Essen. Das Fernsehen, so scheint es, wird immer schneller. Es gibt aber auch einen gegenläufigen Trend. Norwegen, beispielsweise, feiert das „Slow-TV“. Dort wird die Langsamkeit entdeckt. Ein Lagerfeuer entwickelte sich dort zum Dauerbrenner. Und das gute Gründe.
Begonnen hat alles in Norwegen. Aber die Macher glauben, dass auch der Rest der Welt nicht immun ist gegen „Slow TV“ – Fernsehen, das auf Entschleunigung setzt und stundenlang Programm ausstrahlt, bei dem kaum etwas passiert.
Zur Premiere haben sie eine Bahnfahrt gezeigt beim staatlichen norwegischen Fernsehen NRK. Von Oslo nach Bergen, sieben Stunden am Stück. Klar, die ARD hat früher mal ähnliches gemacht, aber da fuhren die Züge mitten in der Nacht.
In Norwegen rattern sie zur besten Sendezeit über den Bildschirm. „Es ist Reality-TV im wahrsten Sinne des Wortes: etwas Authentisches, das ohne Bearbeitung in Echtzeit gezeigt wird“, sagt NRK-Programmdirektor Rune Moeklebust. Aber trotzdem spannend: „Man weiß ja nie, was hinter der nächsten Kurve kommt.“
24-stündige Geschichtsvorlesung im TV geplant
Noch erstaunlicher als das Programm ist die Einschaltquote. Mit 1,2 Millionen Zuschauern fuhr fast ein Viertel der norwegischen Bevölkerung am Bildschirm mit. Und als der Sender davon ermutigt gleich 134 Stunden lang zeigte, wie ein Schiff gemächlich die Küste entlangtuckerte, waren zeitweise sogar 3,2 Millionen Zuschauer dabei.
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„Wir bieten Entspannung und Authentizität“, versucht Moeklebust den Erfolg zu erklären. „Wenn die meisten Sender sich für das gleiche Programmformat entscheiden, ist es verlockend, in einer Nische gegen den Strom zu schwimmen“, assistiert der norwegische Soziologe Arve Hjelseth.
Deshalb hat NRK nachgelegt. Zwölf Stunden hat auf dem Bildschirm ein Lagerfeuer geprasselt, gleich 18 Stunden durften Zuschauer zusehen, wie Lachse einen Fluss hochschwammen. Auch einen kompletten Strickabend gab es schon zu sehen.
Geplant sind eine 24-stündige Übertragung einer Geschichtsvorlesung zum Jubiläum der norwegischen Verfassung sowie ein Film zum Thema Zeit. Nach der Herstellung einer Uhr soll er zeigen, wie die Minuten und Stunden vergehen.
"Wir müssen an die Grenzen gehen"
Was sonst noch kommt, ist derzeit offen. Moeklebusts Vorgabe aber ist eindeutig. „Wenn wir das Gefühl haben, dass die Idee so schräg ist, dass man fast Bauchweh kriegt, dann sind wir auf dem richtigen Weg. Wir müssen an die Grenzen gehen.“
Ob andere Länder da mitgehen, scheint fraglich: Die Schiffsfahrt wurde zwar auch an einen amerikanischen Fernsehsender verkauft, aber dort hat man die Grundidee offenbar nicht richtig verstanden. Jedenfalls hat man die 134 Stunden Filmmaterial gekürzt: auf 60 Minuten.