Tucson. Schnell noch eine Nachricht ins Smartphone tippen, die Straße ist ja frei. So denken viele Autofahrer, bevor es kracht. Doch die Risiken sind gewaltig. Amerikanische Wissenschaftler haben nun erforscht, wie Fahrern die Handy-Nutzung abgewöhnt werden kann. Es ist einfacher als gedacht.

Einfachste Aufklärungskampagnen reichen aus, damit wesentlich weniger Menschen ein Handy am Steuer nutzen. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie der Universität von Arizona, die am Dienstag beim Jahreskongress der US-amerikanischen chirurgischen Fachgesellschaft "American College of Surgeons" vorgestellt wurde.

Ein Team um den Traumachirurgen Bellal Joseph entwarf eine Studie, mit der zum einen festgestellt werden sollte, wie weit verbreitet abgelenktes Fahren unter dem medizinischen Personal der Universität von Arizona war. Zum anderen sollte das Bewusstsein für die Risiken geschärft werden. Das Ergebnis: Die Zahl der Fahrer, die am Steuer etwa telefonierten oder texteten, reduzierte sich um die Hälfte.

So gefährlich wie 0,8 Promille im Blut

Zunächst observierten die Forscher die Ausfahrt des Angestelltenparkplatzes der Universität und zählten eine Woche lang, wie oft Pfleger und Ärzte abgelenkt wegfuhren. Es folgten eine Umfrage und eine Aufklärungskampagne. In der Umfrage gaben 35,5 Prozent der Befragten zu, sich beim Fahren ablenken zu lassen. 4,5 Prozent hatten gar schon einen Unfall deswegen.

Schließlich wurden die Teilnehmer darüber aufgeklärt, warum es gefährlich ist, am Steuer Geräte zu bedienen, die in der Hand gehalten werden müssen. So entspreche etwa die Nutzung eines Handys beim Fahren einem Blutalkoholspiegel von 0,8 Promille - gesetzlich würde man mit solch einem Pegel als fahruntüchtig gelten.

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Zudem koste das Schreiben einer SMS im Durchschnitt fünf Sekunden der Aufmerksamkeit, die eigentlich der Straße gelten sollte. Fahre man mit knapp 90 Stundenkilometern sei das, als ob man ungefähr über die Länge eines Fußball-Feldes mit verbundenen Augen rase.

Gleichzeitig hängten die Wissenschaftler Aufklärungsposter in der Cafeteria aus und verteilten Informationsbroschüren über abgelenktes Fahren. In einer zweiten Umfrage gaben 77 Prozent an, sich nun besser informiert zu fühlen, 91 Prozent befürworteten Gesetze gegen abgelenktes Fahren.

Ablenkung am Steuer sorgt in den USA für Hunderttausende Unfallopfer

Schließlich kehrten die Mediziner noch einmal zum Angestelltenparkplatz zurück und beobachteten das Fahrverhalten des Personals eine weitere Woche. Zudem wurde sechs Monate nach der Intervention eine dritte Umfrage erstellt. Insgesamt machten die Forscher somit mehr als 15.000 Beobachtungen vor der Studie sowie direkt danach und ein halbes Jahr später. Die Anzahl der Fahrer, die abgelenkt fuhren, ging nach diesen Daten um 50 Prozent zurück. Und: Der Effekt hielt auch noch ein halbes Jahr nach der Kampagne an.

Nach Auskunft der Wissenschaftler hat die Zahl der Unfälle, die auf eine Ablenkung des Fahrers zurückzuführen sind, in den USA einen Höchsttand erreicht. Sie zitieren eine Statistik der US-Bundesbehörde für Straßen- und Fahrzeugsicherheit NHTSA, der zufolge 2012 in den USA 421 000 Menschen bei Verkehrsunfällen verletzt wurden, bei denen ein Fahrer abgelenkt war, 3328 Menschen wurden deshalb getötet.

In Deutschland drohen 60 Euro Bußgeld - und ein Punkt in Flensburg

Die NHTSA schätzt, dass bei 80 Prozent aller Unfälle der Fahrer in den drei Sekunden vor dem Zusammenstoß unkonzentriert war. Daran ist nicht nur das Handy schuld: Schon einfache Aktivitäten wie ein Gespräch oder das Wechseln des Radiosenders könnten zu einem Unfall führen.

Handys im Wandel der Zeit

Motorola selbst nannte es
Motorola selbst nannte es "The Brick", zu deutsch: den Backstein. Fast ein Kilo wog das DynaTAC 8000X, das weltweit erste Handy. Gedacht war es als Spielzeug für reiche Leute, seine Nützlichkeit eher fragwürdig. Doch die Verkäufe übertrafen alle Erwartungen. © Motorola/dpa
1992 stellte Motorola das erste digitale Handy vor. Das International 3200 (l.) war immer noch wenig handlich. Im Vergleich dazu kam das Siemens SL45i von 2002 schon deutlich moderner daher.
1992 stellte Motorola das erste digitale Handy vor. Das International 3200 (l.) war immer noch wenig handlich. Im Vergleich dazu kam das Siemens SL45i von 2002 schon deutlich moderner daher. © dpa
Als Zielgruppe für Handys dachte man vor allem an Unternehmer, Ärzte und Immobilienmakler.
Als Zielgruppe für Handys dachte man vor allem an Unternehmer, Ärzte und Immobilienmakler. © dpa
Schnurlos telefonieren wurde aber schnell für Otto-Normal-Mensch interessant. Der Telefonhörer galt schon bald als nostalgisch.
Schnurlos telefonieren wurde aber schnell für Otto-Normal-Mensch interessant. Der Telefonhörer galt schon bald als nostalgisch. © dpa
Im Laufe der Jahre drängten immer mehr Hersteller auf den Handy-Markt - so wie Samsung mit seinem ''Millennium Multimedia Phone IMT-2000''.
Im Laufe der Jahre drängten immer mehr Hersteller auf den Handy-Markt - so wie Samsung mit seinem ''Millennium Multimedia Phone IMT-2000''. © dpa
Auch beim Design wurde man experimentierfreudig. Dieses Samsung-Exemplar erinnert zugeklappt an eine Puderdose. Sein Gewicht: nur noch 80 Gramm.
Auch beim Design wurde man experimentierfreudig. Dieses Samsung-Exemplar erinnert zugeklappt an eine Puderdose. Sein Gewicht: nur noch 80 Gramm. © dpa
Ende der 90er-Jahre löste der finnische Hersteller Nokia Motorola als Marktführer ab. Die verschiedenen Modelle blieben bis Mitte der 2000er-Jahre beliebt.
Ende der 90er-Jahre löste der finnische Hersteller Nokia Motorola als Marktführer ab. Die verschiedenen Modelle blieben bis Mitte der 2000er-Jahre beliebt. © dpa
Bereits 2003 präsentierte Bill Gates ein Smartphone: Das
Bereits 2003 präsentierte Bill Gates ein Smartphone: Das "SPV-E200" von Orange nutzte Windows-Smartphone-Software. Bis zum Durchbruch dieser Technik sollte es aber noch ein bisschen dauern. © dpa
Mehr als telefonieren konnte man auch mit dem
Mehr als telefonieren konnte man auch mit dem "Sharp GX30". Es war Deutschlands erstes Fotohandy und hatte eine Bildauflösung von einem Megapixel. © dpa
Das
Das "Siemens S65" hatte schon ein wenig mehr zu bieten: Eine Kamera mit - sage und schreibe - 1,3 Megapixel. © dpa
Manche Neuerungen konnten sich aber auch nicht durchsetzen. Die um 90 Grad drehbaren Bildschirme von Samsung blieben Schnickschnack.
Manche Neuerungen konnten sich aber auch nicht durchsetzen. Die um 90 Grad drehbaren Bildschirme von Samsung blieben Schnickschnack. © dpa
Top allerdings das
Top allerdings das "SCH-B600-Modell" mit 10-Megapixel-Kamera im Jahr 2006. © picture-alliance/ dpa
Motorolas Klapphandy
Motorolas Klapphandy "RAZR V3x" aus dem gleichen Jahr war mit UMTS ausgestattet. © REUTERS
Heute ist das Handy ein Massenprodukt. Das Foto zeigt Fabrikarbeiter von Motorola in Fort Worth, Texas.
Heute ist das Handy ein Massenprodukt. Das Foto zeigt Fabrikarbeiter von Motorola in Fort Worth, Texas. © dpa
Der Beginn der Smartphone-Ära: Apple-Gründer Steve Jobs stellt 2007 das erste iPhone vor.
Der Beginn der Smartphone-Ära: Apple-Gründer Steve Jobs stellt 2007 das erste iPhone vor. © dpa
Das iPhone mausert sich schon bald zum Statussymbol. Bezeichnend dafür ist auch der Werbeslogan
Das iPhone mausert sich schon bald zum Statussymbol. Bezeichnend dafür ist auch der Werbeslogan "Wenn du kein iPhone hast, hast du kein iPhone." © dpa
Die Eröffnung neuer iPhone-Stores wird zum Happening. Schon Stunden vorher campieren die Apple-Fans vor den Läden.
Die Eröffnung neuer iPhone-Stores wird zum Happening. Schon Stunden vorher campieren die Apple-Fans vor den Läden. © AFP
Erster! Sobald ein neues iPhone-Modell in den Verkauf kommt, heißt es für viele: Muss ich haben - sofort.
Erster! Sobald ein neues iPhone-Modell in den Verkauf kommt, heißt es für viele: Muss ich haben - sofort. © REUTERS
Die typische Körperhaltung des
Die typische Körperhaltung des "Homo smartphoniens". Ohne Handy geht heute kaum noch jemand vor die Tür. © dpa
Weit entfernt von der Backstein-Optik vor 30 Jahren: das Samsung-Smartphone
Weit entfernt von der Backstein-Optik vor 30 Jahren: das Samsung-Smartphone "Galaxy S5" gehört zu den neuesten Modellen, die der Handy-Markt zu bieten hat. © dpa
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In Europa gibt es keine Erhebungen dazu, wie viele Unfälle durch abgelenktes Fahren verursacht werden, allerdings registrierte allein die Polizei von Nordrhein-Westfalen im vergangenen Jahr 131 000 Verstöße gegen das Handy-Verbot am Steuer. In Deutschland droht Autofahrern, die mit Handy am Steuer erwischt werden, ein Bußgeld in Höhe von 60 Euro und ein Punkt in Flensburg, Fahrradfahrer müssen 25 Euro zahlen.

Technik gegen heimliche Tipper

"Es gibt keinen Zweifel, dass abgelenktes Fahren eine ernsthafte Gefahr ist und weltweit mehr und mehr zu einer der Haupttodesursachen wird", erklärt Joseph. Für ihn unterstreicht die Studie die Wichtigkeit von Aufklärung und strengeren Gesetzen. Die Mediziner wollen nun eine Kampagne unter dem Namen "DADD - Doctors against distracted drivers" (Ärzte gegen abgelenkte Fahrer) starten. Joseph betont: "Sonst wird es nicht besser."

Die US-Firma ComSonics entwickelt zudem gerade einen Detektor, der Funkfrequenzen eines Handys während einer Autofahrt anzeigen soll. Er soll nicht nur die Telefonierer aufliegen lassen, sondern auch die SMS-Schreiber, die das Handy während der Fahrt in den Schoß legen und unauffällig tippen. (dpa)