Berlin. . Zusammen mit Frankreichs Präsident will die Kanzlerin in Moskau eine Waffenruhe für die Ost-Ukraine aushandeln. Sie selbst geht dabei ein Wagnis ein.

Diese Reise hat Angela Merkel seit Beginn der Ukraine-Krise konsequent vermieden. Dreimal hat die Kanzlerin den russischen Präsidenten Wladimir Putin wegen des Konflikts persönlich getroffen, rund 40mal mit ihm telefoniert – aber einem Gespräch mit Putin in Moskau ging Merkel stets aus dem Weg. Jetzt wagt sie sich doch als Gast nach Russland – ohne Erfolgsgarantie, aber in großer Sorge.

Angesichts der dramatischen Zuspitzung in der Ukraine-Krise kommen Merkel und Frankreichs Präsident Francois Hollande am Freitag in Moskau mit Putin zusammen – die womöglich letzte Chance, um einen offenen Krieg zu verhindern.

Mehr Territorium für die Separatisten?

Das Treffen hatten Merkel und Hollande überraschend am Donnerstag angekündigt; wenige Stunden später flogen sie getrennt nach Kiew, wo sie am Abend mit dem ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko konferierten.

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Wie weit der Westen zu Zugeständnissen an Russland bereit ist, ist nicht klar. Die "Süddeutsche Zeitung" berichtete am Donnerstag, Merkel und Hollande wollten bei ihren Gesprächen in Kiew und Moskau die Vereinbarung eines sofortigen Waffenstillstands vorschlagen. Zudem solle den prorussischen Separatisten im Osten der Ukraine Autonomie in einem viel größeren Gebiet als bisher geplant zugestanden werden.

Die Bundesregierung dementierte den Bericht als "falsch". Einzelheiten werden streng vertraulich behandelt. Putin will jedoch offenbar über einen UN-Blauhelm-Einsatz in der Ukraine zur dauerhaften Waffenruhe reden, auch eine internationale Friedenskonferenz ist im Gespräch. Deutschland und Frankreich pochen darauf, dass endlich das Waffenstillstandsabkommen von September eingehalten wird.

Beide Seiten machen mobil

Ob Merkels Reise erfolgreich sein werde, sei nicht abzusehen, hieß es in Berliner Regierungskreisen. Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) sieht in der Friedensinitiative „mehr Hoffnung als Chance“.

Doch müssten alle Möglichkeiten für eine politische Lösung des Konflikts ausgeschöpft werden, sagt Steinmeier, der seit einem Jahr als eine Art Chef-Vermittler in der Krise unterwegs ist. Die Lage sei „brandgefährlich“. Hollande sagt es noch dramatischer: „Wir sind im Krieg.“ Es könne nicht unendlich weiterverhandelt werden.

In der Ostukraine machen beide Konfliktparteien mobil, pro-russische Separatisten haben eine neue Offensive begonnen. Moskau habe offenkundig die Unterstützung noch einmal verstärkt, schicke zunehmend Kämpfer, Ausrüstung und Ausbilder, beklagt Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg.

Ohne diplomatische Vorsicht

Da lässt die Bundesregierung die diplomatische Vorsicht fahren. Noch vor wenigen Wochen hatte Berlin frustriert die aufwändigen Vermittlungsbemühungen für ein geplantes Gipfeltreffen von Kiew, Moskau, Paris und Berlin eingestellt – lieber kein Gipfel als ein erfolgloser Gipfel.

Jetzt kommen nur separate Treffen mit Putin und Poroschenko zustande, trotzdem nimmt Merkel das Risiko des Scheiterns in Kauf. Zu viel steht auf dem Spiel.

Deutschland, Merkel und Steinmeier voran, hat sich wie kein anderes Land im Westen um eine Beilegung des Konflikts mit diplomatischen Mitteln bemüht – trotz aller Rückschläge und Enttäuschungen über den Kremlchef, der offenbar auf eine dauerhafte Destabilisierung der Ukraine setzt. Auch das Treffen in Moskau, so viel ist klar, wird nicht das Ende sein.