Essen. Der Platz auf der Datenautobahn im Netz wird knapp. Die Bundesregierung will eine Überholspur schaffen. Wird der normale Internetsurfer abgehängt?

Es könnte das Internet in seinen Grundfesten erschüttern: Neue Dienste, so hat Kanzlerin Angela Merkel jetzt auf einer Veranstaltung der Firma Vodafone gesagt, würden wohl eine bevorzugte Durchleitung im weltweiten Netz benötigen. Damit wäre der lange als unantastbar geltende Grundsatz der sogenannten Netzneutralität vom Tisch. Das könnten auch Otto-Normal-Surfer zu spüren bekommen.

Was bedeutet Netzneutralität?

Netzneutralität bedeutet, dass sämtliche Daten im Internet bisher grundsätzlich gleich behandelt werden, egal woher sie kommen und wohin sie gehen, egal welcher Art sie sind. Ob Lieschen Müller ein Video vom letzten Wanderausflug über das Netz verschickt oder ein Ingenieur die Konstruktionspläne eines Millionen-Euro-Projektes, ob eine Spam-Mail verschickt oder ein Youtube-Video geschaut wird, spielt keine Rolle.

Was will die Regierung ändern?

Wer bereit ist dafür zu zahlen, soll den Transport seiner Daten beschleunigen können, quasi auf ein „Internet neben dem Internet“ ausweichen dürfen.

Wer könnte daran Interesse haben?

Da gibt es viele. Merkel nennt gern Telemedizindienste als Beispiel, aber die dürften am Ende nur einen kleinen Teil der Nutzer für das Hochgeschwindigkeits-Internet ausmachen. Viel interessanter und interessierter sind die immer beliebter werdenden Anbieter von Internet-Telefonie oder so genannte Video-on-Demand-Dienste. Die Filme und Serien, die sie in ständig höherer Qualität durch das Internet schicken, summieren sich mittlerweile zu gigantischen Datenmengen. In den USA etwa verbraucht alleine der dortige Marktführer Netflix zu Spitzenzeiten fast ein Drittel des zur Verfügung stehenden Datenvolumens. Aber auch in Deutschland beanspruchen Videodienste immer mehr Bandbreite im Internet.

Was habe ich als normaler Internet-Nutzer damit zu tun?

Einiges. Denn die Kapazitäten im Internet sind endlich. Selbst ohne kommerzielle Dienste wird es irgendwann an seine Grenzen stoßen, wenn es nicht ausgebaut wird. Und wer dann nicht bereit ist, mehr zu zahlen, muss sich mit seinen Daten hinten anstellen, surft quasi nur noch in der zweiten Klasse und sehr langsam.

Warum bauen die großen Anbieter dann die Leitungen nicht aus?

Tun sie. Nur nicht in dem Umfang, der eigentlich nötig wäre. Das ist allerdings vor allem im ländlichen Raum extrem teuer und lohnt sich deshalb nicht immer. Es sein denn, man kann für bevorzugten Datentransport mehr Geld verlangen, so wie es die neuen Pläne der Regierung jetzt vorsehen. Deshalb dürften Anbieter wie die Telekom oder Vodafone von der Rede der Kanzlerin auch begeistert sein.

Stehen die Chancen auf einen schnellen Internetanschluss auf dem Land denn durch die neuen Pläne nun besser oder schlechter als bisher?

Kommt darauf an, wen man fragt. Die Kanzlerin wird wohl sagen: besser. Denn nach den Plänen ihrer Regierung dürften Spezialdienste nur „bei ausreichenden Netzkapazitäten erbracht werden“. Soll heißen: Wer eine Autobahn im Internet baut, darf die Landstraße nicht verkommen lassen. Was ausreichende Netzkapazitäten sind, wie die Landstraße also aussehen darf, ist aber bisher nirgendwo genau festgelegt. Und dass die Provider mehr Geld als eben nötig in Leitungen stecken, die ihnen nichts einbringen, ist unwahrscheinlich.

Wann wird es die neuen Spezialdienste geben?

Kommt darauf an, wo man wohnt. Sollten die Pläne der Bundesregierung umgesetzt werden, dürfte es in Ballungszentren wie dem Ruhrgebiet eine Frage von Monaten sein. Im Hochsauerland oder am Niederrhein reden wir wohl von Jahren.