Düsseldorf. In Arztpraxen, bei Apotheken, Ernährungsberatern oder in Fitness-Studios werden Lifestyle-Gentests angeboten, die beim Abnehmen oder Training helfen sollen. Nutzen sie tatsächlich? Wissenschaftler vermuten zwar, dass Schlanksein mit Veranlagung zu tun hat. Doch noch ist vieles unerforscht.

„Ich wäre froh, wenn ich etwas abnehmen könnte“ – das geben rund 5,41 Millionen Deutsche laut einer aktuellen Verbrauchs- und Medienanalyse (VuMA 2014) unumwunden zu. Doch ist der Weg zum schlankeren Ich für jeden Menschen der gleiche? Oder eröffnet die Erforschung bestimmter Gene individuelle Möglichkeiten? Wissenschaftler, Fitness- und Ernährungsexperten geben einen Überblick über den Stand der Dinge.

Spielen die Gene beim Zu- oder Abnehmen eine Rolle?

„Ja“, sagt Professor Michael Roden, Leiter des Deutschen Diabetes-Zentrums (DDZ) und Direktor der Universitäts-Klinik für Diabetologie und Endokrinologie in Düsseldorf. „Bestimmte Gene haben eine wichtige Funktion, wenn es darum geht, wie Menschen auf Sport und Ernährung ansprechen.“ Dabei spielten allerdings weder die Qualität oder die Art der Ernährung eine Rolle: „Genetische Varianten können es leichter oder schwerer machen, abzunehmen.“ Das zeigen laut Roden schon Beobachtungen am Kantinentisch: Während der eine den Teller füllt und dennoch schlank wie eine Tanne bleibt, legt sich der andere blitzschnell mehr „Hüftgold“ zu.

Kann man mit Hilfe von Gentests schlank werden?

„Wir wissen noch zu wenig über die Zusammenhänge zwischen Veranlagung, Ernährung und Lebensstil, um eine genaue Aussage darüber treffen zu können, welche Gene echte Effekte auf den Stoffwechsel haben“, erklärt Diabetes-Experte Roden. „Spontan würde ich daher sagen: Schlank wird mit Hilfe solcher Tests nur der Geldbeutel – es braucht noch mehr Zeit, um fundierte Analysen zu entwickeln.“

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Es sei zwar ein wichtiges Ziel der Diabetesforschung, die genetischen Informationen auszunutzen, um daraus Ernährungsempfehlungen abzuleiten und Stoffwechselerkrankungen zu verhindern. Doch die hierfür notwendigen großen Studien mit rund 100.000 Teilnehmern stünden noch aus.

Wie funktionieren solche Tests?

Sogenannte Lifestyle-Gentests werden von mehreren Anbietern in Arztpraxen, bei Apotheken, Ernährungsberatern oder in Fitness-Studios offeriert. Mit Hilfe eines Wattestäbchens wird eine Speichelprobe in der Wange entnommen und in ein Labor geschickt. „Wir analysieren die Gene, deren Wirkung durch angepasste Ernährung und Bewegung positiv beeinflusst werden können“, sagt Biologe Hossein Askari, Geschäftsführer der Kölner CoGAP GmbH (Center of Genetic Analysis and Prognosis), die eine Analyse der Erbinformation anbietet.

Askaris Credo lautet: Im Laufe der Evolution habe sich der Mensch immer wieder an neue Lebensbedingungen angepasst. Dabei entwickelten sich verschiedene genetische Metabolismus- bzw. Stoffwechsel-Typen. Askari: „Diese haben wir als Meta-Typen definiert.“ Jeder Typ bekomme über einen Berater passende Trainings- und Ernährungsempfehlungen.

Sind sie seriös?

„Ich halte die Gentests für Lifestyle-Produkte, mit denen man nicht viel anfangen kann“, meint Dennis Höp­ner, seit 13 Jahren Fitness- und Personal-Trainer sowie Ernährungsberater und selbstständig im eigenen Studio in Neuss. Man zahle bis zu 300 Euro dafür, um zum Beispiel zu erfahren, dass man Kohlenhydrate schlecht verstoffwechsele und mehr Eiweiße oder ungesättigte Fettsäuren zu sich nehmen solle. Hinzu komme, dass man entweder eher der Ausdauer-Sportler oder aber der Sprinter sei, der kurz und schnell trainieren solle.

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Höpner: „Mit diesen Informationen wird man allein gelassen oder bekommt Rezepte, nach denen im Alltag dann doch nicht gekocht wird.“ Hossein Askari von CoGAP pocht indes auf positive Rückmeldungen aus seinem Beraternetzwerk und eine Vergleichsstudie der Deutschen Sporthochschule Köln: Diese zeige, dass Probanden, die ihre Ernährung an das Testergebnis anpassten, ihren Body Mass-Index (Maßzahl für die Bewertung des Körpergewichts) um durchschnittlich 2,33 Punkte im Vergleich zur Kontrollgruppe verringern konnten. Allerdings nahmen nur 107 Personen an dem Vergleich teil.

Woher bekomme ich Empfehlungen für die passende Ernährung?

„Ich rate zu einer ausführlichen Ernährungsberatung, bei der auch die Lebensumstände und die Lebensgeschichte einer Person in den Blick genommen werden“, sagt Prof. Roden vom Deutschen Diabetes-Zentrum. „Es sollte auch darum gehen, was derjenige verträgt und was nicht.“ Abnehmen könne jeder, der weniger Kalorien zu sich nehme – so lautet seine Botschaft. „Auch wenn sich derjenige, der keine günstige genetische Veranlagung dazu hat, mehr anstrengen muss.“ Das unterstreichen auch Dagmar Lagac, Diätassistentin im Verbund Katholischer Kliniken (VKKD) Düsseldorf und Fitness-Experte Dennis Höp­ner: „Der menschliche Körper funktioniert simpel, im Grunde nicht anders als zur Steinzeit.“ Ein aktueller Trend lautet daher „Paleo“ – Steinzeiternährung: Dabei nimmt man wie unsere Vorfahren Nahrungsmittel wie Fleisch (vom Wild), Fisch, Meeresfrüchte, Schalentiere, Eier, Obst, Gemüse sowie Kräuter, Pilze, Nüsse, Esskastanien und Honig zu sich. Milch und Brot werden vom Speiseplan gestrichen.

Gibt es typgerechtes Training?

Die meisten Studien weisen laut dem Diabetes-Spezialisten Michael Roden nach, dass Kraft- und Ausdauertraining idealerweise miteinander verbunden werden sollten. „Die richtige Sportart und vor allem die Leistungsfähigkeit des Einzelnen findet der Kardiologe bei einer Diagnose mithilfe des Ergometers heraus.“ So könne der jeweilige Gesundheitszustand und das Risiko erfasst werden – damit jeder anschließend beruhigt und nach seinen Möglichkeiten loslaufen, -schwimmen oder –radeln könne. Eine Dosis, die sich mit der Zeit immer noch steigern lässt.