Giglio. Seit Januar 2012 müssen die Bewohner Giglios mit dem Wrack der “Costa Concordia“ vor ihrer Insel leben. Nun steht der letzte Akt der millionenschweren Bergung an: Das Aufschwimmen und der Abtransport des riesigen Kreuzfahrtkolosses - eine bislang einzigartige Aktion.

Zweieinhalb Jahre hat Sergio Ortelli auf diesen Moment gewartet. In Partystimmung ist der Bürgermeister der Mittelmeerinsel Giglio trotzdem nicht. "Wenn die Concordia definitiv von unserer Insel entfernt ist, werden wir nicht feiern", kündigte Ortelli vor dem geplanten Aufschwimmen der havarierten "Costa Concordia" am Montag und dem folgenden Abtransport des Schiffes an. "Weil das, was wir in diesen mehr als zwei Jahren erlebt haben, eine Tragödie ist und bleibt." Am 13. Januar 2012 hatte das Kreuzfahrtschiff vor der Insel einen Felsen gerammt und war leckgeschlagen. 32 Menschen starben.

Seitdem arbeiten Hunderte Experten an einer weltweit einzigartigen Bergungsaktion. Ihr Ziel ist es, den 114 500-Tonnen-Riesen möglichst umweltschonend, sicher und schnell abzutransportieren. Wenn das Wetter mitspielt, soll nun die finale Phase des Projekts beginnen. Mit 30 Schwimmkästen, die in den vergangenen Monaten an den Seiten des Schiffs angebracht wurden, soll der Koloss Auftrieb bekommen und wieder schwimmen. Das dauert mehrere Tage - der Abtransport ist für den 20. Juli geplant.

Etwa zwölf Meter wollen die Experten das Wrack anheben, danach hätte es noch einen Tiefgang von etwas mehr als 18 Metern und wäre für die letzte Reise zum Verschrotten nach Genua bereit. Bislang sind die Kästen noch mit Wasser gefüllt, das dann mit Druckluft herausgepresst wird, damit das Schiff den nötigen Auftrieb erhält. Gesteuert wird der komplexe Vorgang von Ingenieuren aus einem Kontrollraum, Hunderte Fachleute werden rund um die Uhr im Einsatz sein. Auch Italiens Umweltminister Gian Luca Galletti will die Aktion vor Ort verfolgen.

Das Wetter spielt beim Transport eine große Rolle

Etwa sechs Tage später soll das Aufschwimmen abgeschlossen sein und das Wrack in den Hafen der ligurischen Stadt geschleppt und dort verschrottet werden. Für die gut 350 Kilometer lange Strecke soll es mit einer Geschwindigkeit von zwei Knoten (rund 3,7 Stundenkilometer) etwa vier Tage brauchen. Medienberichten zufolge wird die "Costa Concordia" von vier Schleppern gezogen, zehn Schiffe begleiten den Transport.

Die Route wird demnach weiträumig abgeriegelt - bis auf drei Meilen soll sich niemand der "Costa Concordia" nähern. Besonders wichtig ist für den heiklen Transport das Wetter, da das stark beschädigte Wrack keine zu hohen Wellen aushalten kann. Die Route könnte daher kurzfristig geändert werden. Knapp zwei Jahre soll das Verschrotten des Schiffs dauern - Schätzungen zufolge soll dies noch einmal etwa 100 Millionen Euro kosten.

Sinkende Übernachtungszahlen nach dem Unglück

Die Bergung des 290 Meter langen Kreuzfahrtriesen ist ohnehin ein Mammutprojekt, mehr als 600 Millionen Euro verschlang die Aktion schon. Nach Angaben des Vorstandschefs der Reederei Costa Crociere, Michael Thamm, belaufen sich die Kosten für die Bergung und die Entschädigungen für die Passagiere auf insgesamt rund 1,5 Milliarden Euro. Bisher heikelster Punkt der Aktion war das Aufrichten des Schiffs im vergangenen September.

Für die Bewohner von Giglio ist es eine Erleichterung, dass der "Schandfleck" vor ihrer Küste nun verschwindet. Nach dem Drama musste die Insel sinkende Übernachtungszahlen verkraften. Nun verspricht wenigstens die Hauptsaison im August Besserung. Doch das Unglück vergessen, das kommt für die Menschen auf der Insel nicht infrage. Ortelli mahnt: "Das Abschleppen ist für uns ein Schritt nach vorne, aber wir sollten diese Tragödie in Erinnerung behalten". (dpa)