London. . Nach dem spektakulären Fund von Knochen von Richard III. in Leicester ist in England ein Streit um die letzte Ruhestätte für den im 15. Jahrhundert gestorbenen König entbrannt. Was bizarr klingt, hat einen ernsten Hintergrund - schließlich dürfte das Grab zum Touristenmagneten werden.

Wo soll er beerdigt werden? Vor dem High Court in London entbrennt zurzeit ein bizarrer Kampf um die sterblichen Überreste von Richard III., genauer gesagt: um das Recht, welche Stadt – Leicester oder York – die Ehre haben wird, den letzten englischen Plantagenet-König zu Grabe zu legen. So bizarr der Kampf um die königlichen Knochen anmuten mag, so ernst ist es den Kombattanten, hängt doch viel am Ausgang des Verfahrens. Vor allem Geld, denn die letzte Ruhestätte von Richard III. wird zweifelsohne zum Touristenmagnet werden.

Im Februar letzten Jahres hatte ein Team von Archäologen der Universität von Leicester der Welt verkündet: Man habe zweifelsfrei ein Skelett, das unter einem Parkplatz in der Innenstadt gefunden wurde, als die sterblichen Überreste von Richard III. identifiziert, dem letzten König aus dem Hause Plantagenet. Die letzte Ruhestätte von Richard III. war ursprünglich eine Kapelle in einem Franziskaner-Kloster gewesen, aber nachdem das Kloster im 16. Jahrhundert aufgelöst wurde, wurde der Standort in der Innenstadt überbaut.

Leicester baute ein Besucherzentrum

Es war eine Sensation: ein König unterm Parkplatz. Die Stadt Leicester baute umgehend ein Besucherzentrum. Die Kathedrale von Leicester wurde bestimmt als der Ort, in dem die königlichen Gebeine wieder beigesetzt werden sollten. Doch dann meldete sich die „Platagenet Alliance“ zu Wort. Die Gruppe von 15 entfernten Nachfahren von Richard III. verlangte, dass der König nicht in Leicester, sondern in York, seinem alten Sitz, beigesetzt werden soll. Jetzt muss der Londoner High Court darüber entscheiden, wer den Zuschlag bekommt.

Der Streit wird nicht zuletzt deswegen so erbittert geführt, weil es sich bei Richard III. nicht um einen unbedeutenden König, sondern um den wohl umstrittensten Herrscher handelt, den die britische Monarchie gesehen hat. „Ein Pferd, ein Pferd! Ein Königreich für ein Pferd!“ dürfte wohl der Ausspruch sein, für den Richard, William Shakespeare sei Dank, am bekanntesten ist: ein König auf der Flucht. Shakespeare hat ihn, der nur zwei Jahre regierte und in der Schlacht von Bosworth 1485 starb, als ein buckliges Monster gezeichnet, das sich skrupellos zum Thron hin mordet und dabei sogar seine eigenen Neffen beseitigte. Seitdem hatte Richard III. eine schlechte Presse.

Shakespeare-Propaganda

Doch man muss wissen: Shakespeare bediente mit seinem Königsdrama die Propaganda der mittlerweile herrschenden Tudor-Dynastie. Richard, der letzte Plantagenet, hatte einen stärkeren Anspruch auf den Thron als Henry VII., der erste Tudor. Henry musste Richard nicht nur in der Schlacht besiegen, sondern auch sein Andenken tilgen, die Person diskreditieren. Daher die Gräuelgeschichten über das Buckelmonster, daher die Erniedrigung des Monarchen, der nach seinem Tod nackt ausgezogen, öffentlich ausgestellt und ohne Sarg und Grabtuch in einer bescheidenen Kapelle bestattet wurde.

Die „Plantagenet Alliance“ will eine Rehabilitierung des Königs. „Jetzt müssen die Geschichtsbücher umgeschrieben werden“, fordert Philippa Langley. Die TV-Autorin streitet schon seit Jahren für eine Neuinterpretation der bisher fast universal verleumdeten historischen Figur. „Er war einer unserer besseren Herrscher“, meint sie, „und besonders im Norden Englands ist er geschätzt worden.“ Die Grablegung im Münster zu York bedeute nicht nur eine Heimkehr des Königs, sie würde auch einem neuen und angemesseneren Verständnis den Weg bereiten.