Abuja. . Vier Wochen nach der Massenentführung von 274 nigerianischen Schülerinnen durch die islamistische Terrorgruppe Boko Haram gibt es erstmals Hoffnung. Möglicherweise seien sie zu Verhandlungen bereit. Ein Video soll 130 der Mädchen in Ganzkörpergewändern zeigen.
Einen Monat nach der Massenentführung von 274 Schülerinnen in Nordnigeria hat die islamistische Terrorgruppe Boko Haram ihre Geiseln erstmals in einem Video gezeigt. Der Chef der Boko Haram, Abubakar Shekau, erklärte, viele der überwiegend christlich erzogenen Geiseln seien zum Islam konvertiert.
Der britische Sender BBC zeigte am Montag Ausschnitte aus dem knapp 30-minütigen Filmmaterial, in dem angeblich rund 130 der Mädchen zu sehen sind. Sie sitzen auf dem Boden, tragen typisch muslimische Gewänder (Hijab) und rezitieren Verse aus dem Koran.
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Auf dem Kurznachrichtendienst Twitter tauchen Fotos auf, die ganz unterschiedlichen Frauen zeigen. Junge wie alte. Ihnen gemeinsam ist nur das handgeschriebene Schild, das sie hochhalten: #Bring Back Our Girls. Bring unsere Mädchen zurück.
Zwischendrin sind auch vertraute Gesichter bekannter Persönlichkeiten zu erkennen – wie die US-Präsidentengattin Michelle Obama, die ausnahmsweise sogar die wöchentliche Rundfunkansprache ihres Mannes bestritten hat, um ihr Entsetzen über die Entführung der Schülerinnen auszudrücken. Schauspielerin Angelina Jolie, selbst der Papst haben sich in die beispiellose Kampagne eingeschaltet: „Lasst uns gemeinsam für die unverzügliche Freilassung der entführten Schülerinnen beten“, forderte Franziskus II. die vernetzte Menschheit auf.
Boko Haram will, dass alle Terroristen freigelassen werden
Schon tobt der Streit über die Aufmerksamkeit in den sozialen Netzwerken. „Nutzlose Übungen des Selbstwertgefühls“, so ein Fox-TV-Kommentator. Doch es gibt auch Befürworter: Vor wenigen Wochen noch hätte kaum ein Mensch gewusst, wer sich hinter Boko Haram verbirgt.
Und nicht nur das. Die Kampagne hat offensichtlich auch den Buhmann Goodluck Jonathan wach gerüttelt: Der nigerianische Präsident wird für die Untätigkeit seiner Regierung und die Unfähigkeit seiner Streitkräfte verantwortlich gemacht. Während sich Jonathan, nicht ganz grundlos, bislang stets dagegen wehrte, ausländische Militärs oder Berater in sein souveränes Land zu lassen, hat er in den vergangenen Tagen eine Kehrtwende vollzogen. Er sei sich angesichts des weltweiten Aufschreis sicher, dass die nach vier Wochen noch immer vermissten Mädchen bald befreit würden, ließ der Staatschef wissen: Die Hilfsangebote ausländischer Regierungen habe ihn zuversichtlich gemacht, „dass wir bald erfolgreich sein werden“.
Boko Haram machte am Montag deutlich, dass sie wegen der entführten Mädchen möglicherweise zu Verhandlungen mit der Regierung in Abuja bereit ist. Terroristenführer Shekau sagte, die Jugendlichen im Alter zwischen 15 und 18 Jahren würden freigelassen, wenn die Behörden alle inhaftierten Boko-Haram-Mitglieder aus dem Gefängnis entlassen. Eine Reaktion von Präsident Goodluck Jonathan gab es zunächst nicht.
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Die Mädchen waren Mitte April aus einer Schule in dem Ort Chibok im Bundesstaat Borno verschleppt worden. Seither fehlt von ihnen jede Spur. In einem ersten Bekennervideo hatte Shekau in der vergangenen Woche erklärt, er werde die Geiseln als Sklavinnen verkaufen. Daraufhin hatten die USA, Großbritannien, Frankreich und am Wochenende auch Israel ihre Hilfe bei der Suche nach den Vermissten angeboten.
Schulverbot und Zwangsehen mit Terroristen
Boko Haram will in Borno einen Staat nach islamischem Recht durchsetzen und lehnt Schulen ab. Allein in diesem Jahr sollen mehr als 1500 Menschen der Gewalt der Aufständischen zum Opfer gefallen sein. Menschenrechtsorganisationen gehen davon aus, dass die Mädchen mit islamistischen Extremisten zwangsverheiratet werden sollen. Eltern erzählen, diese würden für Hochzeiten mit Terroristen für 2000 Naira (rund neun Euro) verkauft.
Angesichts der weltweiten Empörungswelle meldeten sich in den vergangenen Tagen zahlreiche islamische Autoritäten zu Wort, um sich von der immer brutal auftretenden Sekte zu distanzieren: Darunter die angesehene ägyptische Al Azhar Moschee und der saudi-arabische Großmufti Scheich Abdulaziz Al al-Scheich. Dieser warf der Sekte vor, das „Ansehen des Islam durch den Schmutz zu ziehen“. Westliche Terror-Experten wollen wissen, dass selbst das Terror-Netzwerk al-Kaida über die jüngste Gewaltserie des nigerianischen Verbündeten unglücklich sei: Boko Haram habe den Bogen überspannt und würde auch noch die letzten Sympathien der muslimischen Weltbevölkerung für den Heiligen Krieg gefährden, soll aus dem Kreis der Dschihadisten verlauten.