Berlin. . Der Ex-SPD-Politiker zeigte bei seinem Auftritt in Berlin wenig Reue und Einsicht. Bohrende Fragen ließ er unbeantwortet, belastet stattdessen frühere Genossen.
Aus Angst vor möglichen Konsequenzen für sein Strafverfahren hat Sebastian Edathy im Untersuchungsausschuss eine Frage nach möglicherweise vernichteten Beweismitteln verweigert. Da eine Beantwortung ihn "rein theoretisch" selbst belasten könnte, wolle er keine Angaben machen, sagte der ehemalige SPD-Bundestagsabgeordnete am Donnerstagabend in Berlin.
In der stundenlangen Vernehmung durch den Bundestags-Ausschuss war dies die erste Frage, die Edathy unbeantwortet ließ. Der Ausschuss will klären, ob Edathy von Parteifreunden vor den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Hannover wegen des möglichen Besitzes von Kinderpornos gewarnt wurde.
Edathy beklagt „Leben im Ausnahmezustand“
Am Mittag hatte es für einen Moment so ausgesehen, als bereue Sebastian Edathy wirklich. „Ich weiß, ich habe viele Menschen enttäuscht, nicht nur in meinem Wahlkreis. Das tut mir aufrichtig leid“, sagt eder 45-Jährige gleich zu Beginn seines ersten öffentlichen Auftritts seit zwölf Monaten. Souverän wirkte der Ex-Bundestagsabgeordnete aus Niedersachsen, gut vorbereitet, konzentriert. Monatelang war der Ex- SPD-Hoffnungsträger in Nordafrika untergetaucht, die Pressekonferenz und die Vernehmung vor dem Bundestags-Untersuchungsausschuss sollten sein „letzter großer Auftritt in Berlin“ sein: „Den Politiker Edathy gibt es nicht mehr.“
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Es gibt aber auch den reuigen Sünder in der Kinderporno-Affäre nicht, wie sich bald zeigt. Edathy klagt nicht nur über sein „Leben im Ausnahmezustand“ – mit schweren Vorwürfen gegen seinen SPD-Kollegen Michael Hartmann und den früheren BKA-Chef Jörg Ziercke schlägt er vor allem ein neues Kapitel der Affäre auf. Denn der zentrale Punkt seines Auftritts zielt auf die mutmaßliche Verletzung von Dienstgeheimnissen, auf ein hässliches Zusammenspiel von Justiz und Politik: Edathy behauptet, er sei stets über die Ermittlungen gegen ihn informiert gewesen.
Dazu legt er dem Untersuchungsausschuss Auszüge seiner SMS-Telefonkontakte vor. Erneut beschuldigt er dabei den SPD-Bundestagsabgeordneten Hartmann. Der habe ihm nicht nur erzählt, er werde persönlich von BKA-Chef Ziercke informiert – Hartmann habe auch präzise Erkenntnisse weitergegeben: „Ich bin laufend unterrichtet worden, wo sich die Akte befindet“, sagt Edathy. „Alle paar Tage bekam ich einen Hinweis“, am Ende auch, dass es ernst werden würde – woraufhin Edathy sein Mandat niederlegte.
Es steht Aussage gegen Aussage
Nach dieser Darstellung habe Ziercke, selbst SPD-Mitglied, Schaden von der Partei abwenden und ihn, Edathy, ins Bild setzen wollen. Hartmann wies die Darstellung im Untersuchungsausschuss zurück. Auch Ziercke hatte erste Anschuldigungen Edathys dementiert. Es steht Aussage gegen Aussage.
Trifft Edathys Version zu, hätte sich Hartmann der Strafvereitelung schuldig gemacht und Ziercke des Verrats von Dienstgeheimnissen. „Warum sollte ich die Unwahrheit sagen? Ich habe nichts mehr zu verlieren“, verteidigt sich Edathy. Er wolle zur Aufklärung beitragen, es gehe ihm auch nicht um Rache an der SPD. Tatsächlich kommt die SPD-Führung, die ja frühzeitig durch den damaligen Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) vom Kinderporno-Verdacht wusste, in Edathys Aussagen ganz gut weg. Von dort sei er nicht über die Ermittlungen informiert worden. Nur an SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann arbeitet Edathy sich ab: Der habe ihm – in Kenntnis des Verdachts – noch Anfang November 2013 das Amt des Fraktionsvizechefs oder eines Staatssekretärs in Aussicht gestellt.
Edathys Vorwürfe gegen Oppermann
Edathy wirft Oppermann vor, die Öffentlichkeit im Februar falsch über den Ablauf der Affäre informiert zu haben; auch der Kreis der Mitwisser sei größer als von Oppermann behauptet. Und Edathy erzählt mit Bitterkeit, Hartmann sei nach eigener Darstellung von Oppermann gefragt worden, wie die SPD eigentlich einen Selbstmord Edathys kommunizieren solle.
Auch Oppermann weist all diese Vorwürfe als falsch zurück. Von ihm mag Edathy enttäuscht sein — aber warum belastet er jetzt Hartmann so? Der habe ihm sicher helfen wollen, sagt Edathy, aber nun gehe es um die Wahrheit.
Gericht widerspricht Edathy
Allerdings, in eigener Sache ist Edathy dann nicht mehr so auskunftsfreudig. Was auf den Nacktbildern zu sehen war, die er in Kanada bestellte, verrät er nicht. Gereizt sagt er nur, das „Material“ sei legal gewesen. Immerhin räumt er ein: „Es war falsch, diese Filme zu bestellen.“ Aber zu den Vorwürfen, sich auch eindeutig strafbare Kinderpornos beschafft zu haben, wegen der er jetzt vor dem Landgericht Verden angeklagt ist, schweigt Edathy. Stattdessen erweckt er den Eindruck, es stehe die Einstellung dieses Verfahrens gegen eine Geldbuße von 5000 bis 6000 Euro bevor – das Landgericht Verden spricht dagegen später von einer „Anregung“ des Angeklagten, über die nicht entschieden sei.
Er wolle, sagt Edathy, das Kapitel jetzt schnell beenden. Wenn er darüber spricht, bricht das Selbstmitleid durch. Er beklagt eine öffentliche Vorverurteilung und sagt: „Ich habe einen hohen Preis gezahlt“. In Deutschland sei er „verbrannt“ und auch nicht mehr sicher. Als jemand wissen will, wo er jetzt eigentlich lebe, meint Edathy: „Das geht Sie einen feuchten Kehricht an!“ Und auch die Frage, ob er pädophil sei, beantwortet er nicht.
Noch erhält er Übergangsgelder als Ex-Abgeordneter. Er werde versuchen, sich eine neue Existenz aufzubauen. Wie es weitergehe, das wisse er nicht.