Kleve. In Folge #18 des Podcasts „An der Theke“ ist Joas Paatsch zu Gast. Der Klever Student züchtet Insekten für die menschliche Ernährung.
Wir wagen in der aktuellen Folge unseres Podcasts „An der Theke“ ein kleines Experiment. Marcus, eigentlich Bierexperte, probiert einen Schokoriegel. Klingt nicht gerade mutig? Doch, zumindest nachdem er die Zutatenliste vorgelesen hat: „Datteln, Mandeln, dunkle Schokolade… und Heuschreckenmehl.“ Der Grund für seine Kostprobe ist natürlich unser Gast. Joas Paatsch studiert Lebensmittelwissenschaften an der Hochschule Rhein-Waal in Kleve und gründet gerade das Start-Up-Unternehmen „proteINsekt“. Dass er einmal diesen Weg einschlagen würde, hat sich in gewisser Weise schon in seiner Kindheit abgezeichnet…
„Meine Mama hat erzählt, dass ich als Drei- oder Vierjähriger Kellerasseln vor der Türe gesammelt habe, weil ich dachte, das seien Rosinen“, erzählt der 27-Jährige. Aber, das sei an dieser Stelle gesagt: Bitte nicht nachmachen, Insekten sollten nie roh gegessen werden! Bewusst hat Joas Krabbeltiere auch erst später gegessen, damals, als er mit seiner Familie neun Jahre lang in Kenia lebte: „Da haben wir Termiten während der Regenzeit gesammelt und angebraten mit etwas Salz. Das hat gut geschmeckt, etwas nussig und süßlich.“
Mehlwurm und Wanderheuschrecke als Lebensmittel in der EU zugelassen
Während seines Studiums beschäftigte sich Joas schließlich intensiver mit der Thematik. Vorteil zur rein vegetarischen oder veganen Ernährung sei es, „dass tierische Proteine vom Körper sehr gut verdaubar sind und darin viele ätherische Fette oder Fettsäuren enthalten sind, die auch im Gemüse eher in kleineren Mengen vorhanden sind.“ Gegenüber der herkömmlichen Fleischproduktion könnten Insekten mit einem geringeren Klimaabdruck produziert werden. Das spiegelt sich auch in den neusten Entwicklungen wider: 2021 wurden der Mehlwurm sowie die Wanderheuschrecke als neuartiges Lebensmittel in der EU zugelassen, die seitdem bei uns verkauft werden dürfen.
Irgendwann werde sicher noch die Grille zugelassen, vermutet Joas. Viel mehr Insektenarten werde es aber nicht auf dem europäischen Lebensmittelmarkt geben, denn: „Mehlwurm, Heuschrecke und Grille sind alle leicht in größeren Mengen zu produzieren.“ Da jedoch in Deutschland die Nachfrage nur langsam wächst, werden die meisten Insekten aktuell noch importiert. Vorreiter in Europa seien Frankreich und die Niederlande, weiß er, generell stehe Asien aber beim Export weiter ganz vorne. Diese Ausgangslage hat ihn auch zu folgendem Entschluss bewogen: „Was als Hobby angefangen hat, Mehlwürmerzüchten für den Eigenbedarf, soll mein Beruf werden.“
Insekten als Nahrungsmittel sind proteinreich und klimafreundlich
Denn, das schiebt Joas direkt noch hinterher: „Ich finde, wir Menschen können und dürfen mehr Insekten essen, weil die gut zubereitet werden können und nachhaltig in der Produktion sind.“ Er selbst züchtet aktuell in seiner Wohnung Mehlwürmer, möchte seine Arbeit aber bald, möglichst noch in diesem Jahr, ausweiten. „Besonders gut wachsen sie, wenn es schön warm ist, optimal sind 25 bis 26 Grad, und bei 40 Prozent Luftfeuchtigkeit“, erklärt er. Doch natürlich bleiben es Tiere, die am Ende getötet werden. Allerdings auf ganz andere Weise als Rind, Schwein & Co.: „Da Insekten wechselwarme Tiere sind, lassen sie sich runterkühlen und bei Minus acht bis Minus 14 Grad schlafen sie dann ein.“
Gut, um es also noch einmal zusammenzufassen: Insekten als menschliches Nahrungsmittel sind proteinreich, klimafreundlich und auch die Tötung erscheint weniger qualvoll als bei anderen Tieren. Doch eines lässt sich kaum abstreiten: Allein beim Gedanken, Mehlwürmer oder Heuschrecken zu essen, kommt bei dem ein oder anderen sicher ein gewisses Ekelgefühl auf. Das belegen auch diverse Studien, die zeigen, dass der Großteil der Deutschen keine Insekten probieren würde. „Das liegt stark an unserer Prägung“, sagt Joas. „Dadurch, dass unsere Eltern das nicht essen, dadurch, dass wir gesagt bekommen, Spinnen und Fliegen müssen raus aus dem Haus und sind ekelig.“
Mit Heuschrecken-Schokoriegeln in den Kindergarten?
Eine solche Prägung zu ändern, „das dauert bestimmt eine Generation oder noch länger“, glaubt Joas. Die Akzeptanz in der Gesellschaft zu steigern, daran möchte auch er selbst mit seinem Unternehmen mitwirken. „Zum Beispiel wäre der Kindergarten oder die Schule eine super Anlaufstelle, weil Kinder einfach neugieriger und experimentierfreudiger sind“, sagt er. Er kann sich aber auch vorstellen, Probehäppchen an einem Marktstand anzubieten. Wichtig nur: „Es muss lecker angerichtet sein.“ Wie hat Marcus denn nun eigentlich der Heuschrecken-Schokoriegel geschmeckt? Die überraschende Antwort darauf gibt’s nicht hier, sondern in der aktuellen Folge unseres Podcasts „An der Theke“.
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Im Podcast „An der Theke“ gibt’s normalerweise immer ein regionales Bier, doch in der aktuellen Folge stoßen Joas Paatsch, Marcus Lenzen und Sara Schurmann mit einem Kombucha an. Der fermentierte Tee enthält geringe Mengen Alkohol, soll aber besonders gesund sein.
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