Athen. . Der neue griechische Regierungschef Tsipras muss Farbe bekennen. Am Donnerstag kommt es zu ersten Begegnung mit Bundeskanzlerin Merkel.

Der neue griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras will sein Wahlprogramm umsetzen: Die Sparpolitik soll beendet, die meisten Reformen annulliert werden. Dennoch erwartet Tsipras eine rasche Einigung mit den Gläubigern des Landes. Die Verhandlungen seien "schwierig und der Weg steinig", sagte Tsipras am Sonntagabend in seiner Regierungserklärung vor dem Athener Parlament. Er sei aber zuversichtlich, dass innerhalb der nächsten 15 Tagen eine Übereinkunft erzielt werden könne. Eine Verlängerung des laufenden Hilfsprogramms, wie sie die EU und die Europäische Zentralbank (EZB) fordern, lehnt Tsipras allerdings weiter kategorisch ab. Er schlug stattdessen eine "Brückenvereinbarung" vor, die Griechenland Finanzierung bis Juni sichern soll.

Seine Forderung nach einem Schuldenerlass hat Tsipras offenbar endgültig fallengelassen. Das Wort kam in der Regierungserklärung nicht vor. Stattdessen sprach Tsipras von einer "Umstrukturierung" der Staatsschulden. Auch zum Thema Privatisierungen äußerte sich Tsipras gemäßigter: Hatte er noch im Wahlkampf einen Stopp aller Privatisierungen angekündigt, schloss er in der Regierungserklärung Privatisierungen nicht mehr aus, sofern sie "im öffentlichen Interesse" seien.

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Bedürftige Familien sollen kostenlos Strom erhalten

Erste Aufgabe seiner Regierung sei die Bewältigung der humanitären Krise, in die Griechenland durch "fünf Jahre Barbarei des Sparkurses" gestürzt sei, sagte Tsipras. Bedürftige Familien sollen kostenlosen Strom, Unterkunft und Nahrungsmittel erhalten. Der Mindestlohn soll schrittweise bis 2016 von 586 auf 751 Euro erhöht werden. Entlassene Staatsdiener sollen wieder eingestellt werden. Der Ministerpräsident kündigte eine Reform der öffentlichen Verwaltung und ein umfassendes Sparprogramm an. Von den rund 700 Autos, die den Fuhrpark der griechischen Ministerien bilden, soll die Hälfte verkauft werden. Die Dienstwagen der 300 Parlamentsabgeordneten werden gestrichen. Auch eines von drei Regierungsflugzeugen wird verkauft. Tsipras will den Personalbestand im Amt des Ministerpräsidenten um 30 Prozent und die Zahl seiner Leibwächter um 40 Prozent reduzieren.

Tsipras will damit die meisten seiner Wahlkampfankündigungen umsetzen. Das bedeutet allerdings einen Bruch der Vereinbarungen mit den Gläubigern, die Griechenland seit 2010 mit Hilfskrediten von 230 Milliarden Euro unterstützt haben. Die Verhandlungen mit der EU, der Europäischen Zentralbank (EZB) und dem Internationalen Währungsfonds (IWF) dürften dadurch nicht einfacher werden. Auch im ohnehin gespannten Verhältnis zu Deutschland zeichnen sich neue Dissonanzen ab: Tsipras nannte es die "historische Pflicht" der neuen Regierung, von Berlin deutsche Reparationszahlungen für die Besatzungszeit im Zweiten Weltkrieg einzufordern.

Tsipras und sein Finanzminister Yanis Varoufakis haben in der vergangenen Woche auf Reisen in mehrere europäische Hauptstädte die Stimmung sondiert mit ernüchternden Resultaten. Die EU und die EZB bestehen darauf, dass Griechenland die von der Vorgängerregierung eingegangenen Verpflichtungen erfüllt. Nur dann will die EZB die griechischen Banken weiter stützen. Läuft das bereits um zwei Monate verlängerte EU-Hilfsprogramm Ende des Monats ersatzlos aus, könnte Griechenland bereits im März in Zahlungsschwierigkeiten kommen.

Tsipras lehnt Verlängerung wegen Sparauflagen strikt ab

An diesem Montag reist Tsipras nach Wien. Dort wird sich der österreichische Bundeskanzler Werner Faymann bemühen, den Griechen auf einen Kompromisskurs zu bringen, wie es vergangene Woche schon Jean-Claude Juncker in Brüssel und Francois Hollande in Paris versuchten. Am Mittwoch trifft sich die Eurogruppe in Brüssel zu einer Sondersitzung. Bei dem Treffen muss Finanzminister Varoufakis konkrete Vorschläge präsentieren, wie er sich die weiteren Beziehungen des Landes zu den Gläubigern vorstellt, die in den vergangenen fünf Jahren bereits Hilfskredite von rund 230 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt haben. Tags darauf, am Donnerstag, nimmt Tsipras erstmals an einem EU-Gipfel teil.

Als letzter Termin für eine Einigung gilt das Treffen der Eurogruppe am 16. Februar. Spätestens dann, so Eurogruppenchef Jeroen Dijsselbloem, muss Athen eine Verlängerung des laufenden Hilfsprogramms beantragen. Das gilt als Voraussetzung für Verhandlungen über eine neue Vereinbarung. In diesem Streitpunkt zeichnet sich auch nach der Regierungserklärung keine Annäherung ab: Tsipras lehnt eine Verlängerung wegen der damit verbundenen Spar- und Reformauflagen weiterhin strikt ab.