Mainz. Marietta Slomkas Interview mit SPD-Chef Sigmar Gabriel schrammte knapp am Fiasko vorbei. Der Schluss des Gesprächs hätte von Loriot stammen können. Und die Bilanz am Tag danach? Hat knallharter Journalismus gegen Politiker-Bräsigkeit gesiegt? Mutter Courage, Vater Blamage? Der Fall ist komplizierter.

Höfliche Fragen, ausweichende Antworten: So kennen Fernsehzuschauer Politiker-Interviews, zumindest in Deutschland. Polit-Geplauder erinnert zumeist an den Woll-Waschgang: Es ist weichgespült. Doch am Donnerstagabend, im „heute-journal“, war alles anders. Das Interview von Nachrichtenfrau Marietta Slomka (44) mit SPD-Chef Sigmar Gabriel (54) über die Mitgliederbefragung zur großen Koalition geriet schnell zum Wortgefecht. Am Ende rangen beide um Fassung.

Slomka wollte ihre Unabhängigkeit als Journalistin demonstrieren, zumal gerade das ZDF als Sender gilt, bei dem die Politik zu viel Einfluss hat. Die gebürtige Kölnerin ist Journalistin durch und durch. Wenn die Ex-Frau von RTL-Nachrichtenmann Christof Lang nicht für das Abendmagazin des ZDF arbeitet, macht sie Reportagen, mal in Afrika, mal in China. Roter-Teppich-Glanz liegt ihr fern; sie strahlt lieber fröhlich im Privatleben.

Erst störrische Genossen und dann Frau Slomka

Doch vieler Medienpreise zum Trotz: Ein großer Coup fehlt der ehemaligen Wirtschaftsredakteurin der „Kölnischen Rundschau“ bisher. Ein Coup, wie er „heute-journal“-Vormann Claus Kleber gelang, als er den CSU-Vorsitzenden Horst Seehofer dazu verleitete, mehr zu offenbaren, als er wollte. Deshalb hatte Slomka das Gabriel-Interview provokativ angeschärft.

Gabriel war ebenfalls in einer unbequemen Situation. Er hatte nachmittags im Hessischen teilweise störrische Genossen vom Sinn der großen Koalition überzeugen wollen, um abends für das Basis-Votum werben zu müssen.

Slomka schenkte Gabriel nichts. Sie behauptete einen Gegensatz zwischen der vergleichsweise großen Macht der Genossen und der vergleichsweise kleinen Macht des Wählervolks. Gabriel retour: Eine Entscheidung des Fußvolks über die Koalition sei demokratischer als ein Votum von Vorstand oder Parteitag. Doch als Slomka nicht locker ließ, eskalierte das Gespräch. Sie fragte ihn nach „verfassungsrechtlichen Bedenken“.

Er konterte: „Blödsinn.“ Sie wurde schnippisch, er pampig: „Tun Sie mir einen Gefallen und lassen Sie uns den Quatsch beenden.“ Danach folgte ein Wortgefecht im Stil von Loriot. Während Slomkas Blick immer eisiger wurde, dampfte Gabriel wie ein Kochtopf.

„Man muss doch auch mal Emotionen zeigen“

Der Kampf endete unentschieden. Slomka demonstrierte Staatsferne, Gabriel Kampfkraft. Zugleich aber gaben sich beide Seiten Blößen. Mainzelfrau Slomka wirkte zickig bis kühl, Gabriel krawallig, nicht cool.

Am Freitag übte sich der SPD-Chef in Schadensbegrenzung. Gabriel vertraute RTL an, er sei nicht mehr sauer: „Man muss doch auch mal Emotionen zeigen. Wir sind ja keine kalten Fische.“ Er sei zwar nicht als „Watschenmann“ da, aber „man darf sich auch mal streiten. Das ist nix Schlimmes“.

Das ZDF verteidigte Slomkas Vorgehen pflichtgemäß. Allerdings stand die Journalistin nicht für Nachfragen zur Verfügung.

Ein Politiker hatte übrigens volles Verständnis für den genervten Sozialdemokraten. Das ZDF-Interview habe „mit Qualität nichts mehr zu tun“, grantelte er. Sein Name: Horst Seehofer.