Frankfurt. . Demenz ist ein schweres Thema. Taugt es für einen Unterhaltungsfilm? Die Antwort lautet Ja. Hannelore Hoger und Frederick Lau zeigen, wie es geht. Fein dosiert balancieren beide in dem ARD-Film „Nichts für Feiglinge“ zwischen Komik und Tragik. Und Haltung zeigen sie auch noch.
„Alt werden ist nichts für Feiglinge.“ Ein Bonmot von Hollywood-Diva Mae West. Sie wurde 87. Jetzt bezieht sich ausgerechnet ein Film der ARD-Produktionsfirma Degeto darauf, die einst als Zuckerwatte-Fabrik verrufen war. Und tatsächlich ist die Demenz-Tragikomödie mit Hannelore Hoger und Frederick Lau „nichts für Feiglinge“ (ARD, Freitag, 20.15 Uhr).
Verblüffend ungeschminkt erzählen Regisseur Michael Rowitz und Drehbuch-Autor Martin Rauhaus von der Annäherung von Enkel und Oma in Zeiten einer existenziellen Lebenskrise: Er übernimmt Verantwortung, sie zeigt Herzenswärme.
Die Wohnung steht in Flammen
Musikstudent Philip Diercksen, elternlos, wuchs bei seiner Großmutter Lisbeth auf. Die pensionierte Lehrerin benutzt ihren scharfen Verstand und ihre spitze Zunge als Waffe, um ihre Mitmenschen auf Distanz zu halten.
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Das gilt auch für den jungen Mann. Wenn er sich nicht gerade mit der alten Dame ein Verbal-Gefecht um Pflichterfüllung und Dankbarkeit liefert, herrscht sprachloser Waffenstillstand. Bis Lisbeths erster Aussetzer kommt.
Philip muss sie bei der Polizei abholen. Sie war verwirrt – und unflätig. Die Ärztin Dr. Jonas (Sandra Borgmann) diagnostiziert Demenz – ein Alptraum für die Pädagogin, weil ihr die Kontrolle über ihr Leben entgleitet, unbarmherzig ausweglos.
Doch der Student will nichts davon wissen – schon allein deshalb nicht, um sein sorgloses WG-Leben und seine junge Liebe nicht zu gefährden. In der nächsten Eskalationsstufe des Dramas steckt Lisbeth ihre Wohnung an.
Die beiden Diercksens nähern sich an
Folge: Sie verliert ihren Mietvertrag – und damit ihre räumliche Unabhängigkeit. Als Philip seine Großmutter in einem konventionellen Altersheim unterbringt, fühlt sie sich lieblos abgeschoben. Dort zieht Lady Sarkasmus alle Register.
Doch Regisseur Rowitz lässt die Situationskomik schnell in Sozial-Horror kippen. Als Lisbeth ausrastet, reagiert das Heimpersonal mit Härte: Es löst den Konflikt mit körperlicher Gewalt, obendrein wird die besserwisserische Dame medikamentös ruhig gestellt und auch noch im Bett fixiert.
Um die bedrückende Wucht dieser Szene zu mildern, folgt ein entspannendes Zwischenspiel. Lisbeth zieht in Philips WG ein. Sie blüht auf – er auch. Das erfrischende Heute macht das deprimierende Gestern beinahe vergessen. Die Annäherung der beiden Diercksens hilft Philip zu ertragen, dass er machtlos gegen die Krankheitsschübe seiner Oma ist, die immer fatalere Konsequenzen haben.
Lau und Hoger ergänzen sich perfekt – selbst wenn sie streiten
Lau und Hoger erweisen sich in der Tragikomödie als optimale Besetzung. Sie harmonieren prächtig miteinander, auch und gerade wenn sie sich streiten. Ihnen gelingen mit fein dosiertem Spiel großartige Momente, wo Komik und Tragik sorgsam austariert sind.
Etwa bei der Amokfahrt der alten Dame mit Philips Pizza-Flitzer durch Köln. Schließlich steht sie barfuß auf der Mauerbrüstung einer Rheinbrücke, bekleidet lediglich mit einem Bademantel, der die Aufschrift „Sex On The Beach“ trägt. Sie blickt leer in den Nachthimmel und hält ihren Enkel für den längst verstorbenen Mann, mit dem sie ins Theater will. Philip jedoch wird klar, dass er seine Ersatzmutter endgültig im Heim unterbringen muss, um Schlimmeres zu verhüten.
Um die Härte des Finales zu mildern, überhöht es Regisseur Rowitz beinahe märchenhaft. Das mindert den Wert des Films keineswegs. Er zeigt nämlich Haltung: Haltung zum Leben und Haltung zum Tod. Wer die Scharmützel mit seiner Umwelt zu Lebzeiten beendet, kann in Frieden sterben. Eine tröstliche Botschaft.