Peking. . Chinesische Touristen erobern die Welt, genießen aber einen schlechten Ruf: Sie gelten als laut und frech. Die Regierung will nun gegensteuern und schlechtes Benehmen im Ausland unter Strafe stellen. Der Auslöser: Ein Teenager hatte in Luxor „Ding Jinhao was here“ in eine Tempelanlage geritzt.
Volkserziehung hat in China eine lange Tradition. Doch was unter Mao einst dazu dienen sollte, den sozialistischen Mustermenschen zu schaffen, wendet sich nun gegen den drohenden Ansehensverlust einer ganzen Nation. Seit Wochen tobt in der chinesischen Öffentlichkeit eine heftige Debatte über das rüpelhafte Benehmen chinesischer Touristen im Ausland.
Auslöser war im Frühjahr der Besuch eines 15-jährigen Teenagers aus Nanjing in Luxor. In der Nähe der Pyramiden ritzte er in einer der Tempelanlagen „Ding Jinhao was here“ in das jahrtausendalte Gestein. Er wird sich nicht viel dabei gedacht haben. Denn in China machen das viele. Doch er brachte nicht nur die ägyptische Tourismusbehörde gegen sich auf. In seiner Heimat kam es zu einem wahren Shitstorm. „Dieser Bengel hat Schande über das chinesische Volk gebracht“, schrieb einer im Internet. Ein anderer wünschte ihm eine ordentliche Tracht Prügel – und seinen Eltern ebenfalls.
Doch das Problem wäre mit Prügeln nicht behoben. Es sitzt viel tiefer. Seitdem sich immer mehr Chinesen Fernreisen leisten können, häufen sich die Klagen über ihr Benehmen. Sie drängeln, schnattern lautstark und brüllen in ihre Handys. Beim Trinkgeld knausern sie und lassen in Hotels Besteck und Handtücher mitgehen. Auch wenn sie als kaufkräftig gelten – ein Hotel in der Provence hat sich chinesischen Medienberichten zufolge bereits gegen die Aufnahme von Reisegruppen aus China ausgesprochen. „Sie vergraulen unsere anderen Gäste“, so der Hotelier.
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Und plötzlich war das Bordbesteck verschwunden
Aber auch in Asien häufen sich die Klagen: Vergangene Woche sorgte die Meldung für Aufregung, dass eine ganze Reisegruppe aus China in einer Maschine der Singapore Airlines das Besteck in ihr Handgepäck packte. Als die Flugbegleiter sie zur Rückgabe aufforderten, weigerten sie sich. Erst auf Intervention des Reiseleiters rückten sie Messer, Gabel und Löffel wieder heraus.
Und weil es bei einer Hongkonger Fluggesellschaft bei Reisen nach China im Schnitt dreimal die Woche zu handgreiflichen Auseinandersetzungen in der Maschine kommt, werden die Flugbegleiter nun in der Kampfsportart Wing Chun ausgebildet.
Auffälige Reisende kommen auf schwarze Listen
Angesichts der vielen Beschwerden über das ungehobelte Verhalten chinesischer Touristen will Chinas Führung nun gegensteuern. Zum 1. Oktober tritt ein neues Gesetz inkraft, das erstmals Schlechtes Benehmen von Touristen unter Strafe stellt. Reisende, die mehrfach unangenehm im Ausland auffallen, sollen auf schwarze Listen gesetzt werden und Reiseverbot erteilt bekommen. Zudem werden die Behörden angewiesen, bei der Reisepassvergabe künftig Broschüren mit Benimmregeln zu verteilen.
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Das ruppige Benehmen hat Ursachen. „Viele der nun in aller Welt reisenden Chinesen haben noch Mangelwirtschaft miterlebt“, erklärt Pang Jialing, Professorin für Ethik und Moralkunde an der Pekinger Pädagogikhochschule und wirbt um Verständnis. Viele von ihnen seien vor kurzem noch arme Bauern gewesen. „Wer zu Zeiten Maos nicht um den Sack Reis oder den Kanister Wasser gekämpft hat und sich vordrängelte, ging leer aus.“ Deshalb seien es vor allem kleine, stämmige Frauen über 60, die als besonders ruppig gelten. „Sie mussten ihre Familien durch die Kulturrevolution bringen“, so Pang. Nun könnten sie sich erstmals Reisen leisten. Das Drängeln hätten sie aber noch nicht abgelegt.