Detmold/Bielefeld. Die Entführung einer Kurdin aus Detmold gibt der Polizei in Ostwestfalen Rätsel auf. Vier Geschwister der 18-Jährigen sitzen in Untersuchungshaft. Dass sie die Schwester in der Halloween-Nacht verschleppt haben, hat ein Bruder auch bereits gestanden. Von der jungen Frau fehlt dennoch jede Spur.
Wo steckt Arzu Ö.? Seit mehr als zwei Wochen versucht die Polizei fieberhaft, das Schicksal der 18-Jährigen aus Detmold aufzuklären - bislang ohne Erfolg. Seit die junge Kurdin in der Nacht zum 1. November entführt wurde, fehlt von ihr jede Spur. Früh zeichnete sich ab, dass Verwandte die 18-Jährige verschleppt haben. Es geht offenbar um gekränktes Ehrverständnis: Die Beziehung zum deutschen Freund werde "von der kurdischen Familie offensichtlich nicht toleriert", stellte die Polizei Bielefeld bereits am Tag nach der Entführung fest. Wohin Arzu Ö. gebracht wurde und was mit ihr geschehen ist - das wissen wohl nur die beteiligten Angehörigen.
Vier Brüder und eine Schwester der 18-Jährigen sitzen in Untersuchungshaft. "Einer der Brüder", berichtet Polizeisprecherin Sonja Rehmert im Gespräch mit DerWesten, "hat auch ein Teilgeständnis abgelegt." Er habe bestätigt, dass die Familie die junge Frau verschleppt habe. Ansonsten schweigen sich die Verdächtigen aus.
Ins Frauenhaus geflohen
Die Liebesbeziehung der 18-Jährigen zu einem jungen Deutschen hatte bereits in der Vergangenheit für Ärger in der Familie jesidischen Glaubens gesorgt. Die junge Kurdin sei bereits vor der Gewalt ihrer Familie ins Frauenhaus geflüchtet, berichtet die Polizei. In der Halloween-Nacht kam es schließlich zur Eskalation: Angehörige verschafften sich gegen 1.30 Uhr Zutritt zur Wohnung des Freundes, bedrohten die 18-Jährige mit einer Schusswaffe und zwangen sie so, mitzukommen. Den Freund schlugen sie mit einer Flasche, brachen dem jungen Mann so einen Finger.
Doch obwohl die vom Freund alarmierte Polizei seit der Nacht fieberhaft nach der Verschleppten sucht, verliert sich ihre Spur. Das Haus und Grundstück des Vaters wurden mit Suchhunden untersucht - ohne Ergebnis. Am Donnerstag, Freitag und Montag durchforsteten 200 Polizisten schließlich ein Waldgebiet in Blomberg-Dalborn. Dort soll einer der in U-Haft sitzenden Brüder in der Tatnacht gewesen sein. Doch auch die großangelegte Suchaktion bleibt ohne Ergebnis.
Ermittlungen "in alle Richtungen"
"Sie können sich sicher sein", sagt Sonja Rehmert, "es wird weiter mit Hochdruck ermittelt." Eine eigens eingerichtete Einsatzkommission nehme das familiäre Umfeld der 18-Jährigen weiter unter die Lupe, die Angehörigen werden weiter verhört. Mehr will die Polizeisprecherin aus ermittlungstaktischen Gründen nicht preisgeben. Es werde "in alle Richtungen ermittelt", so Rehmert. Dass die junge Kurdin ins Ausland gebracht wurde, womöglich schon tot ist - beides sei "nicht auszuschließen, aber genauso wahrscheinlich oder unwahrscheinlich wie andere Möglichkeiten".
Im Zusammenhang mit der Entführung ist für die Ermittler ein dunkelblauer VW Golf IV mit Kennzeichen LIP-HV 107 von Bedeutung. Das Auto der Familie sei etwa 24 Stunden nach der Tat sichergestellt worden. Jetzt sucht die Polizei Zeugen, die den Wagen in der Halloween-Nacht gesehen haben. Hinweise nimmt die Bielefelder Polizei unter 0521/545-0 entgegen.