Rom.. In Italien reißen sich etliche Häfen um die millionenschwere Verschrottung des Kreuzfahrtschiffs, das vor der toskanischen Insel Giglio auf Grund gelaufen ist. Der Bürgermeister der Gemeinde jedoch möchte das Wrack lieber noch länger an Ort und Stelle behalten - als Magnet für die Katastrophen-Touristen.

Nur noch wenige Tage, dann beginnt vor der toskanischen Insel Giglio der Endspurt zur Hebung und zum Abtransport der „Costa Concordia“ – doch genau jetzt geht dem Bürgermeister alles viel zu schnell.

Mitte Juni, so haben ihm die Reederei Costa und der italienische Zivilschutz mitgeteilt, könnten die 19 restlichen Schwimm-Container am Wrack befestigt sein, dann kämen die Schlepper, und Giglio könnte befreit aufatmen. Beklagen sich die Insulaner denn nicht ohne Unterlass, das gestrandete Alptraumschiff versaue ihnen schon seit mehr als zwei Jahren den Tourismus, ihre einzige Wohlstandsquelle?

Costa ConcordiaNoch nie waren solche Menschenmassen auf der Insel

Umso mehr Verwunderung hat jetzt Bürgermeister Sergio Ortelli hervorgerufen. Er will das Wrack noch über die Sommersaison behalten. „Zugunsten eines ungestörten Tourismus”, sagt Ortelli. Waren die bisherigen Jammereien also nur Show? Geben die Gigliesi endlich zu, was die Betreiber der Fährschiffe schon seit jenem 13. Januar 2012 mit breitem Grinsen registrieren: dass noch nie solche Menschenmassen auf die Insel geströmt sind wie nach der spektakulären Havarie unter dem schönen Käpt’n Schettino?

In der Tat zieht die Costa Concordia seit dem ersten Tag unzählige Foto- und Tagestouristen an, Giglio aber – bis auf die Bars am Hafen – macht nicht viel Geschäft mit ihnen. „Die bringen ihre Picknickkörbe selber mit”, erzählt die frühere Tourismus-Chefin Samantha Brizzi. Die reichen, über Wochen bleibenden Hotel-, Villen- und Ferienhaus-Gäste sind dagegen um etwa ein Drittel zurückgegangen.

HavarieGefährliche Hebung

Zum anderen befürchten Bürgermeister Ortelli und manche Insulaner erhebliche Umweltschäden bei der Hebung des Wracks: Im Rumpf befinden sich noch 250000 Kubikmeter verseuchtes Wasser, und sollte das Schiff aufreißen, wären Granitklippen und Badebuchten fürs erste unbenutzbar.

Außerdem sollen unmittelbar nach Verschwinden des Wracks die Arbeiten zur Sanierung des Meeresbodens beginnen: Das gewaltige Stahlskelett und das Betonbett, auf denen das Alptraumschiff derzeit ruht, sollen restlos entfernt werden. Das ist eine Arbeit über Monate, die den Einsatz von Baggern und Kränen, den Lärm von Motoren und womöglich – auch wenn die Räumungsteams exakt das Gegenteil versprechen – auch Dreck mit sich bringt.

ProzessDie Oppsotion fordert: Weg mit dem Rost-Kahn

Und Giglio-Urlauber würden für solche Unbill nicht einmal mehr mit dem Blick auf ein imposantes Wrack entschädigt. So gesehen hat der Vorschlag Ortellis, die dreihundert Meter lange Costa Concordia erst nach Ende der Saison, im September, abzuschleppen, durchaus seine Rationalität – auch wenn ihn viele seiner Bürger nicht teilen: „Weg mit dem Rost-Kahn!“, verlangt die Gemeinde-Opposition: „So früh wie möglich!“

Hinter dem Streit um den Abschlepptermin stecken allerdings noch viel weiträumigere und stärkere Geschäftsinteressen als jene der kleinen Insel. Allein in Italien reißen sich vier Häfen darum, das Wrack verschrotten zu dürfen. Es geht um einen Auftrag von mindestens hundert Millionen Euro Umfang; er brächte Arbeit für locker zwei Jahre.

Viele bieten Verschrottung an

Die Region Toskana – „wir sind schließlich die Leid Tragenden und die geografisch Nächsten”, sagen ihre Politiker – sähe das Wrack gerne in Piombino. Dort, gegenüber von Elba, geht gerade die alte Stahlindustrie unter; jeder Arbeitsplatz wäre willkommen. Allerdings muss der Hafen Piombino für die Costa Concordia erst ausgebaut werden; das ist vor September nicht zu schaffen. Die Forderungen von Bürgermeister Ortelli und Regionalgouverneur Enrico Rossi, das Wrack so lange vor Giglio zu lassen, erklären sich zwanglos auch von daher.

Die Reederei Costa wiederum tendiert nach plausiblen Zeitungsberichten zur Verschrottung in ihrer eigenen Nähe; das wäre allerdings ein anderes „Bundesland“: Ligurien. Dort scheinen die Häfen bereit zu sein. Außerdem existiert immer noch die „globale“ Option: Auch Häfen in Großbritannien, Norwegen, der Türkei haben sich um die Costa Concordia beworben. „Ende Februar, Anfang März“, so hatte die Reederei zu Jahresbeginn mitgeteilt, werde das Auswahlverfahren abgeschlossen sein. Jetzt ist schon beinahe April. Und kein Land in Sicht.