Mainz. . Gibt es ein England jenseits von Rosamunde Pilcher und „Inspector Barnaby“? Die Antwort lautet: ja. Die britische Serie „Vera – Ein ganz spezieller Fall“ zeigt britischen Alltag mit Brenda Blethyn als Ermittlerin, bei der Schurken aufpassen sollten. Sie wird leicht unterschätzt.

Grau der Himmel, grau der Hafen, grau die Siedlung, in der ein Mordopfer gefunden wurde: Nein, „Vera – Ein ganz spezieller Fall“ (ZDFneo, Dienstag, 20.15 Uhr) präsentiert Großbritannien nicht als sonnenbeschienenes Legoland mit schrulligen Typen. Vielmehr ist die englische Serie bewusst in der nördlichen Grafschaft Northhumberland angesiedelt, dem Arme-Leute-Distrikt zwischen Newcastle und der schottischen Grenze.

Das passt zu dem nüchtern-pragmatischen Ton der drei 90-minütigen Krimis, die ZDFneo an den kommenden Dienstagen zeigt, vorne weg eine Heldin, die wie Englands Antwort auf „Bella Block“ wirkt: Vera Stanhope (Brenda Blethyn) ist eine Ermittlerin, die mütterliche Einfühlung und unbestechliche Skepsis perfekt ausbalanciert.

Zweimal am Oscar knapp vorbeigeschrammt

Brenda Blethyn gehört zur ersten Liga britischer Schauspieler. Die 68-Jährige schrammte zweimal, mit „Lügen und Geheimnisse“ (1996) und „Little Voice“ (1998), an einem Oscar vorbei. Als Detective Chief Inspector Vera Stanhope verkörpert sie eine Anti-Heldin. Zornesfalten zwischen den Augenbrauen und skeptische Mundwinkel verraten, dass es das Leben nicht immer gut mit ihr meinte.

Tatsächlich kämpft sie nicht nur gegen das Böse in der Welt, sondern auch gegen den Teufel Alkohol. Vera Stanhope ist eine tiefstapelnde Wahrheitssucherin. Ihre demonstrativ praktische Kleidung und ihre bedröppelte Erscheinung verleitet die Schurken in ihrem Polizei-Bezirk dazu, sie zu unterschätzen.

Der Chefin steht, im Sinn moderner Rollen-Verkehrung, ein junger, gut aussehender Assistent zur Seite. David Leon verkörpert Detective Sergeant Joe Ashworth. Er bildet mit seiner Vorgesetzten eine perfekte Einheit, weil er das hat, was ihr fehlt. Die beiden verstehen sich blind auf der Mutter-Sohn-Ebene.

Ein inszenierter Mord

In der Auftaktfolge begibt sich das Duo in „Verborgene Abgründe“ (Episodentitel). Eine Mutter entdeckt nach einem seltenen Abend mit ihrem Lebensgefährten in einer Kneipe, dass ihr 15-jähriger Sohn tot in der Badewanne liegt. Schnell findet Vera Stanhope heraus, dass es ein inszenierter Mord war: Darauf deuten Wildblumen am Tatort hin.

Die Ermittlungen führen zu dem ungeklärten Tod eines Freundes des Mordopfers, zudem besteht eine Verbindung zum Tod einer jungen Lehrerin. Sie wird in einem Tümpel am Meer gefunden, ebenfalls mit Blumen dekoriert. Die psychologisierende Auflösung des Falls ist konventionell, aber das Ensemble spielt gut, und die Inszenierung ist liebevoll. Bereits der Einstieg gibt ein Spannungsversprechen, das der Krimi unbedingt hält.