Essen. Das Bündnis “Bonn stellt sich quer“ hat am Montagabend die “Pegida“-Demo boykottiert. Sprecherin Susanne Rohde sieht eine gefährliche Entwicklung.
Flagge zeigen gegen die "Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes" ("Pegida") - das hat sich die Bürgerinitiative "Bonn stellt sich quer" auf die Fahnen geschrieben und hat am Montagabend die "Pegida"-Demo boykottiert. Rund 300 Anhänger der islamfeindlichen "Bodiga"-Bewegung - dem Bonner Ableger der "Pegida" - hatten sich versammelt. Fast 1600 Gegendemonstranten verhinderten den Marsch der "Bogida" und demonstrierten friedlich gegen Rechts. Sprecherin Susanne Rohde erklärt im Interview, was "Bonn stellt sich quer" ist, und warum sie eine ähnliche Entwicklung wie Anfang der 90er Jahre befürchtet.
"Bonn stellt sich quer" hat es geschafft, den geplanten Spaziergang der "Bogida"-Bewegung zu verhindern. Was genau steckt hinter der Bürgerinitiative?
Susanne Rohde: Dahinter stehen Menschen, die sich gegen Nazis und Rassismus wehren wollen. Unser Ziel ist es, Aufmärsche und rechte Parolen zu unterbinden. Deshalb gibt es dieses Bündnis bereits seit 2011. Groß geworden ist es bei der Demonstration am 1. Mai 2012. Immer wenn wir uns herausgefordert fühlen, gehen wir auf die Straße. Dabei werden wir mittlerweile von vielen Politikern, Schulen und Sportvereinen unterstützt.
Wie schätzen Sie die "Pegida"-Bewegung in Bonn, Düsseldorf und vor allem in Dresden ein?
Rohde: Ich halte das für sehr gefährlich. In meinem Leben habe ich solche Situationen schon mehrmals miterlebt. Das kann eine Dynamik gewinnen, die schwere Folgen nach sich ziehen könnten. Da erinnere ich nur an die Brandanschläge Anfang der 90er Jahre. Das war eine vergleichbare Situation. Deshalb hoffe ich, dass es diesmal nicht zu Übergriffen kommt.
Wer beteiligt sich Ihrer Meinung nach an den Protesten?
Rohde: Für Bonn kann ich sagen, dass Rechtsextreme beteiligt sind und ihre Parolen verbreiten. Allerdings beteiligen sich auch viele, die einfach unzufrieden sind und deshalb auf die Straße gehen. Auch wenn ihre Unzufriedenheit berechtigt ist, sollten sie sich überlegen, mit wem sie hier auf die Straße gehen. Ihre eigenen Probleme auf die Muslime zu schieben, löst diese nicht. Grundsätzlich unterstütze ich es, wenn Menschen aktiv werden. Hier wissen viele aber nicht, mit wem sie auf die Straße gehen.
Ist es die Angst, die die Menschen demonstrieren lässt?
Rohde: Meiner Meinung nach ja. Seit dem 11. September 2001 beäugen wir unsere muslimischen Mitbürger viel genauer. Es ist ein Misstrauen und auch ein Ausgrenzen da. Wenn man sich die Flüchtlingszahlen aber mal anschaut, hat die Bundesrepublik im Jugoslawien-Krieg mehr Bosnier aufgenommen als sie es jetzt tut. Nur: Seitdem Europa sich dicht gemacht hat, ist die Zahl der Flüchtlinge lange nicht mehr so gestiegen. Deshalb muss man das ganze zwiespältig betrachten. Das Problem ist, dass die Politik aktuell die falschen Signale sendet. Sie spricht von zu vielen Flüchtlingen, dazu kommen die Bilder aus den Medien. Das ist vereinfacht gesagt wie bei den Einbrüchen: Wenn ich viel davon lese, dass in meiner Nachbarschaft eingebrochen wird, bekomme ich auch Angst.
In Bonn waren es am Montag nur rund 300 Demonstranten, in Dresden versammelten sich fast 15.000. Woran liegt das?
Rohde: In Dresden gibt es ganz andere Strukturen. Dort erzielen rechtsextreme Parteien auch bessere Wahlergebnisse. Außerdem ist die Protestwelle dort zunächst unbemerkt gewachsen. Wir konnten uns darauf vorbereiten und deshalb verstärkt dagegen vorgehen.
Kontroverse Pegida-Diskussionen im Netz
Im Internet werden die Demonstrationen des Anti-Islam-Bündnisses "Pegida" auf Plattformen wie Facebook und Twitter kontrovers diskutiert. In der vergangenen Woche verwendeten Twitter-Nutzer 36 000 Mal das Schlagwort #Pegida. Andere so genannte Hashtags wie "#Bogida" (Bonn) oder "#Dügida" (Düsseldorf) kamen hingegen nur selten vor.
Auf Facebook gibt es mehrere Diskussions-Seiten, darunter "Pegida" mit fast 60 000 "Gefällt mir"-Klicks. Allerdings finden sich auch kritische Stimmen, ebenso Satireseiten wie "Hooligans Gegen Satzbau". Eine Facebook-Seite, auf der Aufrufe zu Demonstrationen der Gruppierung "Hooligans gegen Salafisten" ("Hogesa") verbreitet wurde, ist dagegen mittlerweile verschwunden. (dpa)
Haben Sie weitere Aktionen geplant?
Rohde: Ja, denn auch für die kommenden Montage sind Proteste angekündigt. Wir werden zeitnah entscheiden, was wir machen. Es soll etwas besinnliches, weihnachtliches werden. Vielleicht singen wir und essen Plätzchen.
Wer kommt denn zu Ihren Gegenveranstaltungen?
Rohde: Ein Mix aus jungen und alten Menschen, der fröhlich zeigt, dass Rechtsextremismus bei uns keine Chance hat. Bonn hat keinen Platz für solche Demonstrationen, und das wollen wir deutlich machen.
Gab es dabei am Montag Probleme mit der Polizei?
Rohde: In unseren Augen hat die Polizei überzogen reagiert und ist etwas hart mit einigen Jugendlichen umgegangen. Da hätten die Beamten ihren Ermessenspielraum besser nutzen können, denn wir haben friedlich demonstriert.
Hatten Sie auch die Gelegenheit, mit "Bogida"-Anhängern in Kontakt zu treten?
Rohde: Nein, hatte ich bisher nicht. Ich hätte auch kein Interesse daran, mich mit einem Rechtsextremen darüber zu unterhalten. Anders verhält es sich bei den Anhängern, die an die Harmlosigkeit der Proteste glauben. Mit denen würde ich gerne ins Gespräch kommen.