Köln.. Die “Lindenstraße“ ist ihrer Zeit voraus. Kein Scherz. Während jetzt noch spätsommerliche Lüftchen wehen, bereiten sich Mutter Beimer & Co. auf Weihnachten vor. Am Set auf dem WDR-Studiogelände in Köln-Bocklemünd steht “Frohes Fest“. Und die Bäume sind entlaubt.

Der Himmel blau, das Lüftchen lau. Köln-Bocklemünd im Spätsommer. Doch die Bäume zwischen den Altbau-Fassaden sind entlaubt, und über der Straße hängt eine fichtengrüne Girlande mit dem Schriftzug „Frohes Fest“. Die Szenerie befindet sich auf dem WDR-Studiogelände an der A 1. Gedreht werden neue Folgen der „Lindenstraße“. Die erste Soap des deutschen Fernsehens ist stets ihrer Zeit voraus.

„Wir drehen immer drei Monate im Voraus“, sagt Wolfram Lotze von Geißendörfer Film- und Fernsehproduktion. Auf der Tagesdispo stehen Aufnahmen für die Folgen 1508 bis 1512, während die Serie im Fernsehen zunächst ein rundes Jubiläum feiert. Am Sonntag, 28. September, 18.50 Uhr, zeigt das Erste Folge 1500.

Der Mann mit dem Käppi

Zur Feier des Tages kehrt ein beliebter Schurke in die „Lindenstraße“ zurück: Martin Armknecht feiert nach 22-jähriger Abstinenz sein Comeback als böser Bube Robert Engel. Armknecht schrieb TV-Geschichte, als er für den ersten schwulen Kuss im deutschen Fernsehen Morddrohungen erhielt.

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Hans W. Geißendörfer ist der Mann hinter der Serie, die seit 1985 vom Ersten ausgestrahlt wird. Der 73-Jährige entwickelte die Serie nach dem Vorbild des britischen TV-Monuments „Coronation Street“, als Drehbuchautor, Regisseur und inzwischen vor allem als Produzent im Auftrag des WDR.

Der gebürtige Augsburger mit dem unvermeidlichen Käppi und der Salamander-Brosche wollte von vorn herein eine Serie ohne absehbares Ende; doch dass die „Lindenstraße“ fast 30 Jahre nach ihrem Start immer noch im ARD-Hauptprogramm laufen würde, konnte er damals nicht absehen.

Zu Beginn lockte die Serie 14 Millionen Zuschauer

Natürlich sind die Zeiten vorbei, als die Beimers und ihre Mitbewohner 14 Millionen Zuschauer vor die Flimmerkiste lockten. In der Flachbildschirm-Ära sind es nur noch 2,5 Millionen. Doch Serien-Erfinder Geißendörfer verweist auf bis zu 500.000 Abrufe von Einzelfolgen in der ARD-Mediathek im Internet. Das Erste hält weiter in Treue fest zur vielfach ausgezeichneten Endlos-Geschichte. Das 30-jährige Jubiläum der „Lindenstraße“ im kommenden Jahr ist jedenfalls gesichert. Geißendörfer glaubt auch daran, dass sich die Zahl der Fernsehfans vergrößern ließe, wenn die ARD die „Lindenstraße“ am Sonntagabend als unmittelbaren „Tatort“-Vorlauf zeigte.

Geißendörfer weiß auch, dass der Erfolg von Soaps heutzutage vom Echo in Sozialen Netzwerken abhängt. Deshalb ist die „Lindenstraße“ bei Facebook (rund 166.000 Fans) und bei Twitter (9300 Follower) aktiv.

Die riesige Welt der "Lindenstraße"

Geißendörfer weiß aber auch, dass die Stärke der „Lindenstraße“ darin besteht, ein Drei-Generationen-Programm zu bieten – beim Ensemble wie bei den Themen. Dass die Serie als eines von ganz wenigen Unterhaltungsangeboten im deutschen Fernsehen, machte sie zur lebenden Legende.

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Kein Wunder, dass Geißendörfer & Co. einige Privilegien besitzen. Das fängt schon auf dem Studiogelände an. Die Welt der „Lindenstraße“ umfasst 150 Meter Außenfassaden und 2500 Quadratmeter Studiofläche – kein Wunder, bei 14 liebevoll individuell eingerichteten Wohnungen; Läden, Cafés und das Restaurant „Akropolis“ nicht gerechnet.

Die deutscheste aller Serien

Unterdessen sitzt „Akropolis“-Chef Hermes Hodolides, besser bekannt als Vasily Sarikakis, im sonnenbeschienenen Innenhof des Studios und wartet auf seinen nächsten Einsatz. Der 52-jährige Grieche ist ein Mann der ersten Stunde. Das Publikum, freut sich der Mann mit der melancholischen Stimme, habe ihn immer gemocht: „Dabei hatte ich am Anfang gar keine Lust, vor der Kamera zu stehen. Ich fand es absurd, mich zur Schau zu stellen, völlig unpassend. Es entsprach nicht meinem Charakter.“

Inzwischen hat er sein Schicksal gern angenommen. Mehr noch: Der bekennende Perfektionist spielt mit Leidenschaft. Die deutscheste aller Serien wurde für den ehemaligen Kunststudenten zur Lebensaufgabe. Für ihn, wie für die Marie-Luise Marjan (74) und Joachim Hermann Luger (70) als die Beimers, gilt die Studio-Deko doppelt: frohes Fest.