätze lasse man die Kräfte in der Kindertagespflege nun einfach fallen.

Verein befürchtet Aussterben der Kindertagespflege

Der Verein glaubt, dass die Neuregelung das Aussterben der Kindertagespflege vorantreibe. „Wir fühlen uns von der Politik im Stich gelassen“, heißt es in der Petition. Eigentlich sollten die Vergünstigungen bei den Krankenkassenbeiträgen bereits Ende 2013 auslaufen, wurden allerdings noch einmal bis Ende 2015 verlängert.

Mit dem Auslaufen der Sondervereinbarung ändert sich auch der Status der Selbstständigen von einer nebenberuflichen in eine hauptberuflichen Tätigkeit. Die Forderung des Hamburger Vereins lautet, dass Tagesmütter als hauptberuflich selbstständig eingestuft werden, und der Krankenkassenbeitrag trotzdem für alle an der Höhe des Einkommens bemessen wird - unabhängig davon, wie gering die Gewinnsumme der Tagesmutter ist.

Essener Interessengemeinschaft unterstützt die Petition

„Solange es keine Vergütungsreform in der Kindestagespflege gibt, sollte der Krankenkassenbeitrag bei den Selbstständigen auch bei geringen Gewinnen einkommensabhängig berechnet werden“, sagt Heiko Krause, Geschäftsführer des Bundesverbandes für Kindertagespflege auf Anfrage. Bei geringer Vergütung könne die neue Regelung für einige Tagesmütter und -väter zu einem „echten Problem“ werden.

„So darf die Neuregelung nicht aussehen", sagt auch Claudia Gößling, Vorsitzende der Interessengemeinschaft Kindertagespflege in Essen, „die Krankenkassenbeträge müssen für alle einkommensabhängig berechnet werden.“ Der Verein mit mehr als 200 Mitgliedern hat die Hamburger Petition unterzeichnet. Laut Gößling müsste mindestens ein Drittel der Vereinsmitglieder erhebliche finanzielle Nachteile ab dem kommenden Jahr befürchten. „Auf diese 2100 Euro muss man erst einmal kommen“, gibt Gößling zu Bedenken, „bei nur zwei Kindern und 35 Stunden Betreuung in der Woche ist das aber ausgeschlossen.“ Besonders Berufsanfänger in einer niedrigen Qualifikationsstufe stünden vor erheblichen Problemen. Wie viel Tagesmütter verdienen, ist in Nordrhein-Westfalen entscheidend von ihrer Qualifikation abhängig.

Bei einem höheren Einkommen kann die Neuregelung auch Vorteile haben

Gößling sagt aber auch, dass der Schritt hin zur hauptberuflichen Selbstständigkeit für Tagesmütter dringend notwendig sei. Sie, die selbst als Tagesmutter arbeitet, hat nach eigenen Angaben keine Nachteile durch die Neuregelung, da ihr Einkommen die neue Grenze überschreitet. „Für diejenigen, die ausreichend Geld verdienen, ist die hauptberufliche Selbstständigkeit ein großer Vorteil, weil es dann möglich ist, von dem Status zu profitieren.“ Gößling wird etwa ab 2016 in der Lage sein, zusätzliche Versicherungen für Krankentage abzuschließen, was ihr als nebenberuflich Selbstständige bislang nicht möglich ist.

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Die Petition richtet sich an das Bundesfamilienministerium, das Bundesgesundheitsministerium und den GKV-Spitzenverband. Bei den Ministerien scheint sie bereits Gehör zu finden. Ein Sprecher des Bundesfamilienministeriums sagt auf Anfrage: „Klar ist, Tagesmütter und Tagesväter müssen auch weiterhin von ihrer Tätigkeit leben können, denn sie erfüllen damit eine gesamtpolitische Aufgabe. Das Bundesfamilienministerium wird sich dafür einsetzen, dass eine ausgewogene und sozialverträgliche Lösung für Tagesmütter und Tagesväter gefunden wird." Es scheint, als wäre das letzte Wort in dieser Sache noch nicht gesprochen.

Ann Marini, Sprecherin des GKV-Spitzenverbandes erklärt, dass der Verband keinen Einfluss auf die Entscheidung habe. "Wir setzen lediglich das um, was im Gesetz steht", so Marini.

Stadt Essen befürchtet keinen besonderen Anstieg der Krankenkassenbeiträge

Die Regelung, dass die Jugendämter der Kommunen die Hälfte der Krankenkassenbeiträge der Tagesmütter stemmen, bleibt auch 2016 unberührt. Allerdings könnten mit dem Auslaufen der Sondervereinbarung auch Mehrkosten für die Städte entstehen. Die Stadt Essen sieht dem allerdings gelassen entgegen: "Ein besonderer Anstieg durch das Auslaufen der Sondervereinbarung ist nach bisherigem Kenntnisstand nicht zu befürchten", sagt Stadtsprecher Stefan Schulze und fügt hinzu: "Wir haben trotz der Regelung im Gesetz beziehungsweise während der noch laufenden Sondervereinbarung, schon jetzt hohe und auch weiterhin steigende Krankenversicherungsbeiträge, die im Rahmen der Mittelplanung für die Kindertagespflege 2015 / 2016 mitbedacht wurden."