Stuttgart.. Ein starkes Thema, keine Frage. Munition vermüllt Schweizer Alpensee. Doch die Gefahr wird verharmlost. Da ereignet sich ein tödlicher Tauch-Unfall. Claudia Michelsen nimmt als Geologin den Kampf gegen Ignoranz und Geiz auf – allein gegen alle.
Die Idee, keine Frage, ist brillant. TV-Produzent Uli Aselmann lässt in seinem Alpen-Drama „Stärke 6“ (Mittwoch, ARD, 20.15 Uhr) keine Berg-Geschichte erzählen. Vielmehr geht’s in die Tiefe eines Sees, des Vierwaldstättersees.
Doch die Geschichte von Sabine Boss (Regie) und Claudia Kaufmann (Drehbuch) lebt nicht nur von beeindruckenden Unterwasser-Szenen, sondern einem Thema, das buchstäblich Zündstoff birgt: Die Schweizer Alpensees, so steht es im Abspann, dienen als Müllkippe für Munition. Die Geschichte lebt zudem vom Duell zweier Schauspieler: Gegen Claudia Michelsen (45) tritt Pasquale Aleardi (43) an.
Ihr Partner ertrinkt unter rätselhaften Umständen
Michelsen spielt die deutsche Geologin Maria. Sie soll in amtlichem Auftrag die Bebengefahr des Sees untersuchen. Gemeinsam mit ihrem – zeitgeistig: deutlich jüngeren – Partner Gian (Lorenz Nufer) will sie Job und Familienbesuch miteinander verbinden. Daraus wird nichts. Gian ertrinkt unter rätselhaften Umständen.
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Noch rätselhafter ist, dass ein Soldat namens Scherrer (Pasquale Aleardi) auf einem Boot in der Nähe einen handfesten Streit des Paares beobachtet haben will, und plötzlich sieht sich die Geologin einer Lawine an Verdächtigungen ausgesetzt. Ihr droht schließlich eine Anklage wegen Totschlags. Obendrein macht die Schwester des Opfers (Jessy Moravec) Maria Vorwürfe. Das ist die Ausgangslage: eine Forscherin allein gegen alle.
Der Film zieht die Schraube des Schreckens noch weiter an. Maria versucht durch Tauchgänge einerseits ihre Unschuld zu beweisen und andererseits die wirkliche Ursache des Unfalls zu ergründen. Sie findet Munition auf dem Seegrund, fotografiert sie, doch plötzlich verschwindet der Fotoapparat. Welche Rolle spielt das Militär?
Diese Frage wird allzu offensichtlich beantwortet. Das ist das leider typisch für den Film. Die Figuren tragen ihr Herz auf der Zunge. Das nimmt dem Film, der ein Thriller hätte sein können, viel Spannung und viel psychologische Subtilität.
Regisseurin Boss und ihre Drehbuch-Autorin konzentrieren sich darauf, für die Heldin ein Hindernis nach dem anderen zur Seite zu räumen. Die überdeutliche Erzählweise mit starken Kolportage-Elementen hat zur Folge, dass das Finale wenig überrascht. Dennoch lohnt der Film.
Als Taucherin ein Vollprofi, im Alltag fast hilflos
Und das hängt an der Besetzung. Die Michelsen lässt ihre Figur knallhart und zerbrechlich zugleich erscheinen: als Forscherin wie als Taucherin ein Vollprofi, im Alltag, unter der Last von Beschuldigung und Bedrohung, beinahe hilflos, mit zusammengepressten Lippen, hochgezogener Augenbraue und irrlichterndem Blick.
Für ihren Gegenpart Aleardi ist die Rolle eine Chance, sich vom Image des ewigen Latin-Lovers freizuschwimmen. Der gebürtige Schweizer mimt den kantigen Soldaten, der auf Befehl und Gehorsam sowie eine schlichte Welt von Gut und Böse gepolt ist.
Überhaupt lebt der Film davon, dass er Schauspieler zeigt, die das Publikum nicht schon zum Abwinken kennt. Am markantesten ist der bräsige Ortsbulle (Pierre Siegenthaler) mit Bernhardiner-Blick. Seine Ermittlungsergebnisse haben einen immer mithörbaren Grundton: Im Zweifelsfall sind die Fremden schuld. Und das ist in diesem Fall eine Deutsche.