Berlin. . Auch wenn ihre Angebote nicht selten verlockend klingen: Berufsgenossenschaften bieten einen Versicherungsschutz nur bei Arbeitsunfällen. Normale Krankheiten und Beinbrüche in der Freizeit interessieren sie dagegen nicht. Ein Durchgangsarzt klärt in vielen Fällen die genauen Umstände.

Der Brief enthielt ein Angebot, das man kaum ausschlagen konnte. Die Versicherung für den Fall der Arbeitsunfähigkeit sollte nur 150 Euro pro Jahr kosten. Beim schnellen Lesen ließ sich das Schreiben so verstehen: Wäre der Selbstständige durch Krankheit nicht mehr in der Lage, für seinen Lebensunterhalt selbst zu sorgen, würde die Unfallversicherung der Berufsgenossenschaft einspringen – mit immerhin rund 2.000 Euro monatlich.

Wer jedoch richtig einschätzen will, um was es geht, muss sich mit dem System der Berufsgenossenschaften auskennen. Diese sind ein Bestandteil der Sozialversicherung Bismarck’schen Ursprungs aus dem 19. Jahrhundert. Ihren Zweck erklärt Daniela Dalhoff, die Sprecherin der Verwaltungsberufsgenossenschaft in Hamburg: „Wir nehmen den Unternehmen die Haftung ab, die aus Arbeitsunfällen, berufsbedingter Krankheit und Arbeitsunfähigkeit der Beschäftigten resultiert.“ Letztere brauchen keine Beiträge zu bezahlen. Diese übernehmen die Arbeitgeber.

Unternehmen mit Beschäftigten müssen Beiträge zahlen

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Geregelt ist das alles im siebten Teil des Sozialgesetzbuches. Ebenso wie Unternehmen müssen sich auch Handwerker und Selbstständige bei den Berufsgenossenschaften anmelden, die auf unterschiedliche Branchen spezialisiert sind. Zur Beitragszahlung sind sie allerdings nur verpflichtet, wenn sie Personal beschäftigen. Selbstständige Einzelunternehmer, beispielsweise Grafiker, Medienleute, Fahrradkuriere oder Gärtner können sich freiwillig gegen Arbeitsunfälle versichern.

Auf bestimmte Fälle beschränkt

Beachten sollte man dabei dies: Die Versicherung ist auf bestimmte, recht eng begrenzte Fälle beschränkt. Eine Mutter, die bei der wochenendlichen Fahrradtour mit den Kindern einen komplizierten Beinbruch erleidet und monatelang nicht ins Büro gehen kann, hat keinen Anspruch auf Leistungen der Berufsgenossenschaft. Ebenso wenig der passionierte Bergkletterer, der aus der Steilwand abstürzt und erst nach anderthalbjähriger Rehabilitation seinen Beruf als Lehrer wieder aufnehmen kann. Auch wer durch Freizeitunfälle oder normale Krankheiten arbeitsunfähig wird, braucht auf eine Rente der Berufsgenossenschaft nicht zu hoffen.

Die auf den ersten Blick so günstige Versicherung der Berufsgenossenschaft springt wirklich nur dann ein, wenn es um Unfälle, gesundheitliche Einschränkungen und Erwerbsminderungen geht, die im Zusammenhang mit der Arbeit stehen. Typische Beispiele sind der Weg von der Privatwohnung in die Firma oder Verletzungen, die man sich direkt am Arbeitsplatz zuzieht.

Zuerst den Durchgangsarzt aufsuchen

„In solchen Fällen sollte man als erstes einen Durchgangsarzt aufsuchen“, sagt Andrea Fabris, die als Juristin bei der Unabhängigen Patientenberatung Deutschland arbeitet. Sogenannte Durchgangsärzte, oft Chirurgen oder Orthopäden, arbeiten mit den Berufsgenossenschaften zusammen. Die Mediziner stellen die Diagnose, überweisen die Patienten gegebenenfalls an andere Ärzte und informieren die zuständige Berufsgenossenschaft.

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Hat diese Zweifel, ob es sich tatsächlich um einen Arbeitsunfall handelt, kann sie den Antrag auf Kostenübernahme für die Behandlung, die Rehabilitation und das Krankengeld ablehnen. Dagegen können die Patienten Widerspruch bei ihrer Genossenschaft einlegen. Deren Widerspruchsausschuss entscheidet dann. Wird die Eingabe zurückgewiesen, bleibt nur der Gang zum Sozialgericht, am besten unterstützt von einem Fachanwalt für Sozialrecht.

Zum Streit kommt es nicht selten darüber, ob Folgekrankheiten auf den ursprünglichen Arbeitsunfall zurückzuführen sind. Ziemlich zurückhaltend sind die Berufsgenossenschaften oft auch, wenn die betroffenen Arbeitnehmer teilweise oder überhaupt nicht mehr arbeiten können und eine Rente beanspruchen.

Hier gibt es im Ernstfall Unterstützung

Eine den Gerichten vorgelagerte, neutrale Schlichtungsinstanz für Streitfälle, wie sie für andere Versicherungsarten existiert, gibt es im Falle der genossenschaftlichen Unfallversicherung nicht. Beratung und Rechtsbeistand für ihre Mitglieder bietet beispielsweise die Gewerkschaft Verdi.
Eine gewisse Unterstützung für betroffene Arbeitnehmer und Selbstständige gibt es auch bei der Unabhängigen Patientenberatung Deutschland (UPD), obwohl diese eigentlich für die gesetzliche Krankenversicherung, nicht aber für die Berufsgenossenschaften zuständig ist. In NRW arbeiten die Berater in Bielefeld, Dortmund und Köln. Bundesweite Hotline: 0800 0 11 77 22. Informationen: www.unabhaengige-patientenberatung.de