Washington. . Der Mann aus Detroit war einer der ganz Großen des Rap. Doch seit Jahren ist es recht ruhig um den Rüpel. Sein neues Album „The Marshall Mathers LP 2“ zeigt, warum: Anscheinend hat Eminem einfach nichts mehr zu sagen. Nur an seiner vermeintlichen Frauen- und Schwulenfeindlickeit hat sich wenig geändert.

Eigentlich sollte der Text über Marshall Bruce Mathers III so anfangen: Eine neue Schallplatte von Eminem kann heute doch wohl kein großes Ding mehr sein. Weil das Publikum gegen die zuverlässig stumpfen Tiraden des Rap/Hip-Hop-Superstars gegen kaputte Elternhäuser, Mütter, Frauen, Freundinnen, Schwule und Mainstream-Pop-Stars immun geworden ist. Weil ebenso reiche Großmeister des rüden Wortspiels wie Jay-Z oder Kanye West längst mehr können, als nur aus ihrem inneren Gefängnis zu singen, in dem die immer gleichen Dämonen lauern. Weil sich die Geschichten des weißen Wortschmieds aus 19946 Dresden Street, Detroit, US-Staat Michigan einfach auserzählt haben. Funktioniert aber nicht.

Nicht bei knapp 800.000 verkauften Tonträgern binnen einer Woche. Nicht bei einem blond gefärbten Kerl, der mit 77 Millionen Fans auf Facebook zweimal so viele Anhänger aufbietet wie Barack Obama. Nicht bei einer teilweise hymnisch rezensierten Platte namens „The Marshall Mathers LP 2“, aus Platzersparnisgründen MMLP2 genannt, die 13 Jahre nach dem stil- und rufbildenden MMLP1 beweist, dass man mit 41 Jahren älter geworden ist. Aber nicht zwangsläufig auch erwachsener.

Es gibt auch den anderen Eminem

Dabei gibt es doch auch den anderen Eminem, den treu sorgenden Papa. Der, weil er selber ohne Vater aufwachsen musste, ein Kind aus einer früheren Ehe seiner Ex-Frau adoptiert hat. Und der für seinen Halbbruder Nathan bis heute der Rechtsvormund ist.

Auch interessant

Marshall Bruce Mathers III wäre neulich in der Chippewa Valley High School vor Stolz fast geplatzt: als Tochter Hailie Jade im Blümchenkleid und Beisein von Mama Kim zur „homecoming queen“ gewählt wurde, zum beliebtesten Mädchen der Schule. Jene Kim Scott, nach der einer der frauenfeindlichsten Songs benannt ist, den das Großmaultum des Rap jemals zustande gebracht hat. Die erste Heirat des Paares 1999 überdauerte nicht ohne Grund nur 14 Monate. Die zweite, 2006, gerade mal 82 Tage. Inzwischen, sagt Ex-Schwiegermutter Kathleen Sluck, seien die beiden wieder unzertrennlich. Drittes Ja-Wort nicht ausgeschlossen. Und was sagt Eminem?

Er besteht immer noch darauf, nichts gegen Homosexuelle zu haben – und belegt sie in dem bombastisch textlastigen Stück „Rap God“ einmal mehr mit dem Kampfschimpfwort „faggot“ und anderen Gemeinheiten. Er erzählt in Interviews, dass in seinem Haus nicht geflucht wird. Schon gar nicht über oder gegen Frauen – und droht ihnen in „So Much Better“ in Gedanken mit dem Maschinengewehr.

Über diese gewiss auch inszenierten Ungereimtheiten kann nicht hinwegtrösten, dass Eminem mundartistisch kein bisschen gelitten hat. Meister des ambulant verabreichten, enorm kreativen Reims bleibt er. In manchen Liedern fliegen einem 100 Wörter in 20 Sekunden um die Ohren. Ironische Anflüge von Selbstzweifel inklusive. Er sei frustriert, schwadroniert er in „Evil Twin“, dass ‘N Sync und die Backstreet Boys nicht mehr existieren. Knaben-Pop-Bands, die Marshall B. M. oder sein Alter Ego Slim Shady regelmäßig mit Verachtung verarztet haben.

Ein Song über die Angst, unwichtig zu werden

Warum der Multimillionär seinen Berg von Vorstadtpsychosen bis heute nicht halbwegs abgetragen hat, muss an dem zerrütteten Biotop Detroit liegen. Das leerstehende Haus in der Nähe der 8 Mile Road, in dem Eminem aufwuchs und dass wie im Jahr 2000 das Plattencover ziert, ist neulich fast abgebrannt.

Da fällt einem ein Satz von Charlie LeDuff ein. In seinem Buch „Detroit – eine amerikanische Autopsie“ schreibt der Lokaljournalist: „Diese Stadt ist wie Pompeji. Nur dass die Leute nicht von Asche verschüttet sind.“ Eminem 2013, das ist ein Typ im mittleren Alter, der mit der Welt immer noch vorzugsweise via Mittelfinger kommuniziert. In „Bad Guy“ räsoniert er über seine Angst, unwichtig zu werden für künftige Generationen von Rap-Fans.

Als ob das wirklich so schlimm wäre.