Paris. Die Diskussion um eine angebliche Liebesaffäre kommt für Frankreichs Präsidenten Hollande zum denkbar ungünstigen Zeitpunkt. Eigentlich wollte der Sozialist zu Jahresbeginn mit wegweisenden Reformvorhaben von sich Reden machen. Jetzt wird vor allem über Amouren diskutiert.

Die öffentliche Aufregung um eine angebliche Liebesaffäre mit einer Schauspielerin verhagelt Frankreichs Präsidenten François Hollande den Start ins neue Jahr. Eigentlich wollte der Sozialist bei einer großen Pressekonferenz an diesem Dienstag die bislang vielleicht bedeutendsten Reformvorhaben seiner Amtszeit erklären.

Schon vor deren Beginn war allerdings klar, dass sich etliche der Journalisten aus aller Welt vor allem für unangenehme Fragen mit privatem Hintergrund interessieren dürften. "Ein Katastrophenszenario" oder "Hollande steht mit dem Rücken zur Wand" kommentierten französische Tageszeitungen.

"2014 wird das Jahr großer Entscheidungen sein"

Dabei hatte das Jahr 2014 für den linken Präsidenten so gut begonnen. Ökonomen und selbst konservative Medien lobten die jüngsten wirtschaftspolitischen Ankündigungen des 59-Jährigen. Die seit Monaten desaströs schlechten Umfragewerte verbesserten sich. "2014 wird das Jahr großer Entscheidungen sein", hatte Hollande in seiner Neujahrsansprache versprochen. Er wolle die öffentlichen Ausgaben reduzieren, um in absehbarer Zeit die Steuern senken zu können.

Am Freitag kam dann aber das Klatschmagazin "Closer". Ausgerechnet kurz vor der Präsidentenpressekonferenz präsentierte das Blatt auf sieben Seiten angebliche Beweise für eine Affäre.

"Unserer Job ist es, Liebesgeschichten zu erzählen", kommentierte Redaktionschefin Laurence Pieau trocken zu Fragen nach einer Verletzung der Privatsphäre. Zudem würden die Besuche Hollandes bei Gayet Fragen über dessen Umgang mit der Sicherheit aufgeben. Laut "Closer" ließ sich der Lenker der drittgrößten Atommacht der Welt beispielsweise mit einem Motorroller zu seiner Geliebten fahren.

Valérie Trierweiler wurde ins Krankenhaus gebracht

Verschärft wurde die Aufregung durch die Meldung, dass Hollandes offizielle Lebensgefährtin Valérie Trierweiler kurz nach den pikanten Veröffentlichungen in ein Krankenhaus gebracht wurde. "Sie muss nach dem Schock, den sie erlitten hat, wieder Kräfte sammeln", hieß es am Montag aus dem Umfeld der First Lady im Präsidentenpalast. Details zu ihrer Erkrankung wurden nicht genannt.

Bleibt Trierweiler französische First Lady? Hat sich Hollande bei heimlichen Ausflügen aus dem Élyséepalast einem unverantwortlichen Sicherheitsrisiko ausgesetzt? Und wer begleitet ihn im Februar zum Staatsbesuch in die USA? Fragen wie diese dominieren nun seit Freitag die politische Diskussion.

Für Hollande könnte die Aufregung um sein Privatleben nicht ungelegener kommen. Frankreich hinkt bei der wirtschaftlichen Entwicklung Ländern wie Deutschland meilenweit hinterher; das Versprechen einer Trendwende bei den besorgniserregend hohen Arbeitslosenzahlen konnte er bislang nicht einlösen.

Als Befreiungsschlag rief er deswegen zum Jahreswechsel zu einem "Pakt der Verantwortung" auf und ging wie nie zuvor auf die Wirtschaft zu. "Niedrigere Arbeitskosten, weniger Auflagen und im Gegenzug mehr Einstellungen und mehr sozialer Dialog" - lautet die in der Neujahrsansprache skizzierte Leitlinie.

Die Unternehmer seien offensichtlich "die neue Liebe des Präsidenten" kommentierte das konservative Blatt "Le Figaro" in der vergangenen Woche erstaunt und verwies auf Hollandes frühere Attacken auf die Finanzwelt. Der "Closer"-Artikel war da noch nicht erschienen.

Völlig baff waren viele Kommentatoren, als Hollande wenig später auch noch in ungewohnter Deutlichkeit zu einer tiefgreifenden Reform des Staatsapparats aufrief. "Zu schwerfällig, zu langsam und zu teuer", lautete die Diagnose des linken Präsidenten. "Zwischen dem konservativen Sozialliberalismus von Tony Blair (Großbritannien) und dem progressiven Sozialliberalismus von José Luis Rodríguez Zapatero (Spanien) positioniert sich Hollande in der Mitte, ein bisschen wie Gerhard Schröder", analysierte der Politikwissenschaftler Laurent Bouvet in der Zeitung "Le Monde".

Mehrheit der Franzosen betrachtet Affäre bislang als reine Privatsphäre

Wirtschaftsfachleute hatten Hollande seit Monaten aufgefordert, sich ein Beispiel am früheren deutschen SPD-Bundeskanzler zu nehmen und den Arbeitsmarkt tiefgreifend zu reformieren. "Der Staatschef hat klare Zeichen gegeben", lobte der Chef des Autobauers PSA Peugeot Citroën, Philippe Varin. Um Frankreichs Wirtschaft wettbewerbsfähig zu machen, sei es unumgänglich, die Abgabenlast zu senken.

Beruhigen kann den Präsidenten vorerst, dass eine große Mehrheit der Franzosen die Affäre bislang als reine Privatsphäre betrachtet. 84 Prozent gaben in einer repräsentativen Telefonumfrage an, die Enthüllungen hätten keinen Einfluss auf ihr Bild von Hollande.

Die Opposition arbeitet allerdings daran, dass sich das ändert. "Wer ist die Première Dame Frankreichs? Ist es normal, dass Valérie Trierweiler auf Kosten des Steuerzahlers im Élyséepalast bleibt, während der Präsident andere Beziehungen hat?", fragte der UMP-Abgeordnete Daniel Fasquelle. Und selbst die linksliberale Tageszeitung "Libération" verwies darauf, dass Hollande Trierweiler im Élyséepalast unter anderem einen Berater, zwei Sekretäre und einen Chauffeur zur Verfügung gestellt habe.

Immer häufiger wird Hollande zudem damit konfrontiert, dass er im Wahlkampf den Eindruck erweckt hatte, Amt und Privatleben ganz klar trennen zu können. Der Sozialist, der mit der früheren Präsidentschaftskandidatin Ségolène Royal vier Kinder hat, wollte sich damit von seinem konservativen Vorgänger Nicolas Sarkozy (58) abheben. Dieser hatte sich Anfang 2008 vor Hunderten Journalisten zu der Beziehung zu dem früheren Top-Model Carla Bruni bekannt. "Es ist etwas Ernstes", lautete damals Sarkozys offenherzige Antwort auf eine Reporterfrage. (dpa)