Pretoria. . In dem Gerichtsprozess um seine erschossene Freundin ist der beinamputierte Star-Athlet Oscar Pistorius erstmals selbst zu Wort gekommen. Er denke täglich an die Familie seiner erschossenen Freundin, sagte ein sichtlich gezeichneter Angeklagter.

Kreidebleich, die Augen gesenkt, mit einem kaum merklichen Hinken begibt sich Oscar Pistorius zum Zeugenstand. Es ist 12.07 Uhr am Montagmittag im Gerichtssaal GD in Pretorias Landgericht: In dem holzgetäfelten Raum mit seinen rund 150 Zuschauern und 30 Akteuren könnte man eine Feder fallen hören. Zum ersten Mal wird der 27-jährige Angeklagte selber zu Wort kommen: Bisher hat man den beianamputierten Ausnahmesportler zwar weinen, schluchzen oder sich übergeben hören – laut gesprochen hat er bisher nicht.

Klar vernehmbar sind allerdings auch die ersten Sätze nicht, die über die schmalen Lippen des in Trauer gekleideten Angeklagten – schwarzer Anzug, weißes Hemd, schwarze Krawatte – kommen: Nach seiner Vereidigung gibt er mit gebrochener Stimme eine persönliche Erklärung ab. „Ich möchte mich entschuldigen“, sagte Pistorius, immer wieder vom Weinen unterbrochen: Die ersten Personen, an die er morgens beim Aufwachen denke und die er in seine Gebeten einschließe, sei die Familie seiner geliebten Freundin.

Pistorius nimmt Depressiva

Dann hat Pistorius’ Verteidiger Barry Roux das Wort, der ausnahmsweise einmal nicht gnadenlos und scharfzüngig die Aussagen eines Zeugen der Anklage zerlegt: Vielmehr redet der grauhaarige Verteidiger wie ein gütiger Vater auf seinen Mandanten ein, fragt ihn zunächst mit sanfter Stimme, ob er unter Medikamenten stehe.

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Er nehme seit einem Jahr Antidepressiva ein, erzählt Pistorius mit noch immer tränenreicher Stimme: Auch Schlaftabletten seien ihm vom Arzt verschrieben worden, weil er kaum eine Nacht verbringe, in der er nicht von Angstzuständen gepeinigt und mit dem Geruch von Blut in der Nase erwache. Er sei „ängstlich”, werde regelmäßig von „Terrorzuständen“ geplagt und rufe oft mitten in der Nacht seine Schwester an, um von ihr Trost zugesprochen zu bekommen. Immer wieder greift Pistorius zu seinem weißen Taschentuch, um sich Tränen aus den Augen zu wischen. Gelungene Vorführung eines Mörders, der seine Tat als tragischen Unfall erscheinen lassen will? Oder echte Pein eines verhängnisvoll verstrickten Liebhabers?

Bisher hatten Zeugen die schießwütige Seite betont

Roux gibt seinem Mandanten die Chance, sich erstmals von seiner sanften Seite zu zeigen – bisher hatten die Zeugen der Anklage die schießwütige Rowdy-Seite von Pistorius betont. Mit melancholisch-monotoner Stimme redet der Angeklagte von seiner Missbildung (er wurde ohne Wadenbeine geboren), seiner Kindheit und seiner Liebe zur Mutter, die überraschend starb, als Oscar gerade 15 Jahre alt war. Später wird Pistorius auch von seinen zahllosen Erfahrungen mit der allgegenwärtigen Kriminalität in seiner Heimat reden: Das soll erklären, warum er im Terror zur Waffe griff, als er vermutete, dass ein Einbrecher durchs Fenster in seine Toilette eingestiegen sei. In Wahrheit befand sich Reeva hinter der Toilettentür.

„Wie fühlen Sie sich? Haben Sie heute Nacht geschlafen?”, fragt Roux schließlich seinen Mandaten, bevor er die Vertagung des Verfahrens bis zum nächsten Tag beantragt. „Nein”, antwortet Pistorius, „ich habe nur geweint.“

Ab morgen kommt die Stunde des Staatsanwalts Gerrie Nel. Der bekannteste Ankläger Südafrikas hat bereits Jackie Selebi, den Polizeichef des Landes, wegen Korruption hinter Gitter gebracht und auch bereits ein erstes Kräftemessen mit Verteidiger Barry Roux für sich entschieden. Vor 15 Jahren erwirkte er ein lebenslängliches Urteil für einen von Roux verteidigten Zahnarzt, Auftraggeber für den Mord an seine Frau.