Athen. Nach der Wahl in Griechenland drückt Syriza-Chef Alexis Tsipras aufs Tempo. Seine Koalition steht, und vereidigt ist er auch schon.
Griechenland wird nach dem Syriza-Wahlsieg künftig von einer links-rechts Koalition regiert. Die Linkspartei Syriza habe sich mit den rechtspopulistischen Unabhängigen Griechen auf ein Regierungsbündnis geeinigt, sagte Syriza-Sprecher Panos Skourletis der Deutschen Presse-Agentur am Montag in Athen. Zuvor hatten auch die Unabhängigen Griechen die Einigung bekanntgegeben. Beide Parteien stimmten im Wahlkampf nur in einem Punkt überein: Die Sparpolitik im hoch verschuldeten Euro-Krisenland müsse sofort beendet werden.
Am Nachmittag wurde Tsipras als Ministerpräsident vereidigt. Bei der Zeremonie am Sitz des Staatspräsidenten in Athen versprach er, die Interessen des griechischen Volkes zu wahren. Tsipras ist ab sofort voll handlungsfähiger Ministerpräsident. Innerhalb von zehn Tagen nach der konstituierenden Sitzung des neuen Parlaments am 5. Februar muss die Volksvertretung ihm noch das Vertrauen aussprechen. Das ist ein formaler Vorgang.
Tsipras ist der erste Ministerpräsident in der Geschichte Griechenlands, der beim Amtsantritt keinen religiösen Eid ablegte. Zugleich ist der 40-Jährige der jüngste Regierungschef, den Griechenland jemals hatte.
Absolute Mehrheit knapp verpasst
Syriza hatte bei der Parlamentswahl die absolute Mehrheit denkbar knapp verpasst. Nach Auszählung von fast 100 Prozent der Stimmen kam die Partei von Alexis Tsipras auf 36,3 Prozent und 149 Mandate im neuen Parlament. Für die Bildung einer Regierung sind 151 der 300 Parlamentssitze nötig. Die Unabhängigen Griechen lagen bei 4,8 Prozent der Stimmen und 13 Sitzen.
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Bei der Regierungsbildung wollten beide Seiten keine Zeit verlieren. Tsipras sollte am Montagnachmittag von Staatspräsident Karolos Papoulias das offizielle Mandat zur Regierungsbildung erhalten. Das Kabinett sollte demnach spätestens am Dienstag bekanntgegeben werden.
"Wir werden einen Ministerpräsidenten Alexis Tsipras unterstützen", sagte Rechten-Chef Panos Kammenos am Montag nach einem Treffen mit dem Wahlsieger in Athen. "Von diesem Moment an gibt es eine Regierung", sagte Kammenos.
Griechenland steht unter Zeitdruck
In Griechenland zeichnete sich damit eine problematische Konstellation ab. Die Unabhängigen Griechen schlugen im Wahlkampf nationalistische Töne an und forderten unter anderem, illegale Migranten auszuweisen. Syriza hatte sich dagegen deutlich für mehr Zuwanderung ausgesprochen. Übereinstimmung herrschte lediglich gegenüber den Geldgebern aus EU-Kommission, Europäischer Zentralbank (EZB) und Internationalem Währungsfonds (IWF): Griechenland brauche einen klaren Schuldenschnitt, forderten beide Parteien.
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Griechenland steht unter Zeitdruck. Das Land braucht so schnell wie möglich eine handlungsfähige Regierung. Bis Ende Februar muss eine neue Vereinbarung mit den internationalen Geldgebern ausgehandelt werden, denn dann laufen die Hilfszahlungen aus. Ohne weitere Kredite wäre das Land wohl schon bald zahlungsunfähig.
Griechenland hat Staatsschulden in Höhe von rund 320 Milliarden Euro. Die EU und der IWF haben dem Land bislang mit Darlehen von rund 240 Milliarden Euro unter die Arme gegriffen. In der Eurogruppe wird über eine Verlängerung des griechischen Rettungsprogramms über den 28. Februar hinaus nachgedacht. Die Euro-Finanzminister wollten bereits am Montag über den weiteren Weg des Krisenlandes sprechen - konkrete Beschlüsse waren jedoch nicht geplant. (dpa)
Brok und Söder warnen vor Schuldenschnitt für Griechenland
Nach dem Wahlsieg des griechischen Linksbündnisses Syriza hat der CDU-Europaabgeordnete Elmar Brok vor zu großen Zugeständnissen an das Land gewarnt. "Einen Schuldenschnitt kann es jetzt nicht geben, denn wenn dort keine Reformen stattfinden und das Land nicht wettbewerbsfähiger wird, dann hätte man in drei, vier Jahren genauso viele Schulden", sagte der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses am Montag im ARD-Morgenmagazin.
Über Jahrzehnte sei in Griechenland eine falsche Politik betrieben worden, kritisierte er. "Ich kenne kein Land in Europa, in dem die normalen Bürger so von der politischen und wirtschaftlichen Klasse über 30 Jahre betrogen worden sind." Das sei noch nicht wieder in Ordnung gebracht worden. "Man kann kein Land in Ordnung bringen, wenn das nur der kleine Mann zu zahlen hat und man erneut an die Senkung der Renten herangeht. Hier müssen die Reformen gemacht werden", forderte er.
Söder warnt vor weiteren Zugeständnissen
Auch der bayerische Finanzminister Markus Söder lehnt einen weiteren Schuldenerlass für Griechenland ab. "Es hat ja schon einen Schuldenschnitt gegeben, der Effekt war überschaubar", sagte der CSU-Politiker am Montag im Bayerischen Rundfunk. Es könne nicht sein, dass der deutsche Steuerzahler "jedes Problem nachträglich finanziert". Keinem Land in der Eurozone sei man so entgegengekommen wie Griechenland.
Ein weiterer Schuldenschnitt helfe nichts, wenn in kürzester Zeit die Situation wieder so eintrete - helfen würden nur grundlegende Reformen. Söder warnte die neue Regierung der Linkspartei Syriza davor, die Reformziele aufzuweichen: "Wenn das geschieht, dann können die ausstehenden Auszahlungen aus den Rettungspaketen so nicht stattfinden." Athen müsse die Verträge jetzt einhalten.
Schulz rechnet nicht mit Schuldenschnitt
EU-Parlamentspräsident Martin Schulz (SPD) rechnet nicht mit einem Schuldenschnitt für das Land. Er glaube nicht, dass es eine Mehrheit für diesen Schritt geben werde, sagte Schulz am Montag im Deutschlandfunk. Parteichef Alexis Tsipras werde nicht alle radikalen Forderungen aus dem Wahlkampf einhalten können. Er selbst habe noch in der Nacht mit ihm gesprochen und ihm das gesagt, fügte Schulz hinzu.
Der Parlamentspräsident zeigte sich zuversichtlich, was die Zusammenarbeit zwischen Griechenland und den europäischen Partnern angeht. "Das ist auch ein Pragmatiker, der ziemlich genau weiß, dass er Kompromisse eingehen muss", sagte er über Tsipras. (dpa)
Das Dilemma Griechenlands in Zahlen und Fakten
Die Bevölkerung in Griechenland musste in den vergangenen fünf Jahren in Friedenszeiten nie dagewesene Entbehrungen verkraften. Einige Zahlen und Fakten im Überblick:
Arbeitslosigkeit: Die Arbeitslosigkeit liegt bei 25,5 Prozent. Bei den unter 25-Jährigen ist sogar fast jeder zweite ohne Job. Nach jüngsten Erhebungen liegt die Jugendarbeitslosigkeit bei 48,4 Prozent.
Staatsschulden: Griechenland hat insgesamt Schulden in Höhe von rund 320 Milliarden Euro (Stand September 2014). Das sind fast 180 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Die EU und der Internationale Währungsfonds haben dem Land mit Darlehen in Höhe von rund 240 Milliarden Euro unter die Arme gegriffen.
Einkommen: Nach übereinstimmenden Angaben von Regierung und Gewerkschaften mussten die Menschen in Griechenland seit 2009 im Durchschnitt Einkommenseinbußen von 30 Prozent hinnehmen. Im öffentlichen Dienst wurden Urlaubs- und Weihnachtsgeld gestrichen. Auch Renten wurden massiv gekürzt.
Öffentlicher Dienst: Nach jüngsten Zahlen arbeiten derzeit 675 000 Menschen im öffentlichen Dienst. Das sind rund 277 000 weniger als noch 2009. Allein im Jahr 2014 wurden 9500 Staatsbedienstete entlassen. Zudem wurden viele Stellen nach altersbedingtem Ausscheiden von Angestellten nicht nachbesetzt.
Wirtschaftswachstum: Erstmals nach vielen Rezessionsjahren wuchs die Wirtschaft 2014 nach vorläufigen Zahlen um 0,7 Prozent. Für 2015 werden zwischen 1,5 Prozent und 2,9 Prozent Plus erwartet. (dpa)