Hattingen. . In der Hattinger Vogel-Pflegestation wurden seltene Gäste behandelt, wie ein Albino-Schwan. Die Vögel werden oft mit Luftgewehren angeschossen.
Der Eintrag in der Kladde mit der Aufschrift „Paasmühle“ liest sich nüchtern: „1.12.17 Reiher, beide Füße abgerissen, eingeschläfert“. Doch das sind Fälle, bei denen selbst Thorsten Kestner von der Pflegestation für Eulen, Greifvögel und Wasservögel Paasmühle „auch schon mal traurig“ wird. „Ich war geschockt, dass er noch lebte“, sagt Kestner und zeigt ein Foto von dem Reiher. Blickt man ihm nur ins Gesicht, verrät nichts sein Leid. Aber auf die Beine bietet sich ein furchtbarer Blick. „Eine Schlagfalle“, mutmaßt Kestner, verursachte wohl die Verstümmelung.
Nur die artgeschützten Tiere landen in diesem Aufnahmebuch. Sie müssen, so will es das Gesetz, vermerkt werden. Doch es gibt auch Gefiederte, die darin nicht auftauchen und doch in Pflege sind. Wie die Hausgans, die vor einigen Wochen erst zur Paasmühle kam und in deren Brust ein Dartpfeil steckte. Projektile, die mit einem Luftgewehr abgeschossen werden und in Vögeln stecken, kommen Kestner „jede Woche“ unter.
Unfälle mit Autos
1700 Vögel nimmt die Station alljährlich auf. Bussarde, Habichte, Turmfalken, Wanderfalken, Sperber, Uhus, Waldohreulen, Waldkäuze, Schleiereulen und Steinkäuze geben sich in der Paasmühle den Sitzast in die Fänge.
Seltener zu sehen ist hier hingegen der Wespenbussard. „Er frisst Drohnen (männliche Wespen). Da man die so nicht kaufen kann, haben wir Bienen hier.“ Mit Parasiten war er befallen. Greifvögel werden oft Opfer von Unfällen mit Autos, kommen mit einem Schädel-Hirn-Trauma an die Paasmühle. In geschickt gebauten Container-Netz-Volieren trainieren sie später wieder ihre Brustmuskulatur.
Storch wird nicht mehr fliegen können
Ein eher seltener Gast kam im November: eine Waldschnepfe. Ebenso sind Möwen die Ausnahme in der Paasmühle: Aber am 1. Januar kam eine mit einem Flügelabriss. Mit ihr lebt ein Storch. Weil ein Flügel steif ist, wird er nie wieder fliegen können, kann nicht zurück in die Freiheit – und zieht bald um in eine Storchenstation.
50 bis 60 Schwäne schwimmen in den Teichen der Paasmühle, sollen bei der Saisoneröffnung am Kemnader See dann wieder in die Freiheit entlassen werden. Ihre Leiden: Brüche, Pfeile im Hals – gern auch Blasrohrpfeile –, Zusammenstoß mit Leitungen. „Wenn Schwäne vom Baldeneysee losfliegen und bei der Birschel-Mühle auf der Ruhr landen wollen, kriegen sie schlecht die Kurve, geraten oft in die Stromleitungen. Da müssten mal rote Bälle dran. Das habe ich schon angemahnt.“
Kestner ist ein gefragter Experte
Warum sie nach ihrer Genesung nicht wegfliegen? „Der Startweg ist hier zu kurz“, sagt Kestner – dafür hat er gesorgt. Wer wohl noch ein wenig bleibt, ist der Albino-Schwan. Noch kann er sich nicht richtig gegen die anderen durchsetzen, ist ein Außenseiter. Mit ihm im Teich schwimmen auch die inzwischen großen Stockenten-Küken, die Ende Dezember an der Uni in Essen gefunden wurden – und dort keine Überlebenschance gehabt hätten.
Kestner übrigens ist gefragt als Experte: Nicht nur die Feuerwehrleute in Hattingen bildet er im Umgang und Fangen von Vögeln aus, sondern auch „die Tierpfleger aus dem Tierheim in Berlin, für das ich als Berater arbeite, kommen demnächst zu uns zur Schulung“.
Viele Operationen an den gefiederten Patienten, die der Tierarzt Rüdiger Wolf mit seinem Team macht, dokumentiert Kestner. Den Tieren sieht man später die Eingriffe oft nicht mehr an. Gespannt blickt Kestner 2019 entgegen: „Es gibt wohl ein neues Material, das sich abbaut. Das ist derzeit noch in der Erprobungsphase. Aber das wäre schon toll, denn derzeit müssen in einer zweiten OP die Metallteile alle wieder herausgeholt werden.“ Eingesetzt werden sie bei beispielsweise gebrochenen Flügeln. Denn die können die Tierschützer oft heilen – bei abgerissenen Beinen aber bleibt nur das Einschläfern.