Essen. . Audrey Hepburn betonte mit dem Rollkragenpullover in den 50er-Jahren ihr zartes Reh-Wesen. Zwischendurch galt der Pulli als altbacken und bieder. Jetzt kommt er zurück und schafft es auf den Laufsteg und zu den Stars. Was ihn so beliebt macht und wie Mann und Frau ihn tragen sollten.

Audrey Hepburn, rehartiges Wesen. Mit diesem Kleidungsstück betonte sie gern ihre zarte Erscheinung. Auch Angelina Jolie schmiegt sich auf Fotos ab und zu hochgeschlossen an ihren Brad. Und Apple-Gründer Steve Jobs sah man gar so gut wie nie oben ohne – oben ohne Rollkragenpullover. Seit Jahrzehnten ist ein Stück Stoff, das bis zum Kinn reicht, immer mal wieder so angesagt, dass auch Edeldesigner und Hollywood-Schönheiten nicht an ihm vorbeikommen. – Derzeit zum Beispiel.

Pippa Middleton trägt ihn, Miley Cyrus auch

In diesen Wintertagen sieht man die Damen Pippa Middleton, von Beruf Königshausschwester, oder Teenie-Idol Miley Cyrus aus Rollis in die Kameras lächeln. Middleton in Royalblau, sie muss ja jederzeit damit rechnen, auf die Queen zu treffen. Cyrus in Schwarz, dem Klassiker, weil selbst sie womöglich mal eine Pause vom ständigen Provozieren braucht. „Der Rollkragen-Pullover ist zurück auf dem modischen Parkett. Losgelöst vom Steve Jobs-Image wird er wieder interessanter für modebewusste Frauen und gehört aktuell vielerorts zu den Topsellern“, heißt es im Fachblatt Textilwirtschaft.

„Der Rolli ist gerade so beliebt, weil er als Gegenpol zum Transparent-Trend und zu offenherzigen Schnitten verstanden wird“, sagt Juliane Gareis, die in Dortmund als Stilberaterin und Stylistin arbeitet (www.stilberatung-nrw.de). Früher war sie für bekannte Modehäuser tätig und hat Modedesign studiert. Sie liefert zu jeder Kleiderfrage die passende Antwort. Ist der Rollkragen als Statement zu verstehen? Gareis findet ja. „Damit zeigen Frauen, dass sie ,Sex sells’ nicht nötig haben. In Chefetagen beispielsweise müssen sie nicht tief dekolletiert um Aufmerksamkeit werben. Hier wird der Rollkragenpulli als edles Stilmittel eingesetzt.“ Oft ergänzt durch einen Blazer, ein Tuch oder eine auffällige Statementkette.

Bei Hitzewallungen ist der Rollkragen kein gute Begleiter

Auf der anderen Seite gibt es aber auch die, die wenn sie das Wort „Rollkragen“ nur hören, automatisch zum Hals greifen, sich kratzen und ein Gefühl von Enge verspüren. Entscheidend bei den neuen Modellen dieses Fundstücks aus der Klassikerkiste ist das Material: Qualität entscheidet über Wohlbefinden. Gerade wenn der Pulli ohne Unterhemd getragen wird. „Merinowolle oder Kaschmir“, empfiehlt Stilberaterin Juliane Gareis.

Sie schränkt aber ein, dass dieses vielleicht nicht das ideale Teil ist für Frauen ab 50. Die Wechseljahre oder andere Gründe, die zu Hitzewallungen führen, verstehen sich nicht mit dem wollenen, oft eng anliegenden und hoch geschlossenen Begleiter. „Man kann ihn nicht einfach so ausziehen wie eine Strickjacke, denn dann ruiniert er das Make-up oder zumindest die Frisur.“

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Überhaupt muss beim Styling dieses oft auf den ersten Blick unkompliziert und puristisch wirkenden Oberteils einiges bedacht werden. In der Feinstrick-Version sollte der Pulli eng am Körper liegen – das ist perfekt für schlanke Silhouetten, aber problematisch für Menschen mit Polster-Gruppen auf den Rippen. „Wunderschön sehen enge Rollis zu ausgestellten Röcken aus“, sagt Stilberaterin Juliane Gareis. Auch ein schmaler Rock und dazu ein längerer Rolli mit Taillengürtel vertragen sich ganz prima.

Jil Sander mochte den Rolli schon immer

Liebling der Designer ist die schickste Halskrause der Welt ohnehin. Neuerdings bei Stella McCartney und Marc Jacobs, bei Jil Sander dagegen schon immer. Mit ihren puristischen Entwürfen war die Hamburgerin gut zwischen den schrillen Vorstellungen der anderen Modehäuser auf den Laufstegen auszumachen. Ihre Kleidung konnten normale Menschen selbst dann tragen, wenn gerade kein Karneval war. Dazu gehörte, dass sie Frauen in Hosenanzüge und meist schwarze Rollkragenpullover steckte. Elegante Damenmode für Karrierefrauen also.

So ein Rolli kann aber auch anders. Weit und kastig beispielsweise, grob gestrickt oder mit Norwegermuster. „Mit gepolsterten BHs formen Frauen unter diesen Modellen weiblichere Formen“, empfiehlt Juliane Gareis. Doch Vorsicht bei Kurzarmversionen: „Bei kräftigeren Frauen ziehen diese den Oberkörper unvorteilhaft noch weiter in die Breite.“

Die ideale Oberbekleidung für Männer mit Hühnerhälsen

Darf auch dem Mann der Kragen bis zum Kinn stehen? „Oh ja“, findet die Stylistin und schwärmt von der Kombination „gepflegter Bart und Rollkragen“. Auch hier komme es auf das Material an, eine feine Wolle sollte es sein. Sonst geht es Rolli rückwärts zurück ins Bieder-Image. Der Gentleman trägt heute beispielsweise Rollkragenpullover des Belgiers Raf Simons, der lange für Jil Sander als Kreativdirektor gearbeitet und dort die Liebe zum Hochgeschlossenen entdeckt hat. Zusammen mit einem Nadelstreifenanzug wird so ein feiner Rolli bürotauglich.

Manchen Herren rät Beraterin Gareis ausdrücklich zu dieser Oberbekleidung, „nämlich denen mit langen, blassen Hälsen, diesen Hühnerhälsen, wissen Sie?“ Vermeiden sollte den Rollkragen dagegen der Hals-Typ Franz Josef Strauß: viel Kopf, reichlich Oberkörper und dazwischen so gut wie nichts.