Guéckadou. Drei afrikanische Staaten kämpfen gegen die Infektionskrankheit, die bereits 729 Menschen das Leben kostete. Die Pflege vor Ort ist mit hohen Risiken für Ärzte verbunden, gleichzeitig wächst die Skepsis in den Dörfern. Ein 100-Millionen-Dollar-Programm soll helfen, die Ausbreitung zu stoppen.

Das Grab ist bereits ausgehoben. Es ist ein kleines Grab, kaum mehr als einen Meter lang. Vier Männer in grünen Schutzanzügen mit Mundmasken und Gummihandschuhen legen ein in mehrere Plastiksäcke gepacktes Bündel in die Grube: Der Leichnam des vierjährigen Faya aus Guéckadou, einem Städtchen im Südosten Guineas.

Keiner der Verwandten Fayas ist gekommen, um von dem Jungen Abschied zu nehmen: Sie haben alle Angst. Faya ist der Ebola-Seuche zum Opfer gefallen, der gefährlichsten Infektionskrankheit der Welt. Sie tobt derzeit in Westafrika so verheerend wie bisher nirgendwo anders in der Welt – über 1300 Menschen wurden bereits angesteckt. Und 729 sind gestorben.

„Bis kurz vor seinem Tod war ich bei ihm“, sagt die guineische Krankenschwester Adele Millimouno die für die Organisation „Ärzte ohne Grenzen“ in der Ebola-Station von Guéckadou arbeitet, in einem Filmbericht der BBC: „Ich gab ihm Milch zu trinken und ging nur kurz hinaus. Als ich zurückkam, war er tot.“ Bisher hat mehr als jeder zweite Infizierte die Infektion mit dem Virus nicht überlebt. In Guéckadou, wo vor fünf Monaten der erste Ebola-Fall auftrat, wurden mehr als 150 Infizierte behandelt. 111 haben es nicht überlebt.

Pflege der Patienten ist mit erheblichen Risiken verbunden

Die Pflege der vor allem in der Endphase ihres Lebens hochgradig ansteckenden Patienten ist mit erheblichen Risiken verbunden. Krankenschwestern und Ärzte müssen sich in Schutzanzüge hüllen, die den gesamten Körper bedecken, sie tragen Motorradbrillen und Gummihandschuhe. Die Anzüge seien bei Temperaturen über 40 Grad höchstens eine Dreiviertelstunde lang auszuhalten, erzählt der Berliner Arzt Thomas Kratz, der für „Ärzte ohne Grenze“ in Sierra Leone tätig war: Nach 45 Minuten ist man völlig erschöpft und muss sich anschließend minutenlang mit einer Chlor-Lösung abspritzen lassen.

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Doch die ausländischen Helfer haben nicht nur gegen das mörderische Virus anzukämpfen. Genauso verheerend sind die Angst und die Missverständnisse der einheimischen Bevölkerung, die ein schnelles Ende der Seuche behindern. Nur wenige Kilometer von Guéckadou entfernt liegen Dörfer, die die Helfer nicht einmal betreten können: An ihren Zufahrtswegen stehen mit Schleudern bewaffnete Männer Schmiere, um Fremden den Zugang zu verwehren.

Unter den Dorfbewohnern grassiert die Auffassung, dass es ausgerechnet die Ausländer in ihren merkwürdigen Schutzanzügen sind, die die Menschen krank machen: Sie hätten es auf die Organe der Afrikaner abgesehen, glaubt die an Zauberei und schwarze Magie gewohnte Bevölkerung Westafrikas – manche vermuten sogar Kannibalismus in den Hospitälern. Hat die Krankheit nicht erst die schlimmsten Ausmaße angenommen, nachdem die Fremden ins Land gekommen waren?

Ausländische Ärzte sollen "böse Magier" sein

So wichtig wie medizinisches Pflegepersonal sind für die „Ärzte ohne Grenzen“ deshalb Anthropologen und Psychologen: Sie sollen die Dorfbewohner überzeugen, dass es für alle besser ist, wenn sie ihre erkrankten Familienangehörigen zur Aufnahme in eine Isolierstation melden und auf Traditionen wie die sorgfältige Waschung ihrer Toten verzichten.

Die Vorstellung, dass es die Europäer sind, die absichtlich Krankheiten einschleppen, um Afrikas Bevölkerung zu dezimieren, blühte bereits zu den Hochzeiten der Aids-Pandemie: Ein Zeichen des noch immer hochproblematischen Verhältnisses der Bevölkerung zu den einstigen Kolonialherren.

Es ist diese Skepsis, die den jüngsten Ausbruch der Seuche – neben der dichteren Besiedelung in den westafrikanischen Staaten – zum tödlichsten in der Geschichte macht. Fünf Monate nach dem ersten bekannt gewordenen Ebola-Fall ist die Epidemie noch immer außer Kontrolle: Sierra Leone hat jetzt den Notstand ausgerufen, Liberia seine Landesgrenzen und Schulen geschlossen, Fluglinien beginnen damit, ihre Flüge in das Katastrophengebiet zu stornieren.

Europa fürchtet Import der Seuche per Flugzeug

Die Präsidenten Liberias und Sierra Leone haben ihre Teilnahme beim historischen US-afrikanischen Gipfel Anfang nächster Woche in Washington abgesagt, während die WHO ein 100-Millionen-Dollar umfassendes Programm zur Bekämpfung der Seuche auf die Beine stellen will. Neben Guinea, Liberia und Sierra Leone hat die Epidemie jüngst mit Nigeria ihren vierten Staat erreicht: Weil der bislang einzige Ebola-Tote in Nigeria mit dem Flugzeug eingereist war, fürchten nun auch weit entfernt liegende Nationen wie Südafrika oder gar Großbritannien eine Ankunft des Virus in den eigenen Grenzen. Eine zwar theoretische Möglichkeit, die allerdings wegen der wesentlich besseren Gesundheitssysteme in der Ersten Welt nicht wirklich besorgniserregend sei, sagt Ebola-Kenner Kratz. Eine Ausbreitung der Seuche wie in Westafrika sei in Europa undenkbar: Ebola ist auch eine Armutskrankheit.

Außer Familienangehörigen, die mit den Ausscheidungen der auf schlimmste Weise verendenden Kranken in Berührung kommen, sind von der Infektionskrankheit vor allem Pflegekräfte gefährdet. Über 100 Krankenschwestern und Ärzte wurden in Westafrika bereits infiziert, wovon rund 60 starben, teilt die Weltgesundheitsorganisation WHO mit: Unter den Toten auch die beiden prominentesten Ebola-Ärzte Sierra Leones und Liberias, Sheik Umar Khan und Samuel Brisbane. Außerdem haben sich in Liberia zwei US-Mitarbeiter der Hilfsorganisation Samaritan’s Purse infiziert: Dem Arzt Ken Brantly und der Krankenschwester Nancy Writebol soll es jedoch schon wieder etwas besser gehen.

Mehr als die Hand zu halten kann man nicht tun

Es sind die Überlebenden einer Infektion, die Adele Millimouno nicht aufgeben lassen. „Wir haben schon 40 Menschen gerettet“, sagt die Krankenschwester im Gespräch mit der BBC: „Ich bin sehr stolz auf unsere Arbeit.“ Viel mehr als den Patienten Schmerztabletten zu geben und ihnen ab und zu die Hand zu halten, kann Millimouno allerdings nicht tun. Denn noch immer fehlt jedes Gegenmittel gegen das Virus – die lediglich alle paar Jahre in Afrika auftretende Krankheit macht die Forschungsarbeit für Pharmakonzerne nicht lohnenswert. „Ärzte ohne Grenzen“ rechnet nicht damit, dass die Epidemie noch in diesem Jahr beendet werden wird: Bis es endlich soweit ist, werden womöglich noch Hunderte von Menschen sterben.