Bonn. Die Zahl der in Deutschland ausgesetzten Exoten hat sich in den vergangenen Jahren offenbar deutlich erhöht. Allein zwischen 2005 und 2009 wurden doppelt so viele Tiere in Heimen abgegeben wie zuvor. Ein Gespräch mit einer Tierschutz-Expertin über Schildkröten, Pythons und ihre Gefahr für Menschen.
Ein achtjähriger Junge aus Bonn ist in einem Badesee im Allgäu wahrscheinlich von einer Alligator-Schildkröte gebissen worden. Dabei wurde ihm die Achillessehne gleich zweimal durchtrennt. Experten vermuten, dass das Tier ausgesetzt wurde. Nach Einschätzung der Tierärztin und Fachreferentin beim Deutschen Tierschutzbund, Henriette Mackensen, hat die Zahl der entflohenen oder ausgesetzten Exoten in Deutschland stark zugenommen.
Wie viele Exoten werden denn im Jahr ausgesetzt?
Das ist schwierig zu quantifizieren, weil es natürlich keine offizielle Statistik gibt. Unser Eindruck ist, dass die Aussetzungen zunehmen, genauso wie auch die Haltung von exotischen Tieren zunimmt. Festmachen können wir das unter anderem an den Aufnahmezahlen in den Tierheimen, die dem Deutschen Tierschutzbund angeschlossen sind. Zwischen den Jahren 2005 und 2009 hat sich die Zahl der Aufnahmen mehr als verdoppelt. Deutlich wird das auch an der Reptilienauffangstation in München. Vor über zehn Jahren bewegten sich die Aufnahmezahlen noch im Hunderter-Bereich. Jetzt sind sie auf über tausend Tiere im Jahre angestiegen. Das sind nicht alles ausgesetzte Tiere, einige werden auch abgegeben. Aber etwa 30 Prozent der Tiere sind ausgesetzt worden.
Um welche Tiere handelt es sich bei den ausgesetzten Exoten?
Relativ häufig sind Kornnattern. Das liegt daran, dass sie als Einsteigertiere und leicht zu halten gelten. Das gilt auch für Bartagamen, die zu den Echsen zählen. Kornnattern können über einen Meter lang werden, sind aber relativ ungefährlich.
In diesem Jahr hatten wir außerdem im Frühjahr eine sechs, sieben Meter lange Tigerpython bei Emden. Gerade aktuell waren grüne Leguane, die in einem Park im Baum saßen. Mit eineinhalb Meter Länge ist das Tier schon beeindruckend und auch nicht ungefährlich. In einem Waschraum eines Fußballvereins saß eine Schnappschildkröte. Diverse Königspythons lagen auf Wanderwegen oder hingen in einem Baum. Vorletzte Woche gab es Alarm wegen einer Giftschlange im Treppenhaus.
Wie gefährlich sind denn in der Regel die ausgesetzten Exoten und besteht Lebensgefahr für den Menschen?
Also so ein grüner Leguan auf dem Baum in einem Park, der kann beißen, er hat lange Krallen und wenn der mit seinem Schwanz ausschlägt, dann kann er auch schwere Verletzungen hervorrufen. Oder eine Würgeschlange, die kann zumindest Haustieren oder Babys auch gefährlich werden. Aber wir haben das Glück, dass generell wenig passiert. Das liegt auch daran, dass die Menschen oft einen hohen Respekt vor so einem Tier haben, wenn sie es finden.
Wer bei sich im Treppenhaus eine Schlange entdeckt, der wird das Treppenhaus normalerweise erst mal verlassen und die Feuerwehr rufen. Also man geht nicht hin und guckt erst mal genauer. Dadurch passiert zum Glück relativ wenig. Aber das heißt nicht, dass das so bleibt. Da kann auch jedes Mal anders laufen.
Gibt es Forderungen der Tierschützer, um die steigende Gefahr einzudämmen?
Natürlich vertreten wir die Haltung, solche Tiere gehören nicht ins Wohnzimmer. Die nächste Forderung wäre Sachkunde. Jeder Tierhalter vor der Anschaffung eines Tieres - egal welches - sollte sachkundig sein und nachweisen, dass er die Tierart halten kann.
Auch interessant
Dann wird die Hemmschwelle größer. Man kriegt übers Internet oder Tierbörsen, die wöchentlich stattfinden, ja alles sehr billig. Dann ist die Hemmschwelle sehr niedrig, so ein Tier anzuschaffen und sich dann auch wieder des Tieres zu entledigen, wenn man merkt, wie groß es wird, wie alt es wird und so weiter.
An die Bundesländer und die Bundesregierung geht die klare Forderung, dass, wenn man die Haltung erlaubt, es auch Auffangstationen gibt für ausgesetzte Tiere. Aber besser wäre es, wenn eine bundeseinheitliche gesetzliche Regelung zur Haltung und zum Handeln mit Wildtieren gefunden wird. (dpa)