Köln. . Schmerz-Patienten dürfen zuhause selbst Cannabis für den Eigengebrauch anbauen — wenn eine entsprechende Genehmigung vorliegt. Das hat das Verwaltungsgericht Köln am Dienstagmorgen entschieden. Fünf schwer kranke Männer hatten geklagt. In zwei Fällen wurde die Klage aber abgewiesen.

Klingt unspektakulär, was der Kölner Verwaltungsrichter mit leiser Stimme verliest, tatsächlich ist es eine kleine Sensation. Fünf Schwerkranke wollen Cannabis zur schmerzlindernden Therapie in der eigenen Wohnung anbauen. Sie haben gegen ein Behördenverbot geklagt. Drei von ihnen sind, überraschend und unerwartet, erfolgreich am Dienstag.

Das Gericht entscheidet nicht nur: Die zuständige Genehmigungsbehörde in Bonn muss ihre drei Fälle erneut prüfen. Sondern – und hier liegt die wahre Premiere – das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) muss die Eigenproduktion in diesen Einzelfällen erlauben. Es sieht erhebliche gesundheitliche Risiken beim Eigenanbau wie Über- oder Unterdosierung und schlecht kontrollierte Wirkstoffzusammensetzungen. Das Urteil könnte viele weitere Klagen nach sich ziehen.

Umstände des Hanfanbaus

Zwar bekommt das BfArM noch Spielräume in Einzelfragen. Es kann zusätzliche Sicherungsmaßnahmen in den Privatwohnungen verlangen oder bei den Umständen des Hanfanbaus Forderungen stellen. Aber die Behörde darf dabei keine gewaltigen, unzumutbaren Hürden aufbauen, stellt das Gericht klar.

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Also: Die Maßnahmen – etwa zur Einbruchsicherung – müssen in einem „vernünftigen Verhältnis zu der Gefahr stehen, die von Cannabis ausgeht“, erläutert der Vorsitzende Richter Andreas Fleischfresser. Und die seien nicht groß, verglichen zum Beispiel mit Chemikalien oder Waffen.

Die Kläger sind nicht gekommen. Die drei Erfolgreichen unter ihnen dürften aber wohl sehr erleichtert sein, auch wenn noch Berufung gegen das Urteil möglich ist – und auch wahrscheinlich. Die fünf Männer zwischen 34 und 61 Jahren leiden seit Langem unter Schmerzen. Zwei hatten einen Verkehrsunfall, zwei kämpfen mit Multipler Sklerose, einer hat die Aufmerksamkeitsstörung ADHS.

Nur die Droge hilft den Patienten

Die Kläger haben eine lange Therapie hinter sich, nichts hilft ihnen, nur Cannabis lindert ihre Beschwerden, wie ihre Ärzte bescheinigen. Sie wollen die illegale Droge im Gäste-WC oder in einem Abstellraum anbauen. Das geerntete Kraut rauchen sie oder verarbeiten es zu Butter und Keksen.

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Von Harald Ries

Auch für Lars Scheimann ist Cannabis seit Jahren das einzige Mittel, das seine Schmerzen verringert. Er hat die Urteilsverlesung im Saal verfolgt. „Ich bin glücklich, dass das Gericht jetzt einen Weg aufgezeigt hat. Ich habe einen Antrag auf Eigenanbau gestellt und mache mir jetzt natürlich Hoffnung“, sagt der 44-Jährige. „Mit Cannabis kann ich meine Firma leiten, ich habe wieder Lebensqualität, und es gab nie Nebenwirkungen.“

Für Eugen Brysch, Vorsitzender der Stiftung Patientenschutz, ist es eine gute Entscheidung. Aber trotzdem nicht der beste Weg. „Die Plantage daheim für jeden Schwerkranken kann nicht die Lösung sein“, sagt er. „Es kann jetzt nach dem Kölner Urteil auch jede Woche eine neue Klage geben.“ Brysch plädiert für „vernünftige“ Preise für Apotheken-Cannabis und eine Kostenübernahme durch die Krankenkassen. Derzeit werde die lindernde Therapie „mit der Preisgestaltung der Apotheken ad absurdum geführt“.

"Entkriminalisierung von Cannabis"

Zustimmung zu dem Urteil kommt von den Grünen oder den Piraten. „Eine Entkriminalisierung von Cannabis“ und „eine moderne Drogenpolitik ohne Repressionen“ fordern die NRW-Piraten.

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Richter Fleischfresser kritisiert die Politik. Dass die „Notlösung“ Cannabis-Anbau nun in drei Fällen ausnahmsweise erlaubt werde, habe mit einem Missstand zu tun: das Kostenproblem. „Das zu lösen, wäre für den Gesetzgeber eigentlich ein Leichtes.“ Die Krankenkassen könnten verpflichtet werden, für Cannabiskraut aus den Apotheken die Kosten zu übernehmen.

Fleischfresser moniert weiter: Das BfArM habe den Klägern den Kauf aus der Apotheke erlaubt und die schmerzlindernde Wirkung ausdrücklich anerkannt. Nur rund 270 Patienten bundesweit haben derzeit überhaupt eine solche Erlaubnis. Die Konsum-Genehmigung sei „aber de facto wertlos“, wenn das Medizinalkraut unerschwinglich für die Patienten bleibe, sagt der Kölner Richter. Ein Patient hatte von 800 bis 1000 Euro Kosten monatlich gesprochen. (dpa)