Essen. Was ist ein Garant für jede Menge Konflikte? Diese Antwort kann Nadine ganz schnell beantworten: ein ausländischer Freund. Nicht, dass sie unglücklich wäre - was ihr Kopfzerbrechen bereitet, sind die Reaktionen ihrer Umwelt.
Es ist die Geschichte von 1000 und einem Vorurteil. Seit fast einem Jahr ist Nadine mit ihrem Liebsten zusammen – das ist an sich noch nichts Besonderes. Eine unangenehme Dynamik, auf die sie durchaus verzichten könnte, entsteht erst durch ein kleines Detail: Ihr Freund ist in Marokko geboren und aufgewachsen. Karim kam nach Deutschland, um zu studieren – hier hat auch sein Bruder schon seinen Master gemacht. Schnell fand er danach eine gute Arbeit und – ist geblieben.
Trotzdem: Spätestens, wenn Nadine die Herkunft ihres Freundes offenbart, so drückt sie es mit viel Ironie aus, kommen die ersten – zunächst noch vorsichtigen – Fragen, die sie schon viel zu oft hat beantworten müssen, wie sie versichert. „Und weiß seine Familie von dir?“ „Wie haben denn deine Eltern reagiert?“
Vorurteile und negative Fernsehnachrichten sorgen für falsche Vorstellungen
„In solchen Momenten habe ich das Gefühl, als hätte ich etwas verbrochen oder müsste mich für meine Beziehung rechtfertigen“, erzählt Nadine. Auch vermeintliche Erfahrungsberichte, die Bekannte und Arbeitskollegen um viele Ecken gehört haben wollen, werden dann zum Besten geben. Danach, so erzählt Nadine, scheinen sie auf eine Reaktion zu warten: „So, als sollte ich ihnen auch erzählen, welch tragisches Schicksal mich mit meinem Freund getroffen hat. Dabei bin ich doch super-glücklich!“ Das sind Momente, in denen Nadine am liebsten in alle Welt hinausschreien möchte, dass die Menschen aufhören sollen, sich an ihren merkwürdigen Vorstellungen festzuhalten, die sie sich aus ein paar negativen Fernsehnachrichten und jeder Menge Vorurteilen gebildet haben.
Denn so selten sind diese Beziehungen gar nicht: Laut Angaben des Verbands binationaler Familien und Partnerschaften (IAF) besteht jedes achte Ehepaar in Deutschland aus Partnern verschiedener Kulturkreise. Vor allem der arabische Kulturraum, mit all seinen Traditionen und Gebräuchen, stellt für die meisten Menschen ein Buch mit sieben Siegeln dar. Besonders der Islam macht vielen Angst, doch wie im Christentum, gibt es auch hier viele Schattierungen des Glaubens.
Religiosität ist nicht gleich Extremismus
Laut der jüngsten Studie über Muslime in Deutschland, die das Bundesinnenministerium angefordert hat, sind 34,3 Prozent der aus Nordafrika stammenden Muslime „sehr stark gläubig“, dagegen aber 58,1 Prozent, die sich als „eher gläubig“ einstufen und 5,2 Prozent, die nur wenig Interesse an ihrer Religion haben. Daher warnen Islamwissenschaftler davor, Religion mit Extremismus gleichzusetzen. „Außerdem gibt es auch hier in Deutschland viele Kirchgänger, die trotzdem nicht alle Regeln befolgen, die die Kirche ihnen vorgibt und die ebenso auch andere Religionen respektieren“, wundert sich Nadine.
Nadines Beziehung muss sich dennoch oft an der Filmhandlung von „Nicht ohne meine Tochter“ messen lassen. „Klar, nerven mich die ständigen und ewig gleichen Fragen“, erzählt Nadine, „gerade weil es immer dieselben sind. Fragen, die beweisen, dass die Menschen nur wenig über die Kultur wissen, aber in der Regel nur nach der Bestätigung ihrer Vorurteile suchen und gar nichts Neues lernen wollen.“
Ohne Kompromisse geht es aber auch in einer binationalen Beziehung nicht. Denn Nadine ist ein richtiger Dickkopf ist, wie sie lachend zugibt. „Doch Karim bemüht sich schließlich ebenso wie ich. Und wenn manchmal ein Streit unvermeidlich wird, dann ist das doch von Zeit zu Zeit ganz normal.“
Umso mehr belasten sie die skeptischen Kommentare ihrer Umwelt. „Als wäre eine bestimmte Herkunft, eine bestimmte Religionszugehörigkeit ein Makel.“ Dabei bemerkt Nadine, dass viele es sich in ihrer Doppelmoral sehr bequem eingerichtet haben. „Einerseits tun sie aufgeklärt und geben sich sehr offen. Niemals würden sie bestätigen, dass sie Vorurteile haben. Aber andererseits lassen sie uns genau spüren, dass wir eigentlich nicht zusammen sein sollten oder, dass es ihnen suspekt ist.“
Nach dem ersten Kennenlernen schwinden die Vorurteile
Die Bedenken ihrer Freunde haben sich nach der ersten gemeinsam durchzechten Party verflüchtigt und auch ihre Familie ist offener geworden. Schade ist es aber doch, dass sie immer erst Aufklärungsarbeit leisten muss, bevor ihr Freund akzeptiert wird. „Andererseits ist es rührend zu sehen, wie meine Mutter das Essen zubereitet und stolz von ihrem Einkauf berichtet, bei dem sie peinlichst auf Zutaten ohne Schweinefleisch geachtet hat.“
Nadine und Karim haben das Thema der Religion gleich zu Beginn ihrer Beziehung diskutiert – etwas, was normalerweise zwischen zwei Frischverliebten nicht gleich zur Sprache gebracht wird. „Karim ist gläubig, aber er respektiert, dass ich meine eigene Religion habe, auch wenn die mir persönlich nicht so wichtig ist.“ Und fügt dann lachend hinzu: „Zum typischen Bild, das viele von einem Araber haben: Ich bin wohl eifersüchtiger auf Karim als umgekehrt.“
Laut IAF haben im Jahr 2006 rund 840 Frauen mit deutscher Staatsangehörigkeit einem marokkanischem Mann das Ja-Wort gegeben. Immerhin 65 mehr, als im Vorjahr. „Doch was ist schon deutsch?“, fragt Nadine nachdenklich. „Schließlich besitzt Karim auch die deutsche Staatsangehörigkeit.“ Das Paar würde in der Statistik daher noch nicht einmal erwähnt.