Berlin. . Die ARD huldigt Show-Master Hans Joachim Kulenkampff. Zur Erstausstrahlung von „EWG“ gönnt das Erste dem Show-Klassiker eine Neuauflage. Moderiert wird sie von Jörg Pilawa. Im Interview erinnert sich der 48-Jährige an Jugendtage. Damals hatte das Fernsehen einen besonderen Stellenwert.

Jörg Pilawa huldigt am Samstag, 20.15 Uhr, in der ARD einer großen Show-Idee. Zum 50-jährigen Jubiläum von Hans Joachim Kulenkampffs „EWG“ – Einer wird gewinnen – moderiert der 48-jährige Hamburger den Klassiker. Jürgen Overkott sprach mit ihm.

„EWG“ ist eine weitere Retro-Show. Gilt beim Fernsehen die Devise: Vorwärts, Freunde, wir müssen zurück?

Jörg Pilawa: Könnte man denken, ja. „Das ist Spitze“ beziehungsweise „Dalli Dalli“ ist auch eine Neuauflage. Doch unsere Show ist anders angelegt. Ich hatte mir überlegt, welche Jubiläen gibt es in diesem Jahr zu feiern, und da kam ich dann auf 50 Jahre „EWG“.

Auch interessant

Deshalb habe ich mich noch mal damit beschäftigt. Und ich habe mir gesagt: Als einmalige Hommage an die beliebteste Quiz-Show vergangener Jahre und als Hommage an den beliebtesten Showmaster des deutschen Fernsehens, nämlich Hans Joachim Kulenkampff, kann man das machen, als Event.

„Dalli Dalli“ ist erneut eine Show-Reihe.

Pilawa: Der Unterschied besteht darin, dass „Dalli Dalli“ schon in der Vergangenheit eine temporeiche, durchgetaktete Sendung war, und deshalb für einen Neustart als Reihe geeignet war.

Und „EWG“?

Pilawa: Als die Show damals, 1964, kam, war der Krieg gerade mal 19 Jahre vorbei, und dann feiert Deutschland eine Unterhaltungsshow mit den europäischen Nachbarn, mit Menschen aus Holland, aus Frankreich, aus England. Sie haben den ganzen Abend Spaß und lachen mit uns.

„EWG“ war eine Versöhnungsshow.

Pilawa: Zumindest war es ungewöhnlich, dass normale Showkandidaten aus den europäischen Nachbarländern dabei waren. Heute ist Europa Normalität, und deshalb sehe ich eine regelmäßige Europa-Show problematisch.

Inzwischen hat sich unser Verhältnis zu Europa komplett verändert. Die Aufbruchstimmung ist vorbei. Sie hat sich fast ins Gegenteil verkehrt. Haben Sie eine Idee, warum?

Pilawa: Weil man die Menschen im Vereinigungsprozeß nicht mitgenommen hat. Man hat Europa zu sehr als Wirtschaftsgemeinschaft gesehen. Da gibt es zu wenig emotionale Verankerung, die Normalbürger finden sich da zu wenig wieder.

Es wird zu viel über den verordneten Gurkenkrümmungsgrad gelästert. Andererseits steht Europa für offene Grenzen.

Pilawa: Ich weiß noch, wie es war, wenn Du nach Spanien oder auch nur nach Österreich fahren wolltest, Du kamst an die Grenzen, Du musstest die Währung tauschen. Das alles ist weggefallen. Aber diese Freizügigkeit wird heute nicht als Wert, sondern als Selbstverständlichkeit wahrgenommen. Genauso wie gemeinsame TV-Programme, Europäische Preise, die europäische Ausrichtung von Kulturinstitutionen.

Wie nehmen Sie das Thema Europa in der Show auf?

Pilawa: Über die Gäste. Sie repräsentieren verschiedene europäische Länder, sie erzählen darüber, auch über Eigenarten. Nichtdestotrotz machen wir eine zweieinhalbstündige Unterhaltungsshow, die das Publikum nicht in erster Linie mit Fachwissen malträtieren will.

Kuli startete seine Sendung damals mit der Eurovisionshymne. Ertönt die auch bei Ihnen?

Pilawa: Wir haben die Musik etwas modifiziert. Verrückterweise ist es ja so: Wenn wir an das Fernsehen von früher denken, denken wir immer nur positiv: Ach, war das schön, als „Das goldene Band“ lief, und „Der goldene Schuss“. Das Fernsehen hatte damals einfach einen anderen Stellenwert.

Es war etwas ganz Neues.

Pilawa: Man darf nicht vergessen: Ende der 50er-Jahre gab es in (West-)Deutschland ein paar tausend Fernseher, da traf man sich in der Kneipe an der Ecke oder im Ballsaal und guckte zusammen. Dann zog der Fernseher in die Wohnzimmer ein.

Aber: Das Fernsehen der frühen Jahre war abgefilmtes Radio. Das hat Kulenkampff sogar mal so benannt. Das Fernsehen im modernen Sinne wurde danach überhaupt erst erfunden, und „EWG“ war schon so etwas wie ein Vorreiter. Die Show hat Quizfragen, und das war neu, visualisiert. Wenn eine Frage zum schiefen Turm von Pisa kam, wurde nicht nur darüber geredet – er wurde auch gezeigt.

Kulenkampff hat auch Musik funktional in die Show eingebaut. Wie sieht’s bei Ihnen aus?

Pilawa: Wir haben lange darüber diskutiert. Das war Kulenkampffs Baby. Er hat auch Einspieler produziert, beispielsweise eine super Persiflage auf die Beatles. Wir würdigen das durch die Original-Ausschnitte von damals. Ich will mich nicht in Kulenkampff verwandeln, sondern ich will ihn hochleben lassen.

Wie erinnern sich die Leute an Kulenkampff?

Pilawa: Wenn man fragt, heißt es: Ach ja, „EWG“, da waren doch immer Leute aus Europa dabei, und dann noch die Assistentin und der Butler.

Gibt es bei Ihnen eine Gabi und einen Martin?

Pilawa: Ich habe mich mit Gabi Kimpfel getroffen, sie wird in der Sendung sein. Es wird eine Assistentin geben, es wird auch irgendetwas mit einem Butler sein, aber da werde ich selbst überrascht. Das heckt die Redaktion aus.

„EWG“ war damals sehr stark auf Kulenkampff zugeschnitten, der eine Sendung oft eröffnete, in dem er wie ein Stand-Up-Comedian Witze erzählte. Ist das auch Ihr Ding?

Pilawa: Ich will nicht sagen, dass das nicht mein Ding ist. Andererseits muss ich sagen: Kulenkampff hat das richtige Programm zur richtigen Zeit gemacht.

Ich vermute, dass Sie selbst die Show zum ersten Mal als Jugendlicher Ende der 70er wahrgenommen haben, und ich könnte mir vorstellen, dass Sie Kulenkampff damals furchtbar langweilig fanden.

Pilawa: Als Kulenkampf nach einer Pause 1979 weitermachte, war ich 14 Jahre alt. Da hatten wir im Wohnzimmer einen abschließbaren Fernsehschrank. Und wenn „EWG“ lief, wurden wir von meinen Eltern gefragt: Guckt Ihr mit uns zusammen?

Natürlich haben wir ja gesagt, denn die Alternative war, im Bett zu liegen, es gab nämlich damals keinen Computer, auch keinen zweiten Fernseher und schon gar nicht 200 verschiedene Programme. Vor die Show ging es in die Badewanne, dann wurde der Fernsehschrank aufgeschlossen, wir saßen im Frotteebademantel vorm Fernseher, Muttern hatte Schnittchen gemacht, und unsere Eltern tranken dazu ein Glas Wein.

Und der Mettigel?

Pilawa: Den hat vor allem mein Vater geliebt. Heißt also: Das Fernsehen wurde damals zelebriert. Deshalb war das für mich ein Hochgenuss, dabei zu sein. Diese Momente waren für mich das Größte. Diese Zeiten sind leider vorbei.

Ich höre Wehmut.

Pilawa: Na ja, wenn Du nur drei Programme hast, kannst Du mit einer Topsendung Quoten von 90 Prozent erzielen. Das war eine andere Zeit. Ich sage ganz nüchtern: Das ist vorbei.

Wenn ich auf das Programmschema für den 1. März sehe, stelle ich fest: Da gibt es „EWG“, da gibt es „Wilsberg“, da gibt es „DSDS“. Auch beim Quotenrennen heißt es: Einer wird gewinnen. Werden Sie es sein?

Pilawa: Ich hoffe, dass Kulenkampff gewinnt. Aber der Markt wird sich aufteilen. Die Zeiten, wo alle ein Programm einschalteten, sind vorbei. Die Jüngeren werden sich anderen Programmen zuwenden, wir werden überproportional viele ältere Zuschauer haben, weil wir eine Erinnerungsshow machen.