Tschassiw Jar. Nach drei Jahren Krieg in der Ukraine entstehen tiefe Risse zwischen Gesellschaft und Militär. Soldaten berichtet von ihrer Lebensrealität.
Drei Jahre ist der Beginn des russischen Überfalls auf die Ukraine her. Der große Krieg, eine Tagesreise entfernt von Deutschland, geht bald ins vierte Jahr. Er hat die ukrainische Gesellschaft ausgelaugt. Ein rasches Ende ist nicht in Sicht, auch wenn es scheint, als könnten in diesem Jahr Verhandlungen über einen Waffenstillstand beginnen. Als die Invasion begann, standen die Menschen in der Ukraine zusammen.
Zehntausende meldeten sich freiwillig zum Dienst in der Armee. Die Unterstützung für die Streitkräfte war enorm. Es scheint aber, als klafften jetzt zunehmend Risse zwischen Gesellschaft und Militär auf. So empfinden es jedenfalls manche Soldaten, die noch immer an der Front kämpfen: „Ich denke, dass der Krieg irgendwann enden wird. Aber brauchen wir das jetzt? Ich glaube nicht“, sagt Stepan, ein Artillerist, der von Anfang an kämpft. Die Front rückt stetig weiter, doch für Stepan und viele andere Soldaten ist der Krieg zermürbend.
„Je länger der Krieg dauert, desto mehr wächst die Kluft zwischen Militär und Zivilisten“, erklärt Taras, der selbst als Veteranenbetreuer tätig war. Anfangs war die Gesellschaft geschlossen hinter ihren Streitkräften, doch jetzt, drei Jahre später, hat sich vieles verändert. Die Menschen in den westlichen Teilen der Ukraine haben sich an den Krieg gewöhnt, der Schrecken ist weit entfernt.
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Ukraine: Andrij ist Soldat und Großvater zugleich
Trotz der Erschöpfung bleibt der Widerstand an der Front. „Ein Alarm reißt uns aus dem Gespräch. Gleitbomben im Anflug. Die Männer bleiben ruhig. Sie sind daran gewöhnt“, berichtet Jan Jessen, der an die Front gereist ist. Nach der Explosion kehren die Soldaten zu ihrer Arbeit zurück – mit dem Ziel, die russischen Stellungen zu bekämpfen. Doch während an der Front gekämpft wird, läuft das Leben in Kiew weiter: Cafés sind voll, Menschen feiern. 700 Kilometer entfernt im Osten kämpfen Soldaten wie Andrij, der als Großvater von seinen Kameraden „Opa“ genannt wird.
„Zu Hause bin ich mit meiner Familie. Aber manchmal wache ich auf, weil ich glaube, einen Funkspruch gehört zu haben. Dann bin ich sofort bereit, loszulaufen“, sagt Andrij. Es ist der ständige Wechsel zwischen dem Leben als Familienvater und dem Leben als Soldat. Doch wie lange noch kann er weitermachen?
Der Krieg hat tiefe Spuren hinterlassen – sowohl in der Gesellschaft als auch in den Soldaten. Und die Frage bleibt: Wie wird dieser Krieg enden? Und vor allem: Wie lange noch?
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