Ferguson. . Geschlossene Schulen, verbarrikadierte Läden, Polizei in Alarmbereitschaft: Nach schweren Ausschreitungen im Sommer bereitet sich die US-Kleinstadt Ferguson auf mögliche neue Krawalle vor. Grund dafür ist die bevorstehende Entscheidung einer Geschworenenjury, ob ein weißer Polizist wegen tödlicher Schüsse auf einen unbewaffneten schwarzen Jugendlichen vor Gericht gestellt werden soll.

Drei Monate nach dem landesweit kontrovers debattierten Tod des 18-jährigen Afro-Amerikaners Michael Brown, der von dem weißen Polizisten Darren Wilson nach einem Streit mit mindestens sechs Kugeln erschossen wurde, ist in Ferguson die Atmosphäre zum Zerreißen gespannt.

Die Kleinstadt im US-Bundesstaat Missouri stellt sich auf schwere Unruhen ein. Für den Fall, dass eine vorgerichtliche Geschworenen-Jury nach wochenlanger Würdigung von Beweismitteln und Zeugenaussagen keine hinreichenden Gründe erkennt, um Wilson den Prozess zu machen.

Spezialtraining für Polizisten

Bereits kurz nach dem Zwischenfall am 9. August kam es in dem mehrheitlich von Afro-Amerikanern bewohnten Vorort von St. Louis zu Ausschreitungen zwischen Demonstranten, die in der Erschießung Browns einen rassistischen Willkür-Akt der Polizei sehen, und der Staatsmacht.

Dabei kamen Tränengas, Gummigeschosse, Blendgranaten und gepanzerte Fahrzeuge zum Einsatz, wie man sie aus Kriegsgebieten kennt. Es gab Plünderungen und Verletzte auf beiden Seiten. Die streckenweise an einen Bürgerkrieg erinnernden Szenen riefen Erinnerungen an die schweren Rassenunruhen der 60er wach.

Gouverneur Nixon hat vorbeugend den Notstand ausgerufen

Um eine Wiederholung zu vermeiden, hat Gouverneur Jay Nixon vorbeugend den Notstand ausgerufen und die Nationalgarde in Alarmbereitschaft versetzt. Also einen Teil der regulären Streitkräfte, die im Einsatzfall Bürgerrechte außer Kraft setzen können.

Der im Range eines Ministerpräsidenten tätige Nixon rief die Bevölkerung auf, im Falle einer als unliebsam empfundenen Entscheidung der mit neun Weißen und drei Afro-Amerikanern besetzten Jury Ruhe zu bewahren und das Demonstrationsrecht „nicht zu missbrauchen“. Er betonte, dass 1000 Polizisten ein Spezialtraining absolviert haben, um wirksamer auf Proteste reagieren zu können.

Polizei in Ferguson war völlig überfordert

Die lokale Polizei in Ferguson erwies sich im Sommer als völlig überfordert. Nicht nur ließ sie das Opfer stundenlang tot auf der Straße liegen und betrieb Geheimniskrämerei um den Todesschützen und die Umstände der Tat. Erst nach Tagen konnten die Wogen halbwegs geglättet werden.

Obwohl aus Kreisen der abgeschirmt tagenden Jury bisher keine Signale durchgesickert sind, befürchten Bürgerrechtsgruppen, dass der Tod Michael Browns ungesühnt bleiben könnte. Während einige Zeugen bekundeten, dass Brown sich mit erhobenen Händen ergeben habe, bevor die tödlichen Schüsse fielen, sagen andere, darunter auch Afroamerikaner, dass der 1,95 Meter große und 130 Kilo schwere Hüne erst versucht haben soll, dem Officer die Waffe zu entwenden. Später sei er auf Wilson zugestürmt. Sollte die Jury sich der zweiten Version anschließen und Wilson ein Notwehrrecht zuerkennen, „wäre ein Gerichtsverfahren so gut wie ausgeschlossen“, erklärten Rechtsexperten.

„Niemand weiß, was passiert“

Für Kaufleute wie Constance Garnett eine „beunruhigende Perspektive“. Sie betreibt an der West Florrisant Avenue, die im August im Zentrum der Auseinandersetzungen stand, einen Frisiersalon. „Wenn es zu Plünderungen kommt, dann wird uns das sehr viel Geld kosten“, sagte sie einem örtlichen Fernsehsender. Die junge Afro-Amerikanerin hat wie andere Geschäftsleute auch die Schaufenster mit dicken Sperrholz-Platten vernageln lassen. „Niemand weiß, was uns erwartet.“ In den sozialen Netzwerken häufen sich unterdessen Horror-Geschichten: von Schwarzen, die sich angeblich mit Munition eingedeckt haben sollen und notfalls Selbstjustiz verüben wollen. Oder von Waffenhändlern, die seit Tagen ausverkauft sind, weil sich verängstigte Bürger wehrhaft zeigen. „Ferguson ist am Rande des Wahnsinns“, bilanziert die Zeitung „St. Louis Post-Dispatch“.